Ein Kennzeichen des demografischen Wandels in Deutschland ist die Alterung der Bevölkerung, die bereits jetzt spürbar ist. Ein Vergleich des Altersaufbaus der Bevölkerung im Jahr 2018 und im Jahr der deutschen Vereinigung 1990 macht deutlich: Das Durchschnittsalter der Bevölkerung war 2018 in Deutschland mit 44 Jahren um 5 Jahre höher als 1990 (39 Jahre). Besonders anschaulich zeigen sich die Veränderungen anhand der Alterung der stark besetzten Jahrgänge von 1955 bis 1970, die zur sogenannten Babyboom-Generation gehören. Im Jahr 1990 bildeten sie als 20- bis 35-Jährige die größte Altersgruppe. Nun sind sie im höheren Erwerbsalter angekommen und werden in den nächsten zwei Jahrzehnten aus dem Erwerbsalter ausscheiden. Die Zahl der Personen ab 70 Jahren ist zwischen 1990 und 2018 von 8 Millionen auf 13 Millionen gestiegen. Die höheren Altersklassen zeigen, dass mittlerweile nicht nur Frauen, sondern auch Männer ein höheres Lebensalter erreichen (siehe auch Interner Link: Abschnitt 1.1.2).
Zum demografischen Wandel trägt auch die ungewöhnlich starke Zuwanderung vor allem junger Menschen in den letzten Jahren bei. Von den 3 Millionen seit 2014 zugewanderten Menschen waren 36 % jünger als 20 Jahre. Diese Entwicklung hat vor allem der Schrumpfung der Bevölkerungszahl entgegengewirkt, die ohne die Nettozuwanderung aufgrund der negativen natürlichen Be völkerungsbilanz (mehr Sterbefälle als Geburten) unvermeidlich wäre. Die Zu wanderung hat aber auch die jungen Jahrgänge gestärkt und zur Verjüngung der Bevölkerung im Erwerbsalter beigetragen. Auf die Alterung der Gesamtbevölkerung, die vor allem durch das Aufsteigen der Babyboom-Generation ins höhere Alter und die gestiegene Lebenserwartung bestimmt ist, hat sie dagegen kaum Einfluss. Auch das Verhältnis zwischen Personen im Erwerbsalter und im Rentenalter wird dadurch kaum ver ändert.
Eine Vorstellung über die künftige Bevölkerungsentwicklung bieten Bevölkerungsvorausberechnungen, die zwischen den Statistischen Ämtern des Bundes und der Länder abgestimmt werden.
Info 7Bevölkerungsvorausberechnung
Die langfristigen Bevölkerungsvorausberechnungen zeigen, wie sich Bevölkerungszahl und -struktur unter bestimmten Annahmen zum Geburtenverhalten, zur Sterblichkeit und zu den Wanderungen entwickeln werden. Sie liefern somit "Wenn-dann-Aussagen" und helfen, den Einfluss der demografischen Prozesse auf die Bevölkerungsdynamik zu verstehen.
Da sich demografische Prozesse nur sehr allmählich vollziehen, entfaltet sich das volle Ausmaß ihres Einflusses erst nach mehreren Jahrzehnten. Deshalb kann eine Bevölkerungsvorausberechnung nur dann ihren Zweck erfüllen, wenn sie entsprechend lange Zeiträume umfasst. Um neuere Entwicklungen zu berücksichtigen, aktualisieren die statistischen Ämter ihre Bevölkerungsvorausberechnungen regelmäßig.
Sie berechnen grundsätzlich mehrere Varianten der künftigen Entwicklung. Damit berücksichtigen sie einerseits unterschiedliche Tendenzen in den demografischen Prozessen, andererseits verdeutlicht dies Unsicherheiten der Zukunftsannahmen.
Eine ausführliche Darstellung der Annahmen und Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung ist unter www.destatis.de abrufbar. Die Veränderungen im Altersaufbau der Bevölkerung werden anhand der animierten Bevölkerungspyramiden veranschaulicht. Eine weitere interaktive Anwendung bietet auch die Möglichkeit, die Veränderungen gleichzeitig in drei verschiedenen Bundesländern zu verfolgen.
