Nicht nur in der Rechtswissenschaft geltende Lehre von der Interpretation von Texten (Interner Link: Auslegung). Die H. geht davon aus, dass Texte keinen objektiven, ein für alle Mal feststehenden Inhalt haben, sondern vom Leser vor dem Hintergrund seiner Zeit, seiner Erfahrung und Einstellung gelesen und interpretiert werden. Dabei kann es zu einem Zirkelschluss kommen: Der Leser versteht den Text so, dass er in sein übriges Verständnis der Welt passt. Juristen arbeiten aber nicht nur mit Texten, sondern auch mit Lebenssachverhalten, die zum Text in Beziehung gesetzt werden müssen (Interner Link: Subsumtion). Die Lebenssachverhalte werden ähnlich rezipiert wie Texte, also vor dem Hintergrund des eigenen Weltbildes. Juristen interpretieren die Lebenssachverhalte darüber hinaus auch noch mit Blick auf die Interner Link: Rechtsnorm, also unter der Frage: »Passt der Sachverhalt zur Norm oder nicht?« Und umgekehrt: »Passt die Norm zum Sachverhalt?« Der Tübinger Rechtswissenschaftler Josef Esser hat in diesem Zusammenhang vom Vorverständnis des Juristen gesprochen.
Quelle: Das Rechtslexikon. Begriffe, Grundlagen, Zusammenhänge. Lennart Alexy / Andreas Fisahn / Susanne Hähnchen / Tobias Mushoff / Uwe Trepte. Verlag J.H.W. Dietz Nachf. , Bonn, 2. Auflage, 2023. Lizenzausgabe: Bundeszentrale für politische Bildung.
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