Verträge und Mitgliedstaaten
Der Ursprung der Europäischen Union wurde in den 1950er-Jahren mit den 3 Europäischen Gemeinschaften gelegt. Die älteste von ihnen war die 1951 vertraglich gegründete, am 23.07.1952 in Kraft getretene Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS; auch Montanunion). Diese 1. supranationale Organisation überhaupt diente der gemeinsamen Kontrolle der Kohle- und Stahlproduktion ihrer Mitgliedstaaten - Belgien, die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und die Niederlande - ohne Zoll. In den Römischen Verträgen gründeten mit Wirkung zum 01.01.1958 die 6 EGKS-Staaten 2 weitere Organisationen: die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mit der Idee der Schaffung eines gemeinsamen Markts und die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) zur gemeinsamen Förderung und Entwicklung der (friedlich genutzten) Kernenergie. Die 3 Europäischen Gemeinschaften nutzten von Beginn an gemeinsame Organe (u. a. parlamentarische Versammlung; Gerichtshof); im EG-Fusionsvertrag (1965) wurden zum 01.07.1967 ihre übrigen Organe zusammengeführt.
Die beiden Gründungsverträge der EU sind der Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag) und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag). Der EU-Vertrag wurde am 07.02.1992 im niederländischen Maastricht unterzeichnet und daher zunächst als "Vertrag von Maastricht" bezeichnet (in Kraft seit 01.11.1993). Verändert und weiterentwickelt wurde der EU-Vertrag in den Verträgen von Amsterdam (in Kraft seit 01.05.1999), von Nizza (01.02.2003) und von Lissabon (01.12.2009). Der AEU-Vertrag wurde als "Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft" (EWG-Vertrag, einer der Römischen Verträge) am 25.03.1957 unterzeichnet (in Kraft seit 01.01.1958); er wurde in der Folgezeit mehrmals geändert und dabei 2-mal umbenannt: mit dem Vertrag von Maastricht in "Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft" (EG-Vertrag); mit dem Vertrag von Lissabon erhielt er seinen heutigen Namen.
Die EWG wurde durch den Vertrag von Maastricht in Europäische Gemeinschaft (EG) umbenannt und die EU als Dachorganisation eingeführt; im Vertrag von Lissabon ging die EG in der EU auf. Während die EGKS nach Ende der 50-jährigen Vertragsdauer 2002 auslief, ist EURATOM bis heute eine eigenständige Organisation, die sich mit der EU sämtliche Organe teilt.
Als Besitzstand der EU (auch gemeinschaftlicher Besitzstand; frz.: acquis communautaire) wird die Gesamtheit aller Rechtsakte bezeichnet, die für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich sind. Staaten, die der EU beitreten wollen, müssen den Besitzstand in seiner Gesamtheit übernehmen - wobei in den Beitrittsverhandlungen Übergangs- und Ausnahmeregeln vereinbart werden können. Zum Besitzstand der EU zählen u. a.: die Gründungsverträge der EU (Primärrecht); die von den Organen der EU (bzw. ihrer Vorgängerorganisationen) erlassenen Rechtsvorschriften (Sekundärrecht); die Rechtsprechung des EuGH; Rechtsakte der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres; die von der EU (bzw. deren Vorgängerorganisationen) mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen geschlossenen Verträge und Abkommen.
Die Rechtsvorschriften der EU-Organe gliedern sich nach Art. 288 AEU-Vertrag in Verordnungen (gelten allgemein, unmittelbar und verbindlich in jedem Mitgliedstaat), Richtlinien (Zielvorgaben, die von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen), Beschlüsse (für die Adressaten in allen Teilen verbindlich; häufig Einzelfallentscheidungen, Ernennungen bzw. im Rahmen der GASP oder beim Abschluss internationaler Verträge) sowie Empfehlungen und Stellungnahmen (nicht verbindlich).
Mitgliedstaaten
Die 1. Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften fand 1973 durch den Beitritt von Dänemark, Irland und dem Vereinigten Königreich statt. Es folgten 6 zusätzliche Erweiterungen; die bislang letzte am 01.07.2013 ließ durch den Beitritt Kroatiens die EU auf zeitweise 28 Mitgliedstaaten anwachsen. Seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs am 31.01.2020 hat die EU 27 Mitgliedstaaten mit insgesamt rd. 449 Mio. Einwohnern: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, die Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern (de facto nur der Südteil).
