Heute vor 35 Jahren: Generalstreik in der ČSSR bringt Wendepunkt der Samtenen Revolution
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am 27. November 1989 schrieben Millionen Menschen in der Tschechoslowakei gemeinsam Geschichte: Sie legten an diesem Tag für zwei Stunden die Arbeit nieder, um für Demokratie und Freiheit zu demonstrieren. Dieser Generalstreik gilt als Wendepunkt der sogenannten Samtenen Revolution, die den Übergang von einem autoritären Einparteienregime zu einem demokratischen Staat einleitete.
In der Tschechoslowakischen Republik, auf dem Gebiet der heutigen Tschechischen und Slowakischen Republiken, etablierte sich 1948 eine kommunistische Diktatur. Ab 1960 hieß sie Tschechoslowakische Sozialistische Republik, kurz ČSSR. Die ČSSR war Mitglied im Warschauer Pakt, dem Verteidigungsbündnis der sozialistischen Staaten in Europa. Die alleinige Macht konzentrierte sich auf die Kommunistische Partei, die Geheimpolizei „StB“ überwachte die Bevölkerung und unterdrückte jegliche oppositionelle Bewegung.
Dennoch formierte sich Widerstand: 1976 entstand die Bürgerrechtsbewegung Charta 77, der unter anderem der spätere Präsident der Tschechischen Republik Václav Havel angehörte. Die Unterstützerinnen und Unterstützer der Charta 77 forderten schriftlich die Einhaltung der Bürger- und Menschenrechte, zu denen sich die ČSSR in internationalen Verträgen bekannt hatte.
Im August 1988 begannen öffentliche Proteste gegen das Regime. Im November 1989 spitzte sich die Lage zu: Am 17. November ging die Polizei gewaltsam gegen friedlich demonstrierende Studierende in Prag vor. Die Empörung darüber mobilisierte breite Teile der Gesellschaft. Zwei Tage später gründete sich das Bürgerforum, das ähnlich wie das „Neue Forum“ in der DDR die Oppositionsbewegung koordinieren sollte. Mit dem Aufruf zum landesweiten Generalstreik am 27. November erreichte die Samtene Revolution ihren Höhepunkt. Schätzungen zufolge beteiligten sich bis zu 80 Prozent der Bevölkerung.
Die Auswirkungen waren enorm. Schon am Vortag des Ausstands und auch danach verhandelten Vertreterinnen und Vertreter des Bürgerforums mit dem damaligen Ministerpräsidenten der Tschechoslowakei Ladislav Adamec. Bereits im Dezember wurde eine neue Regierung unter Beteiligung der Opposition gebildet. Im Juni 1990 fanden erstmals freie Wahlen statt. Der 1. Januar 1993 markiert das Ende der ČSSR. Aus ihr entstanden die Tschechische Republik und die Slowakische Republik als zwei unabhängige Staaten.