Unter dem Begriff werden je nach Perspektive ziemlich unterschiedliche Dinge verstanden. Juristen meinen regelmäßig die positiven Interner Link: Gesetze, also das geschriebene R. Im Alltag meint man meist etwas Anderes, wenn man sagt: »Das ist mein R.« Oder: »Das hat er zu R. getan.« Man hofft dann, dass die Gesetze die eigene Beurteilung teilen, geht aber auch, wenn dies nicht der Fall ist, davon aus, dass die eigene Bewertung einer Handlung als »gerecht und richtig« korrekt ist. Im R. steckt hier also die Gerechtigkeit. Weil das R., und mit ihm das positive Gesetz, auf Gerechtigkeit bezogen ist, genießt das Gesetz hohes Ansehen, selbst wenn es ungerecht ist. Oder anders: Die Konnexität von Gesetz und Gerechtigkeit in der Alltagspraxis, v. a. vor Interner Link: Gericht, ist eine Quelle für die faktische Interner Link: Legitimität des R. Im Fachdiskurs wird die Frage nach der Beziehung von Recht zur Gerechtigkeit vom Interner Link: Naturrecht und vom Interner Link: Rechtspositivismus unterschiedlich beantwortet. In modernen Gesellschaften wird zudem deutlich zwischen R. und Sitte unterschieden. Recht ist regelmäßig geschriebenes R., seltener Interner Link: Gewohnheitsrecht, und wird von staatlichen Instanzen durchgesetzt und sanktioniert (Interner Link: Rechtsdurchsetzung). Sitte bezeichnet dagegen eine gesellschaftliche verbreitete Verhaltensnorm, die – weil die Sitten sich unterscheiden – meist nur von einer Teilgesellschaft z. B. durch Abbruch des Kontakts sanktioniert wird. Ursprünglich wurde jedoch das, was verbindliches R. war, aus den Sitten und dem Gewohnheitsrecht abgeleitet. Es gab keine solche Differenzierung wie heute. Etwa in den ersten Rechtsbüchern des ausgehenden Mittelalters wurde festgehalten, was üblich war, wie verfahren wurde. Moral hingegen bezeichnet die internen Handlungsmaximen einer Person, die – soweit die Gerechtigkeit betroffen ist – Maßstab des R. werden können. Die Funktionen von R. werden unterschiedlich beurteilt. Die einen betonen vor allem die ausgleichende, friedenstiftende und gewaltbeschränkende Funktion (Verbot der Interner Link: Selbsthilfe). Andere meinen, dass R. primär Herrschaft etabliert und stabilisiert, dass R. letztlich immer auf Gewaltverhältnissen beruht, diese perpetuiert und legitimiert. Die Wirklichkeit ist komplex, sodass R. sowohl die eine wie die andere Funktion gleichzeitig erfüllen kann. Hinzu kommt die verhaltenssteuernde Funktion des R. (siehe Interner Link: Rechtsnorm und Interner Link: Rechtspflicht) (➠ Abb. »Hierarchie des deutschen Rechts«).
Quelle: Das Rechtslexikon. Begriffe, Grundlagen, Zusammenhänge. Lennart Alexy / Andreas Fisahn / Susanne Hähnchen / Tobias Mushoff / Uwe Trepte. Verlag J.H.W. Dietz Nachf. , Bonn, 2. Auflage, 2023. Lizenzausgabe: Bundeszentrale für politische Bildung.
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