Amtssprachen
Die ersten Amtssprachen der Europäischen Gemeinschaften waren Deutsch, Französisch, Italienisch und Niederländisch. Mit dem Beitritt neuer Staaten kamen jeweils Amtssprachen hinzu, zuletzt 2013 Kroatisch. Heute gibt es 24 Amtssprachen in der EU: Bulgarisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Irisch, Italienisch, Kroatisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch.
Beitrittskandidaten
Derzeit gibt es 9 Beitrittskandidaten: Albanien (seit 27.06.2014), Bosnien und Herzegowina (seit 15.12.2022), Georgien (seit 14.12.2023), Moldau (seit 23.06.2022), Montenegro (seit 17.12.2010), Nordmazedonien (seit 16.12.2005), Serbien (seit 01.03.2012), die Türkei (seit 10.12.1999) und die Ukraine (seit 23.06.2022). Als potenzieller Beitrittskandidat gilt Kosovo (Beitrittsantrag 15.12.2022) - dessen 2008 erklärte Unabhängigkeit allerdings von mehreren EU-Staaten nicht anerkannt wird. Bereits begonnen haben die Beitrittsverhandlungen mit Albanien (19.07.2022), Moldau (25.06.2024), Montenegro (29.06.2012), Nordmazedonien (19.07.2022), Serbien (21.01.2014), der Türkei (04.10.2005) und der Ukraine (25.06.2024). Ehemalige Beitrittskandidaten, die ihren Antrag zurückgezogen haben, sind Island (Antrag 2009, zurückgezogen 2015) und die Schweiz (1992-2016).
Am 14.12.2023 erkannte der Europäische Rat Georgien den Status eines Beitrittskandidaten zu und beschloss die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Moldau und der Ukraine; diese begannen am 25.06.2024.
Organe
Gemäß Art. 13 EU-Vertrag verfügt die Europäische Union über 7 Organe, an die die Mitgliedstaaten einen Teil ihrer Hoheitsrechte delegiert haben: Europäisches Parlament; Europäischer Rat; Rat der Europäischen Union; Europäische Kommission; Gerichtshof der Europäischen Union; Europäische Zentralbank; Rechnungshof. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Einrichtungen und Gremien, die die EU-Politik mitgestalten.
Europäisches Parlament
Abkürzung
EP
Gründung
1952 (als Parlamentarische Versammlung der EGKS); seit 1979 alle 5 Jahre in den Mitgliedstaaten direkt gewählt
Sitz
Straßburg (weitere Standorte: Brüssel, Luxemburg)
Mitarbeiter
6923
Vorsitz
Präsidentin Roberta Metsola (Malta, Fraktion EVP), seit 18.01.2022; 14 Vizepräsidenten und 5 Quästoren seit 18.01. bzw. 19.01.2022 (Wahl des Präsidiums jeweils für 2½ Jahre)
Aufbau
720 Abgeordnete aus den 27 EU-Mitgliedstaaten, wobei jeder Staat zwischen 6 und 96 Abgeordnete stellt. Im EP sind die Abgeordneten in Fraktionen zusammengeschlossen, dazu kommen fraktionslose Parlamentarier. Eine Fraktion muss aus mind. 23 Mitgliedern, die aus mind. 7 verschiedenen Mitgliedstaaten stammen, bestehen. In der Legislaturperiode 2019-24 setzte sich das EP nach dem Austritt Großbritanniens (31.01.2020) aus 705 Abgeordneten zusammen, die aus rd. 200 nationalen Parteien stammten und zu 7 Fraktionen zusammengeschlossen waren.
24 ständige Ausschüsse und Unterausschüsse: Auswärtige Angelegenheiten (Unterausschüsse: Menschenrechte; Sicherheit & Verteidigung); Entwicklung; Internationaler Handel; Haushalt; Haushaltskontrolle; Wirtschaft & Währung (Unterausschuss: Steuerfragen); Beschäftigung & soziale Angelegenheiten; Umweltfragen, öffentliche Gesundheit & Lebensmittelsicherheit (Unterausschuss: Öffentliche Gesundheit); Industrie, Forschung & Energie; Binnenmarkt & Verbraucherschutz; Verkehr & Tourismus; Regionale Entwicklung; Landwirtschaft & ländliche Entwicklung; Fischerei; Kultur & Bildung; Recht; Bürgerliche Freiheiten, Justiz & Inneres; Konstitutionelle Fragen; Rechte der Frauen & Gleichstellung der Geschlechter; Petitionen. Daneben kann das Parlament zeitlich begrenzte Sonder- und Untersuchungsausschüsse einrichten.
