75 Jahre Grundgesetz
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Bonn, 1. September 1948: Im Lichthof des Museums Koenig versammelten sich die Mitglieder des Parlamentarischen Rats mit Vertreterinnen und Vertretern der Westalliierten, der Länder und weiteren Gästen zur Feierstunde. Der Parlamentarische Rat bestand aus 65 Abgeordneten, darunter 4 Frauen. Sie waren zuvor von den Landtagen der westlichen Besatzungszonen gewählt worden. Häufig werden sie auch „Mütter und Väter des Grundgesetzes“ genannt. Mit der Feierstunde begann die Arbeit an einer neuen Verfassung.
Noch unter dem Eindruck des Zweiten Weltkriegs, der nationalsozialistischen Diktatur und ihrer Gräueltaten ging es um eine neue politische Struktur für Westdeutschland: Demokratisch sollte sie sein, Grundrechte garantieren und den Rechtsstaat in einem föderalen Staatsaufbau verankern. Der Kalte Krieg zwischen Ost und West verhinderte damals eine gemeinsame Deutschlandpolitik. Deswegen war das westdeutsche Grundgesetz als provisorische Verfassung angelegt – in der Hoffnung auf eine Wiedervereinigung. Mit seiner Verkündung am 23. Mai 1949 wurde die Bundesrepublik Deutschland gegründet.
Das Grundgesetz blieb in all den Jahren nicht unangetastet, insgesamt 67 Änderungen gab es seit seinem Inkrafttreten. Hieß es beispielsweise ursprünglich in Artikel 16 schlicht „Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“, so wird dieses Recht seit 1992 in Artikel 16a durch „sichere Herkunftsstaaten“ und die „Drittstaatenregelung“ enger definiert. Eine große Frage stellte sich angesichts der Wiedervereinigung: Vorgesehen war, dass das Grundgesetz dann einer gemeinsamen neuen Verfassung weicht. Doch formal trat die DDR der Bundesrepublik bei und aus dem Provisorium wurde eine gesamtdeutsche Dauerlösung. Mehrere Anläufe in Richtung einer neuen Verfassung scheiterten. Einigen gilt dies als verpasste Chance. Auch aktuell wird teils heiß diskutiert: Sollen Kinderrechte explizit ins Grundgesetz aufgenommen werden? Wie gehen wir mit dem Begriff „Rasse“ um, der dort immer noch steht? Soll es Regeln zur Organisation des Bundesverfassungsgerichts festschreiben, um dieses vor politischer Instrumentalisierung zu schützen?
Das Grundgesetz erfüllt de facto alle Funktionen einer Verfassung und wird auch ihren rechtlichen Anforderungen gerecht. Das spiegelt sich in seiner Anerkennung: Zwar sehen viele Menschen unsere Demokratie durch extreme politische Kräfte bedroht. Aber laut einer aktuellen Umfrage halten 77 Prozent der Deutschen das Grundgesetz für eine gute oder sogar sehr gute Verfassung.
Seit 75 bzw. in Ostdeutschland knapp 34 Jahren sorgt das Grundgesetz für Frieden, Freiheit und Demokratie. Wir gratulieren herzlich zum Geburtstag!