Häufig wird zwischen Mindest- und Niedriglohn unterschieden. Der Mindestlohn ist eine gesetzlich festgelegte Lohnuntergrenze. Die Niedriglohnschwelle wird hingegen relativ zu anderen Löhnen definiert, in der Regel als zwei Drittel des Medianlohns (siehe Interner Link: Abschnitt 5.2.2, Info 2). Der Medianlohn ist dabei der Lohn, der sich genau in der Mitte der betrachteten und nach Größe sortierten Löhne befindet, weshalb er häufig auch als mittlerer Lohn bezeichnet wird – eine Hälfte der Beschäftigten verdient weniger, die andere Hälfte mehr als den Medianlohn. Die Niedriglohnschwelle für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lag im Jahr 2018 laut Verdienststrukturerhebung (VSE) bei 11,05 Euro brutto pro Stunde.
Geringe Stundenlöhne sind überdurchschnittlich häufig in Ostdeutschland, bei Frauen, bei geringfügig Beschäftigten ("Minijobs"), un- oder angelernten Beschäftigten, bei Neben- und Saisonbeschäftigten sowie bei Beschäftigten in kleineren sowie nicht tarifgebundenen Unternehmen verbreitet. Insgesamt knapp 2,5 Millionen und somit knapp 7 % aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in der Gesamtwirtschaft verdienten im Jahr 2018 Bruttostundenlöhne im Bereich von 8,75 bis 9,24 Euro, was in etwa dem Mindestlohnbereich entspricht; 8,04 Millionen beziehungsweise 21,4 % erhielten Löhne im Niedriglohnbereich ((siehe Interner Link: Abschnitt 5.2.2). Mit der Mindestlohneinführung einhergegangene Verdienstanstiege haben im Bereich niedriger Löhne zu einer Verschiebung der Lohnverteilung hin zu höheren Stundenlöhnen geführt. Jedes Mal, wenn der gesetzliche Mindestlohn erhöht wird, steigen auch die Stundenlöhne derjenigen, die zuvor unter der neuen Grenze verdient haben. Dadurch ist es vor allem unmittelbar nach der Einführung zu einer starken Ballung im Mindestlohnbereich gekommen. Im Jahr 2016 erhielten rund 2,5 Millionen Beschäftigte einen Stundenlohn im Bereich von 8,25 bis 8,74 Euro – und damit ähnlich viele wie im Jahr 2018 im Lohnintervall von 8,75 Euro bis 9,24 Euro pro Stunde.
In einigen Branchen werden niedrige Löhne besonders häufig bezahlt. Zu den Branchen, in denen im Jahr 2018 besonders viele Beschäftigte auf Mindestlohnniveau bezahlt wurden, zählen das Taxigewerbe, Post- und Kurierdienste, die Gastronomie und andere Dienstleistungsbereiche. Nicht enthalten sind in dieser Aufzählung Beschäftigte in privaten Haushalten, weil über diese nur wenige und kaum verlässliche Informationen vorliegen. Unstrittig ist, dass Beschäftigte in privaten Haushalten besonders häufig niedrig entlohnt werden.
Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns hat zu deutlichen Steigerungen des Stundenlohns am unteren Rand der Lohnverteilung geführt. Vergleicht man den durchschnittlichen Stundenlohn von Beschäftigten, die vor der Einführung des Mindestlohns weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienten, mit dem durchschnittlichen Lohn von Beschäftigten, die im Jahr 2016 im Mindestlohnbereich verdienten, ergibt sich ein Zuwachs der Stundenlöhne um 14 %, während der mittlere Anstieg der Stundenlöhne in der Gesamtwirtschaft bei 3 % lag. Für den Zeitraum zwischen den Jahren 2016 und 2018 sind die Löhne im Mindestlohnbereich um 7 % und in der Gesamtwirtschaft um 8 % gestiegen. Für den Gesamtzeitraum 2014 bis 2018 liegt der Anstieg bei 22 beziehungsweise 11 %. Der überdurchschnittliche Anstieg war in erster Linie nach der Mindestlohneinführung im Vergleich der Jahre 2014 und 2016 und dort insbesondere in Ostdeutschland zu beobachten. Für die Folgejahre ab 2016 lagen die Zuwächse in etwa in der Größenordnung der allgemeinen Lohnentwicklung. Darin spiegelt sich die Anpassung des Mindestlohns an die Tarifentwicklung und damit in etwa an die allgemeine Verdienstentwicklung wider. Für die Teilzeiträume 2014 bis 2016 und 2016 bis 2018 sollten die konkreten Zahlen aufgrund methodischer Besonderheiten nicht überinterpretiert werden.
Die Erhöhung der Stundenlöhne im unteren Lohnbereich muss nicht zu einer ähnlich starken Erhöhung der Monatslöhne führen. Der Monatslohn ergibt sich durch die Multiplikation von Stundenlohn und bezahlter Arbeitszeit. Somit kann der Monatslohn gleich bleiben, wenn der Stundenlohn zwar steigt, aber die Arbeitszeit im gleichen Verhältnis sinkt. Vergleicht man die Bruttomonatslöhne von Beschäftigten, die vor Einführung des Mindestlohns weniger als 8,50 Euro pro Stunde verdienten, mit den Bruttomonatslöhnen von Beschäftigten, die im Jahr 2018 weniger als 8,89 Euro pro Stunde verdienten, ergibt sich ein Anstieg um insgesamt rund 11 %. Die Bruttomonatslöhne sind damit nur rund halb so stark gestiegen wie die Stundenlöhne mit rund 22 %.
Allerdings gibt es große Unterschiede zwischen den Beschäftigungsformen. Für Voll- und Teilzeitbeschäftigte lag der Anstieg der Monatslöhne nahe an der Entwicklung der Stundenlöhne. Vor allem bei den Beschäftigten mit Minijob fallen die Anstiege von Stunden- und Monatslohn deutlich auseinander. Mit einer Steigerung von rund 41 % in Ostdeutschland stiegen die Stundenlöhne im Mindestlohnbereich zwischen 2014 und 2018 mehr als doppelt so stark an wie die Monatslöhne, die um rund 19 % zunahmen. Das hat damit zu tun, dass es bei Minijobs eine Verdienstgrenze in Höhe von 450 Euro pro Monat gibt. Wenn man diese nicht überschreiten möchte, hat eine Erhöhung des Stundenlohns eine Reduzierung der Arbeitszeit zur Folge. Allerdings sind gerade bei der Mindestlohneinführung viele Minijobs in Vollzeit- oder Teilzeitjobs umgewandelt worden. Dennoch ist niedrige Entlohnung am und unterhalb des Mindestlohns vor allem bei geringfügiger Beschäftigung weit verbreitet.
Unklar ist noch, inwiefern es durch den Mindestlohn auch bei Beschäftigten, die schon davor höhere Löhne verdient haben, zu einem Lohnanstieg gekommen ist. Man spricht hier von "Spillover"- oder "Kaminzug"-Effekten. Einige Studien haben solche Effekte beobachtet, andere nicht. Das Gleiche gilt für die Veränderung des Niedriglohnsektors, also der Anzahl der Beschäftigten, die Stundenlöhne unterhalb der Niedriglohngrenze verdienen. Auch hier gehen die Studienergebnisse auseinander.