Delegationen: 48 Delegationen unterhalten und vertiefen die Beziehungen zu Parlamenten von Nicht-EU-Staaten sowie zu Regionen und Organisationen weltweit. Es gibt unterschiedliche Arten von Delegationen: Delegationen in Parlamentarischen Versammlungen (z. B. der NATO, der AKP-Staaten und der Union für den Mittelmeerraum); Gemischte Parlamentarische Ausschüsse (z. B. EU-Mexiko, EU-Türkei, EU-Ukraine, EU-Vereinigtes Königreich); Ausschüsse für parlamentarische Kooperation (z. B. EU-Russland); sonstige interparlamentarische Delegationen, die i. d. R. die Beziehungen zu einzelnen Ländern oder Ländergruppen pflegen. Die Delegationen setzen sich aus Mitgliedern des EP zusammen und bilden die dortigen Mehrheitsverhältnisse ab; jedes Parlamentsmitglied gehört mind. einer Delegation an.
Aufgaben
Das EP ist die einzige direkt gewählte EU-Institution und weltweit das einzige direkt gewählte supranationale Parlament. Es ist ein dem Rat gleichberechtigter Mitgesetzgeber, entscheidet gemeinsam mit diesem über den Haushalt der EU, wählt den Kommissionspräsidenten, billigt die Mitglieder der Kommission, kontrolliert die Arbeit von Kommission und Rat, verfügt dafür über Informations- und Fragerechte und kann Untersuchungsausschüsse einrichten sowie Klage beim EuGH erheben. Durch ein Misstrauensvotum mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen und Mehrheit der Abgeordneten kann das EP die Kommission zum Rücktritt zwingen.
Internet
Externer Link: www.europarl.europa.eu/portal/de
Europäischer Rat
Abkürzung
ER
Gründung: 1974 (offizielles EU-Organ seit 2009)
Sitz
Brüssel
Mitarbeiter
3029 (Generalsekretariat; zuständig für ER und Rat); Generalsekretärin Thérèse Blanchet (Frankreich) seit 01.11.2022 (5-jährige Amtszeit, Wiederwahl möglich)
Vorsitz
Präsident Charles Michel (Belgien), seit 01.12.2019 (2½-jährige Amtszeit, 1-malige Wiederwahl möglich)
Aufbau
Der ER ist das Gremium, in dem sich die Staats- bzw. Regierungschefs der EU-Staaten mind. 2-mal pro Halbjahr treffen (auch "EU-Gipfel" genannt); weitere Teilnehmer (ohne Stimmrecht) sind der Präsident des ER, die Präsidentin der EU-Kommission und - sofern außenpolitische Fragen diskutiert werden - der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik.
Aufgaben
Der ER legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten sowie die Außen- und Sicherheitspolitik der EU fest. Er besitzt keine gesetzgeberischen Befugnisse, kann aber in seinen Beschlüssen ("Schlussfolgerungen") Fristen für Gesetzesvorschläge setzen und so die politische Agenda der EU entscheidend mitbestimmen. Er wählt seinen Präsidenten, schlägt den Präsidenten der Europäischen Kommission vor (Wahl durch das EP) und ernennt den Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Mitglieder der Kommission (nach Wahl durch das EP); mit qualifizierter Mehrheit kann er die Amtszeit des Hohen Vertreters vorzeitig beenden. Ferner ernennt der ER alle 6 Direktoriumsmitglieder der EZB, einschließlich deren Präsident.