Die im Jahr 2019 erstellte 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung reicht bis zum Jahr 2060 und stellt ein System aus insgesamt 30 Varianten und Modellrechnungen dar. Diese zeigen eine Spannbreite der möglichen künftigen Veränderungen ausgehend von der gegenwärtigen Altersstruktur der Bevölkerung und den getroffenen Annahmen zur Entwicklung der Geburtenhäufigkeit, der Lebenserwartung und des Saldos der Wanderungen aus und nach Deutschland.
Annahmen der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung
Zu den demografischen Komponenten – Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Wanderungssaldo – werden verschiedene Annahmen getroffen, anhand derer die Bevölkerungszahl und -struktur vorausberechnet werden.
Geburtenhäufigkeit
Die Annahme G1 "sinkende Geburtenhäufigkeit" geht von einem allmählichen Rückgang der zusammengefassten Geburtenziffer von derzeit knapp 1,6 Kindern je Frau auf 1,4 Kinder je Frau aus. Diese Entwicklung wäre denkbar, wenn sich die wirtschaftliche Situation verschlechtern, familienfreundliche Maßnahmen nicht ausgebaut werden und der Einfluss der Zuwanderinnen auf die Geburtenhäufigkeit schnell abnehmen würden.
In der Annahme G2 "moderate Entwicklung der Geburtenhäufigkeit" wird sich die zusammengefasste Geburtenziffer bei 1,55 Kindern je Frau stabilisieren. Ausschlaggebend für diese Annahme sind die Trends im Geburtenverhalten der deutschen Frauen. Die langfristigen Trends werden dabei stärker gewichtet als die Entwicklung der letzten Jahre, da angenommen wird, dass die günstigen Rahmenbedingungen des letzten Jahrzehnts nicht auf Dauer ein Anreiz für Familienzuwachs sein werden. Die derzeit beobachtete Zunahme der Geburtenhäufigkeit im Alter ab 30 Jahren wird sich demnach nicht mehr verstärken. Der gegenwärtig relativ starke Einfluss der Ausländerinnen auf die Geburtenhäufigkeit aller Frauen wird mittelfristig sinken.
In der Annahme G3 "steigende Geburtenhäufigkeit" nimmt die zusammengefasste Geburtenziffer auf 1,7 Kinder je Frau zu. Eine solche Entwicklung wäre zum Beispiel bei weiterhin günstigem Einfluss wirtschaftlicher und familienpolitischer Rahmenbedingungen und stabil hoher Fertilität der Zuwanderinnen denkbar. Der damit einhergehende Anstieg der endgültigen Kinderzahl je Frau auf 1,7 wäre nur zu realisieren, wenn sich das Geburtenverhalten gravierend ändern würde. So müsste zum Beispiel die Kinderlosenquote von derzeit 21 % auf mindestens 15 % sinken beziehungsweise der Anteil der dritten und weiteren Kinder an allen Geburten deutlich zunehmen.
Lebenserwartung
Mit Blick auf die bisherige Entwicklung in Deutschland und die bereits deutlich höhere Lebenserwartung in europäischen Staaten wie Frankreich, Italien, Luxemburg, Norwegen, Spanien oder der Schweiz wird angenommen, dass die Lebenserwartung auch künftig weiter ansteigen wird. Im Vergleich zu früheren Generationen werden die verbesserten Lebensumstände, rückläufige Raucherquoten und zurückgehender Alkoholkonsum sowie weitere Verbesserungen in der medizinischen Versorgung auch künftig aller Voraussicht nach zu einem weiteren Anstieg der Lebenserwartung führen. Dazu werden drei Annahmen getroffen.
In der Annahme L1 "geringer Anstieg" ergibt sich für Männer im Jahr 2060 eine durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt von mehr als 82 Jahren und für Frauen von über 86 Jahren. Das ist ein Zuwachs von rund vier beziehungsweise drei Jahren im Vergleich zur Lebenserwartung in Deutschland im Basiszeitraum 2015/2017. Die Grundlage der niedrigen Annahme L1 bildet die kurzfristige Trendentwicklung seit 2010/ 2012. Es wird angenommen, dass sich der erst seit kurzer Zeit beobachtete Trend hin zu einem vergleichsweise langsamen Anstieg der Lebenserwartung bis zum Jahr 2060 fortsetzen wird.
