Eine von mehreren Ursachen dafür, dass Normalarbeitsverhältnisse nur für Männer, aber nicht für Frauen die Normalität sind, sind traditionelle Geschlechterrollen. Sie schreiben den Männern die Rolle des Hauptverdieners und den Frauen die Verantwortung für die Kinder zu. Diese Zuschreibung geschlechtsspezifischer Verantwortungsbereiche (Erwerb oder Kinder) könnte mit prekären Erwerbsverläufen in Zusammenhang stehen.
Abbildung 3 zeigt den Zusammenhang zwischen dauerhaft prekärer Beschäftigung und dem Betreuungsumfang von Kleinkindern in Betreuungseinrichtungen. Für beide Landesteile zeigt sich, dass die Prekarität der Arbeitsverhältnisse mit dem Umfang der Kinderbetreuung zusammenhängt. Eltern mit Kleinkindern in Teilzeitbetreuung waren häufiger dauerhaft prekär beschäftigt als Eltern mit Kindern, die Vollzeit betreut wurden. Dieser Zusammenhang war für Mütter stärker als für Väter. Väter mit kleinen Kindern in Teilzeitbetreuung waren 5 Prozentpunkte häufiger dauerhaft prekär beschäftigt als Väter mit Vollzeit betreuten Kleinkindern. Bei den Müttern lag die Differenz in den alten Bundesländern bei 12 Prozentpunkten und in den neuen Bundesländern sogar bei 23 Prozentpunkten.
Väter und Mütter in den alten Bundesländern waren zu gleichen Anteilen nie prekär beschäftigt (72 %), wenn sich ihre Kinder in Vollzeitbetreuung befanden, bei Vätern in Ostdeutschland lag der Wert sogar noch etwas höher (79 %). Mütter in Ostdeutschland hingegen waren nur zu 49 % nie prekär beschäftigt, wenn ihre Kinder eine Vollzeitbetreuung besuchten. Der Anteil, der dauerhaft prekär beschäftigt war, war mit 8 % jedoch ebenfalls sehr gering. Der Anteil dauerhaft prekärer Beschäftigung unterschied sich insgesamt kaum nach Geschlecht und Region, wenn sich die Kleinkinder der Eltern in Vollzeitbetreuung befanden. Hingegen war fast jede dritte Mutter in den neuen Bundesländern dauerhaft prekär beschäftigt (31 %), wenn sich ihre Kinder in Teilzeitbetreuung befanden. In den alten Bundesländern war mehr als jede fünfte Mutter dauerhaft prekär beschäftigt (22 %), wenn die Kleinkinder sich in Teilzeitbetreuung befanden.
Die Ergebnisse scheinen darauf hinzuweisen, dass ein Zusammenhang zwischen dem zeitlichen Umfang der externen Kinderbetreuung und dauerhaft prekärer Beschäftigung der Eltern existiert. Mit der vorgestellten Analyse kann jedoch keine Aussage über die kausale Richtung getätigt werden. Sollte jedoch die fehlende Ganztagsbetreuungsinfrastruktur dafür verantwortlich sein, dass Eltern häufiger dauerhaft prekär beschäftigt sind, dann wäre das insbesondere in den alten Bundesländern problematisch. Denn in den alten Bundesländern ist eine Vollzeitbetreuung von Kindern unter sechs Jahren nach wie vor die Ausnahme und nicht die Regel: Ganztagsbetreuungsquoten lagen im Jahr 2019 bei 14 % für die unter 3-Jährigen und bei 41 % für die 3- bis unter 6-Jährigen. Zum Vergleich: In den neuen Bundesländern befanden sich im gleichen Jahr 41 % der unter 3-Jährigen in Ganztagsbetreuung und 75 % der 3- bis unter 6-Jährigen (siehe Interner Link: Abschnitt 2.2.1, Tab 1). Das spiegelt sich auch in dem Analysesample wider, auf dem die Abbildung 3 basiert: Zum Beispiel fiel mehr als jede fünfte erwerbstätige Mutter aus den alten Bundesländern mit einem Kind unter sechs Jahren in die Kategorie "Kind(er) in Vollzeitbetreuung" (22 %). In den neuen Bundesländern traf dies dagegen auf fast zwei Drittel der erwerbstätigen Mütter mit Kindern unter sechs Jahren zu (61 %).