Internet
Externer Link: www.consilium.europa.eu/de/european-council
Der ER dient der Entscheidung und Kompromissfindung in strittigen und komplexen Fragen, in denen auf Ministerebene (im Rat der EU) keine Einigung erzielt werden konnte. Die Entscheidungen erfolgen zumeist im Konsens. Einstimmigkeit ist u. a. erforderlich bei Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, Gewährung neuer Bürgerrechte, EU-Mitgliedschaft, EU-Finanzen und Harmonisierung nationaler Rechtsvorschriften in den Bereichen indirekte Besteuerung sowie Justiz und Inneres. In einigen weiteren Bereichen sind Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit (55 % der Mitgliedstaaten, die zusammen mind. 65 % der EU-Bevölkerung ausmachen; auch "doppelte Mehrheit" genannt) erforderlich.
Rat der Europäischen Union
Abkürzung
Rat
Gründung
1952
Sitz
Brüssel (im April, Juni und Oktober Tagungen in Luxemburg)
Mitarbeiter
s. Europäischer Rat
Vorsitz
Der jeweilige Fachminister in einer festgelegten Reihenfolge der Mitgliedstaaten (halbjährlicher Wechsel); einzige Ausnahme ist der Rat für Auswärtige Angelegenheiten, dessen (nicht stimmberechtigter) Vorsitzender der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik ist; Ratsvorsitze Juli 2023-Juni 2025: Spanien (2. HJ 2023), Belgien (1. HJ 2024), Ungarn (2. HJ 2024), Polen (1. HJ 2025)
Aufbau
Jeder Mitgliedstaat ist im Rat durch einen Minister vertreten (daher informell auch "Ministerrat"), der befugt ist, für seine Regierung verbindlich zu handeln. Je nach Politikbereich tagt der Rat mit den Ministern der jeweiligen Ressorts in 10 verschiedenen Zusammensetzungen, den sog. Ratsformationen: Allgemeine Angelegenheiten; Auswärtige Angelegenheiten; Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit & Verbraucherschutz; Bildung, Jugend, Kultur & Sport; Justiz & Inneres; Landwirtschaft & Fischerei; Umwelt; Verkehr, Telekommunikation & Energie; Wettbewerbsfähigkeit; Wirtschaft & Finanzen. Die Entscheidungen im Rat erfolgen mit qualifizierter Mehrheit. Vorbereitet und koordiniert wird die Arbeit des Rats durch den Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV): Sowohl die Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten bei der EU als auch deren Stellvertreter treten jeweils wöchentlich zusammen, um die Treffen des Rats vorzubereiten. Die Arbeit des Rats wird vom Generalsekretariat unterstützt, das von einem vom Rat ernannten Generalsekretär geleitet wird. Die Wirtschaftspolitik der Staaten der Eurozone wird in der Euro-Gruppe koordiniert. Dieses 1997 gegründete informelle Gremium, bestehend aus einem Präsidenten (Paschal Donohoe, Irland, seit 09.07.2020) und den Fachministern der Euro-Staaten, tagt in der Regel 1-mal monatlich, am Vorabend der Sitzung des Rats für Wirtschaft und Finanzen.
Aufgaben
Der Rat ist gemeinsam mit dem EP Gesetzgeber und Haushaltsbehörde der EU. Er dient außerdem der Koordination der Interessen der EU-Mitgliedstaaten.
Internet
Externer Link: www.consilium.europa.eu/de/council-eu
Europäische Kommission
Gründung
1967
Sitz
Brüssel (Tagungen auch in Straßburg)
Mitarbeiter
23 377
Vorsitz
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (Deutschland), seit 01.12.2019
Aufbau
Die Kommission wird jeweils nach den Wahlen zum EP gebildet und amtiert für 5 Jahre. Sie hat 27 Mitglieder, eines aus jedem EU-Mitgliedstaat. Das Kollegium besteht aus der Präsidentin, 7 (8 bis August 2023) Vizepräsidenten - darunter 3 Exekutiv-Vizepräsidenten - und 19 (18) Kommissaren. Dem Kollegium gehört auch (im Rang eines Vizepräsidenten) der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik an. Die Entscheidungen der Kommission erfolgen mit Mehrheit der Mitglieder; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme der Präsidentin. Die Mitglieder der Kommission sind dem Wohl der EU verpflichtet, nicht dem ihrer Herkunftsländer.