Bei der Annahme L2 "moderater Anstieg" erreichen Männer im Jahr 2060 bei Geburt eine durchschnittliche Lebenserwartung von über 84 Jahren und Frauen von rund 88 Jahren. Dies entspricht für Männer einem Anstieg um gut sechs Jahre und für Frauen um fast fünf Jahre im Vergleich zum Basiszeitraum 2015/2017. Die Grundlage der mittleren Annahme L2 bildet die Kombination aus der langfristigen Trendentwicklung seit 1970/1972 und der kurzfristigen Trendentwicklung seit 2010/2012.
In der Annahme L3 "starker Anstieg" können Männer bei Geburt eine durchschnittliche Lebenserwartung von gut 86 Jahren und Frauen von rund 90 Jahren erreichen. Das sind für Männer fast acht Jahre und für Frauen gut sechs Jahre mehr als 2015/2017. Die hohe Lebens erwartungsannahme L3 basiert auf der Trendentwicklung seit 1970/1972. Voraussetzung ist, dass sich die Verminderung des Sterberisikos in den höheren Altersstufen ähnlich wie in den letzten 45 Jahren bis zum Jahr 2060 fortsetzt.
Wanderungen
Die durchschnittliche Höhe der Netto zuwanderung im gesamten Vorausberechnungszeitraum von 2019 bis 2060 entspricht in jeder Annahme einem bestimmten Referenzzeitraum aus der Vergangenheit. Auch wenn angenommen wird, dass sich die Wanderungsbewegungen der Vergangenheit in der Zukunft nicht wiederholen, so zeigen sie doch, in welchem Rahmen sich der Wanderungssaldo bei unterschiedlichen Konstellationen bewegen könnte. Dieser Rahmen wird als hypothetischer Korridor für die künftige Wanderungsentwicklung betrachtet.
Die Annahme W1 "niedriger Wanderungssaldo" markiert die Untergrenze der künftigen Entwicklung der Nettozuwanderung. Der Wanderungssaldo sinkt dabei von annähernd 400.000 Personen im Jahr 2018 auf rund 111.000 Personen im Jahr 2030 und bleibt danach konstant. Von 2019 bis 2060 würden damit per saldo insgesamt 6 Millionen Menschen und durchschnittlich 147.000 Menschen je Jahr zuwandern. Der Annahme W1 liegt der Referenzzeitraum von 1955 bis 1989 zugrunde.
In der Annahme W2 "moderate Wanderungsentwicklung" sinkt der Wanderungssaldo zwischen 2018 und 2026 auf 206.000 und bleibt danach konstant. Im gesamten Zeitraum von 2019 bis 2060 würden per saldo 9 Millionen Menschen und durchschnittlich 221.000 Personen je Jahr zuwandern. Der Annahme W2 liegt der Referenzzeitraum von 1955 bis 2018 zugrunde. Er umfasst über sechs Jahr zehnte Wanderungsgeschichte mit allen Schwankungen. Der Wanderungssaldo variierte in diesem Zeitraum von – 224.000 im Jahr 1975 bis + 1.139.000 im Jahr 2015.
Die Annahme W3 "hoher Wanderungssaldo" markiert die Obergrenze der angenommenen künftigen Wanderungsentwicklung. Der Wanderungssaldo sinkt dabei langsamer als in den Annahmen W1 und W2 und verharrt ab 2030 auf einem dauerhaft hohen Niveau von 300.000. Von 2019 bis 2060 würden damit per saldo insgesamt 13 Millionen Menschen und durchschnittlich 311.000 Personen je Jahr zuwandern. Dieser Wanderungssaldo setzt eine dauerhaft starke Zuwanderung aus dem nicht europäischen Ausland voraus. Die Annahme W3 beruht auf dem Referenzzeitraum von 1990 bis 2018 mit zwei außerordentlich starken Zuwanderungswellen.
