Die Zahl der Erwerbstätigen sagt zwar etwas darüber aus, wie viele Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt gearbeitet haben, aber noch nichts über den Umfang und die Stabilität der Erwerbstätigkeit. Der deutsche Arbeitsmarkt ist in den vergangenen 25 Jahren heterogener geworden. Arbeitsverträge werden in geringerem Umfang auf Basis von Flächentarifverträgen geregelt. Teilzeitbeschäftigung und geringfügige Beschäftigung (Minijobs) haben zugenommen. Erwerbsformen, die Unternehmen mehr Flexibilität geben, wie befristete Beschäftigung oder Leiharbeit, haben an Bedeutung gewonnen. Sie bringen für die so Tätigen andere Beschäftigungsbedingungen mit sich als ein Normalarbeitsverhältnis. Die klassische Vorstellung von einer Arbeitsstelle ist eine unbefristete abhängige Beschäftigung. Sie geht von einer Vollzeittätigkeit aus, bei der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer unmittelbar bei oder direkt im Auftrag für einen Arbeitgeber arbeiten, und davon, dass ein Arbeitsvertrag zwischen beiden Parteien geschlossen wurde. In der Realität ist das auch nach wie vor der am häufigsten anzutreffende Fall. Dieses sogenannte Normalarbeitsverhältnis erhält seine Bedeutung durch seine ungebrochene Dominanz auf dem Arbeitsmarkt und der damit verbundenen Ausrichtung der Sozialsysteme auf diesen "Normalfall". Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass Beschäftigungsformen, die der Sammelbegriff "atypische Beschäftigung" zusammenfasst, an Bedeutung gewonnen haben. Sie prägen immer stärker das Arbeitsleben vieler Erwerbstätiger.
Info 4Erwerbsformen
Um ein besseres Verständnis für die Rahmenbedingungen zu erlangen, unter denen die Menschen erwerbstätig sind, berichtet das Statistische Bundesamt zusätzlich über die Erwerbsformen, in denen sie arbeiten – also ob Erwerbstätige selbstständig sind, sich in einem Normalarbeitsverhältnis befinden oder in einer Form der atypischen Beschäftigung. Zu den atypisch Beschäftigten zählen befristet Beschäftigte, Teilzeitbeschäftigte mit bis zu 20 Wochenstunden, geringfügig Beschäftigte (unter anderem sogenannte 450-Euro-Jobs, Minijobs) sowie Personen in Leiharbeit (Zeitarbeit). Ein Normalarbeitsverhältnis ist ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis, das in Vollzeit beziehungsweise Teilzeit mit über 20 Wochenstunden und unbefristet ausgeübt wird. Der oder die Beschäftigte arbeitet hierbei zudem direkt für das Unternehmen, mit dem er oder sie einen Arbeitsvertrag hat. Die statistische Betrachtung und die entsprechenden Ergebnisse beziehen sich auf Kernerwerbstätige, das heißt auf Personen im Alter von 15 bis 64 Jahren, soweit diese nicht in Bildung oder Ausbildung sind. Studierende, die neben dem Studium arbeiten, oder Menschen im Ruhestand zählen daher nicht hinzu. Diese Gruppe der Kernerwerbstätigen befindet sich in einem Lebensabschnitt, in dem Erwerbsarbeit in deutlich stärkerem Maße als Schwerpunkt der Lebensgestaltung gesehen wird als beispielsweise während der Ausbildung oder im Ruhestand. Sie gilt daher, vor allem im Rahmen der Berichterstattung zur atypischen Beschäftigung, als Bezugsgröße für die Berechnung von Quoten.
Selbstständige Tätigkeiten werden nicht arbeitsvertraglich geregelt und bringen allein dadurch vielfältigere Arbeitsbedingungen mit sich. Einkommen, Arbeitsumfang und ob eine Geschäftsbasis längerfristig die Existenz sichern kann, variieren stark. Aus diesem Grund wird Selbstständigkeit gesondert von Normal- und atypischer Beschäftigung betrachtet.