Aufgaben
Die Europäische Kommission, auch EU-Kommission genannt, ist die Exekutive im politischen System der EU. Als einziges EU-Organ kann sie dem EP und dem Rat Gesetzesvorschläge zur Abstimmung vorlegen. Sie erstellt Haushaltspläne und überwacht deren Einhaltung (nach Annahme durch EP und Rat). Als "Hüterin der Verträge" wacht sie außerdem über die Einhaltung des EU-Rechts innerhalb der Mitgliedstaaten. Sie vertritt die EU in internationalen Organisationen und handelt im Namen der EU internationale Verträge aus.
Internet
Externer Link: https://ec.europa.eu/info/index_de
Gerichtshof der EU
Abkürzung
EuGH
Gründung
1952 (Europäischer Gerichtshof); 1988 (Gericht der Europäischen Union)
Sitz
Luxemburg
Mitarbeiter
2114
Vorsitz
Präsident des Europäischen Gerichtshofs Koen Lenaerts (Belgien), seit 08.10.2015; Vizepräsident Lars Bay Larsen (Dänemark), seit 08.10.2021; Präsident des Gerichts Marc van der Woude (Niederlande), Vizepräsident Savvas Papasavvas (Griechenland), jeweils seit 27.09.2019
Aufbau
Der EuGH besteht aus 2 Gerichten: Der Europäische Gerichtshof ist das höchste rechtsprechende Organ der EU. Das Gericht der Europäischen Union (früher "Gericht erster Instanz") ist dem Gerichtshof nachgeordnet. Gegen alle Entscheidungen des Gerichts können beim Gerichtshof Rechtsmittel eingelegt werden. Neben Gerichtshof und Gericht können gemäß Art. 19, Abs. 1 EU-Vertrag Fachgerichte eingerichtet werden. Das bislang einzige Fachgericht, das 2004 gegründete Gericht für den öffentlichen Dienst der EU (zuständig für dienstrechtliche Streitigkeiten zwischen der EU und ihren Bediensteten), wurde 2016 aufgelöst, seine noch laufenden Rechtssachen dem Gericht überstellt.
Der Gerichtshof besteht aus 27 Richtern (einem pro Mitgliedstaat), die für 6 Jahre ernannt werden (Wiederernennung zulässig), 11 Generalanwälten und einem Kanzler. Die Richter wählen aus ihrem Kreis einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten mit einer Amtszeit von 3 Jahren (Wiederwahl zulässig). Dem Gericht gehören 54 Richter (2 je EU-Mitgliedstaat) und ein Kanzler an. Von seiner Gründung 1952 bis zum 31.12.2023 hatte der EuGH insgesamt 284 Mitglieder.
Aufgaben
Der EuGH hat die Aufgabe, "die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung" der Verträge zu sichern. Er legt auf Ersuchen nationaler Gerichte das EU-Recht aus und überwacht die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen durch die Mitgliedstaaten. Er überprüft aufgrund von Nichtigkeits- bzw. Untätigkeitsklagen auch das Handeln von EU-Institutionen und kann EU-Rechtsakte annullieren, das Eingreifen der EU gewährleisten und (bei entstandenen Schäden aufgrund rechtswidriger Handlungen oder Unterlassungen) Strafmaßnahmen gegen EU-Institutionen beschließen.
Internet
Externer Link: https://curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de
Europäische Zentralbank
Abkürzung
EZB
Gründung
1998 (als Nachfolgerin des 1994 gegründeten Europäischen Währungsinstituts, EWI)
Sitz
Frankfurt am Main
Mitarbeiter
über 5000
Vorsitz
Präsidentin Christine Lagarde (Frankreich), seit 01.11.2019; Vizepräsident Luis de Guindos (Spanien), seit 01.06.2018
Aufbau
Beschlussorgane der EZB sind EZB-Rat und Erweiterter Rat, ausführende Organe das Direktorium und die nationalen Zentralbanken der Eurostaaten.
Das Direktorium besteht aus 6 Mitgliedern mit 8-jähriger Amtszeit (keine Verlängerung möglich): der Präsidentin, dem Vizepräsidenten und 4 weiteren Direktoren: Philip R. Lane (Irland, seit 01.06.2019), Isabel Schnabel (Deutschland, seit 01.01.2020), Frank Elderson (Niederlande, seit 15.12.2020) und Piero Cipollone (Italien, seit 01.11.2023). Jedes Direktoriumsmitglied ist stimmberechtigtes Mitglied im EZB-Rat.