Ergebnisse der 14. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung
Ende 2018 lebten in Deutschland rund 83 Millionen Menschen. Die Bevölkerung wächst derzeit dank eines positiven Saldos der Zuzüge nach und der Fortzüge aus Deutschland. Ohne die Nettozuwanderung würde die Bevölkerung seit Langem schrumpfen, da seit 1972 die Zahl der Gestorbenen die Zahl der Geborenen jedes Jahr übersteigt und somit die sogenannte natürliche Bevölkerungsbilanz negativ ist. Diese grundsätzliche Ursache des Bevölkerungsrückgangs wird sich auf lange Sicht noch stärker als in der Vergangenheit auswirken. Denn die geburtenstarken Jahrgänge rücken im Vorausberechnungszeitraum in das hohe Alter auf, in dem die Sterblichkeit natürlicherweise am höchsten ist. Dadurch wird die Zahl der Sterbefälle auf über 1 Million steigen und die Lücke zwischen den Geburten und Sterbefällen größer. Die Bevölkerungszahl insgesamt wird voraussichtlich noch bis 2024 steigen und spätestens ab 2040 sinken. Im Jahr 2060 wird sie dann zwischen 74 und 83 Millionen liegen.
Durch den aktuellen Altersaufbau sind ein Anstieg der Seniorenzahl und ein Rückgang der Bevölkerung im Erwerbs alter vorgezeichnet. Hier wird als Abgrenzung die Regelaltersgrenze für den Rentenbezug von 67 Jahren verwendet. Die Zahl der ab 67-Jährigen stieg bereits zwischen 1990 und 2018 um 54 % von 10 Millionen auf 16 Millionen Personen. Sie wird bis 2039 um weitere 5 Millionen bis 6 Millionen auf mindestens 21 Millionen Personen wachsen und anschließend bis 2060 relativ stabil bleiben.
Die Zahl der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (hier: zwischen 20 und 66 Jahren) lag im Jahr 2018 bei 52 Millionen Personen. Bis zum Jahr 2035 wird sie auf 46 Millionen bis 47 Millionen Personen sinken und damit um rund 4 Millionen bis 6 Millionen Personen niedriger sein. Bis zum Jahr 2060 ist je nach angenommener Entwicklung zum Wanderungs geschehen eine Stabilisierung der Bevölkerungszahl im erwerbsfähigen Alter oder auch ein weiterer Rückgang auf 40 Millionen Personen möglich. Die künftige Entwicklung der demografischen Einflussfaktoren wie Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Wanderungen kann diese Prozesse nur sehr begrenzt beeinflussen.
Die regionalen Unterschiede werden sich weiter verstärken. Bei einer moderaten Entwicklung von Geburtenhäufigkeit, Lebenserwartung und Nettozuwanderung wird die Bevölkerungszahl in den westdeutschen Flächenländern bis 2060 um 4 % und in den ostdeutschen Flächenländern um 18 % sinken. In den Stadt staaten wird sie dagegen um 10 % wachsen.
Im Vergleich zu den früheren Projektionen zeigt die 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung – trotz einer veränderten Ausgangsbasis und einer größeren Spannbreite der getroffenen Annahmen – kein völlig anderes Bild der demografischen Zukunft Deutschlands. Sie startet mit einer Bevölkerung, in der die jüngeren Jahrgänge durch die Nettozuwanderung und höhere Geburten zahlen der letzten Jahre gestärkt sind. Zugleich ist die Babyboom-Generation der 1950er- und 1960er-Jahre im höheren Erwerbsalter angekommen. Die Zahl der Menschen im Seniorenalter ist bereits deutlich gestiegen. Die künftigen Veränderungen fallen deshalb weniger drastisch aus als bei den früheren Berechnungen. Trotzdem zeigt die 14. koordinierte Bevölkerungsvorausberechnung, dass auch eine steigende Geburtenhäufigkeit und eine dauerhaft hohe Nettozuwanderung die Alterung lediglich abbremsen, aber nicht verhindern können.