Von den 37,7 Millionen Erwerbstätigen im Alter von 15 bis 64 Jahren, die sich nicht in Bildung oder Ausbildung befanden (sogenannte Kernerwerbstätige, siehe Info 4), waren 2019 rund 26,8 Millionen Personen normalerwerbstätig und 7,3 Millionen atypisch beschäftigt. Damit befand sich knapp jede / jeder fünfte Erwerbstätige (19 %) in einem atypischen Beschäftigungsverhältnis, das mindestens eines der folgenden Merkmale aufwies: eine Befristung (2,3 Millionen Personen), eine Teilzeitbeschäftigung mit maximal 20 Wochenstunden (4,7 Millionen Personen), geringfügige Beschäftigung (2,0 Millionen Personen) oder Zeit- beziehungsweise Leiharbeit (0,9 Millionen Personen).
Die Verschiebung der Anteile zwischen Normalbeschäftigung und atypischer Beschäftigung zeichnete sich bereits 1994 ab. Damals lag der Anteil atypisch Beschäftigter bei 14 %. Er stieg kontinuierlich an und lag zwischen 2006 und 2010 in etwa auf dem gleichen Niveau von rund 22 %. Seit 2011 ist eine leichte, aber kontinuierlich rückläufige Tendenz zu verzeichnen.
Personen mit einer geringeren beruflichen Qualifikation sind deutlich häufiger atypisch beschäftigt. Im Jahr 2019 waren 35 % der Erwerbstätigen ohne eine anerkannte Berufsausbildung atypisch beschäftigt; damit lag der Anteil deutlich über dem aller Erwerbstätigen (19 %). Erwerbstätige mit einem (Fach-)Hochschulabschluss waren nur zu 14 % atypisch beschäftigt. Während hoch qualifizierte Erwerbstätige dabei am häufigsten wegen einer Befristung oder Teilzeit bis 20 Wochenstunden atypisch beschäftigt waren, waren bei Geringqualifizierten alle Formen atypischer Beschäftigung häufiger vertreten als im Gesamtdurchschnitt. Am häufigsten arbeiteten Geringqualifizierte in einer Teilzeitbeschäftigung bis 20 Wochenstunden (22 %) oder in geringfügiger Beschäftigung (14 %).
Im Jahr 2019 waren von den Kernerwerbstätigen 3,4 Millionen selbstständig. Rund 1,6 Millionen von ihnen führten ein Unternehmen mit mindestens einem oder einer weiteren Beschäftigten und 1,8 Millionen waren als sogenannte Solo-Selbstständige ohne Beschäftigte unternehmerisch tätig. Damit waren von den Kernerwerbstätigen rund 4,3 % Selbstständige mit Beschäftigten und 4,8 % solo-selbstständig.
In den zurückliegenden knapp 30 Jahren stagnierte der Anteil der Selbstständigen mit Beschäftigten weitgehend. Zwischen 1993 und 2007 lag er etwas über 5 % und sank dann bis auf 4,3 % im Jahr 2019. Der Anteil der Solo-Selbstständigen ist bis 2005 kontinuierlich gestiegen und lag dann bis 2012 ohne größere Veränderungen über 6 %. Seitdem ist aber auch der Anteil der Solo-Selbstständigen tendenziell rückläufig und lag 2019 bei 4,8 %. Anfang der 1990er-Jahre hatte es noch mehr Selbstständige mit Beschäftigten als ohne gegeben; inzwischen hat sich dies umgekehrt. Bis 2005 war zudem abhängige Beschäftigung leicht zurückgegangen, während die Selbstständigkeit zunahm. Auch die von den Arbeitsagenturen geförderten Selbstständigkeiten (Existenzgründungszuschüsse, "Ich-AG", Einstiegsgelder) trugen zu dieser Entwicklung bei. Dieser Trend hat sich ebenfalls abgeflacht und in den vergangenen Jahren sogar umgekehrt. Ein Hinweis auf eine nachhaltige Verdrängung von abhängiger Beschäftigung durch Selbstständigkeit lässt sich nicht ausmachen.