Der in der Regel 2-mal monatlich in Frankfurt am Main tagende EZB-Rat ist das höchste Beschlussorgan der EZB. Ihm gehören neben den Direktoriumsmitgliedern die Präsidenten der 20 nationalen Zentralbanken des Euroraums an. Besaß bis 2014 jeder Zentralbankpräsident 1 Stimme, so wurde zum 01.01.2015 durch den Beitritt Litauens als 19. Mitgliedstaat zum Euro-Währungsgebiet ein im EU-Vertrag vorgesehenes Rotationsprinzip eingeführt: Die Zentralbankpräsidenten der 5 Länder mit der größten Wirtschafts- und Finanzkraft (derzeit Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und die Niederlande) teilen sich im monatlichen Wechsel 4 Stimmrechte, die übrigen - nach dem Beitritt Kroatiens (01.01.2023) 15 - Staaten 11 Stimmrechte.
Der Erweiterte Rat, der in der Regel 1-mal pro Quartal tagt, setzt sich aus der Präsidentin und dem Vizepräsidenten der EZB sowie den Zentralbankpräsidenten aller 27 EU-Mitgliedstaaten zusammen.
Aufgaben
Die EZB ist die Zentralbank der 20 Staaten, die bereits den Euro als Währung eingeführt haben. Gemeinsam mit den nationalen Zentralbanken dieser Staaten bildet sie das Eurosystem. Zusammen mit den nationalen Zentralbanken aller 27 EU-Mitgliedstaaten bildet die EZB das Europäische System der Zentralbanken (ESZB).
Die EZB ist zuständig für die Geldpolitik im Euroraum. Sie verwaltet die Geldreserven des Euroraums, stabilisiert die Wechselkurse durch An- und Verkauf von Fremdwährungen, genehmigt die Ausgabe von Banknoten durch die nationalen Zentralbanken, fördert das reibungslose Funktionieren des Zahlungsverkehrs und die Stabilität des Bankensystems. Das vorrangige Ziel der EZB ist die Sicherung der Preisstabilität, definiert als eine jährliche Inflationsrate, die "auf mittlere Sicht unter, aber nahe 2 % liegt" - gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex im gesamten Euroraum.
Der EZB-Rat erlässt Leitlinien und Beschlüsse über diejenigen Regelungsbereiche, die der EZB von den nationalen Zentralbanken der Euro-Staaten übertragen wurden. Er legt die Geldpolitik des Euroraums fest und fasst alle 6 Wochen geldpolitische Beschlüsse, die anschließend in Pressekonferenzen unter Leitung der Präsidentin erklärt werden. Das Direktorium gibt die Anweisungen zur Umsetzung der EZB-Beschlüsse an die nationalen Zentralbanken weiter. Der Erweiterte Rat nimmt Aufgaben wahr, die bis 1998 das EWI erfüllte (u. a. Koordinierung der Geldpolitik der nationalen Zentralbanken, Stärkung der Finanzstabilität, Schaffung eines einheitlichen Geldmarkts und Verbesserung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs) und die weitergeführt werden müssen, solange nicht alle EU-Mitgliedstaaten den Euro eingeführt haben. Außerdem wirkt er u. a. bei statistischen Erhebungen, der Erstellung des Jahresberichts und bei Vorbereitungen zur Festlegung von Wechselkursen des Euro zu Währungen von Euro-Beitrittskandidaten mit.
Kapital
Das Kapital der EZB stammt von den nationalen Zentralbanken der EU-Mitgliedstaaten und wird nach einem Schlüssel berechnet, der die Größe der Bevölkerung und des BIP berücksichtigt. Größte Kapitalzeichner sind Deutschland mit einem Anteil von 21,8 %, Frankreich (16,4 %), Italien (13,1 %), Spanien (9,7 %) und die Niederlande (4,8 %). Die Zentralbanken der Eurozone zahlen ihre Anteile zu 100 % ein, die übrigen EU-Staaten zu 3,75 %. Eine Anpassung des Schlüssels erfolgt alle 5 Jahre und bei EU-Beitritten, bislang insgesamt 9-mal seit Einführung des Euro am 01.01.1999. Die letzte Anpassung erfolgte am 01.01.2024. Die Summe des eingezahlten Kapitals beträgt rd. 8,9 Mrd. € (01.01.2024); davon entfallen 8,851 Mrd. € auf die 20 Euro-Staaten, 74,0 Mio. € auf die 7 EU-Staaten außerhalb des Euroraums.
Leitzinsen
Die EZB legt die Leitzinsen des Euroraums fest. Deren wichtigster ist der Hauptrefinanzierungssatz (Hauptrefinanzierungsgeschäfte, main refinancing operations), zu dem sich Geschäftsbanken kurzfristig gegen Einlage von Wertpapieren Geld von der Zentralbank leihen können; er lag seit dem 06.06.2024 bei 4,25 %. Der Einlagesatz (Einlagefazilität, deposit facility) - der Zinssatz, den Banken für Einlagen bei der Zentralbank erhalten - lag bei 3,75 %, der Spitzenrefinanzierungssatz (Spitzenrefinanzierungsfazilität, marginal lending facility) - derjenige Zinssatz, zu dem sich Banken sehr kurzfristig ("über Nacht") Geld bei der Zentralbank beschaffen können - bei 4,5 %.
Internet
Externer Link: www.ecb.europa.eu/ecb/html/index.de.html
Europäischer Rechnungshof
Abkürzung
EuRH
Gründung
1977
Sitz
Luxemburg
Mitarbeiter
882
Vorsitz
Präsident Tony Murphy (Irland), seit 01.10.2022
Aufbau
Der Rechnungshof besteht aus 27 Mitgliedern, einem pro Mitgliedstaat, die an keine Weisung gebunden sind. Sie werden auf Vorschlag der Mitgliedstaaten und nach Anhörung des Parlaments vom Rat für eine 6-jährige Amtszeit gewählt; Wiederwahl ist zulässig. Die Mitglieder wählen aus ihrer Mitte einen Präsidenten mit 3-jähriger Amtszeit (Wiederwahl möglich).
Die Mitglieder und das Personal verteilen sich auf 5 Prüfungskammern, an deren Spitze jeweils ein gewählter Doyen steht: Kammer I (Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen); Kammer II (Investitionen für Kohäsion, Wachstum & Integration); Kammer III (Externe Politikbereiche, Sicherheit & Justiz); Kammer IV (Marktregulierung & wettbewerbsfähige Wirtschaft); Kammer V (Finanzierung & Verwaltung der Union).
Aufgaben
Der EuRH prüft als unabhängiges Kontrollorgan die recht- und ordnungsmäßige Erhebung und Verwendung der EU-Mittel. Er prüft Personen und Organisationen, die EU-Mittel verwalten, kontrolliert die Wirtschaftlichkeit der Mittelverwendung und erstattet dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) Bericht über mögliche Fälle von Betrug und Korruption. Mit Prüfberichten und Empfehlungen wendet er sich an die Kommission und an Regierungen der Mitgliedstaaten. Er erstellt einen jährlichen Bericht für das EP und den Rat, den das Parlament prüft, bevor es den Haushaltsplan der Kommission billigt.
Internet
Externer Link: www.eca.europa.eu/de
Institutionen (Auswahl)
Neben den 7 EU-Organen gibt es zahlreiche weitere Einrichtungen und Dienste, denen keine Hoheitsrechte übertragen wurden. Einige der wichtigsten sind hier aufgeführt.
Europäischer Auswärtiger Dienst
Der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) ist der diplomatische Dienst der EU. Er unterhält weltweit in rd. 140 Staaten Delegationen, deren Funktion derjenigen von Botschaften vergleichbar ist. Der EAD ist dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik unterstellt und unterstützt diesen bei der Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU.
Internet
Externer Link: https://www.eeas.europa.eu/_en
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) ist eine beratende Einrichtung, die v. a. in Fragen, die Wirtschafts- und Sozialpolitik betreffen, von EP, Rat und Kommission obligatorisch angehört wird. Er setzt sich jeweils etwa zu ⅓ aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern sowie aus sonstigen Interessengruppen zusammen.
Internet
Externer Link: https://www.eesc.europa.eu/de
Europäischer Ausschuss der Regionen
Auch der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) ist ein beratendes Gremium. Er soll durch Einbeziehung von Vertretern der Regionen in die EU-Entscheidungen Subsidiarität und Bürgernähe gewährleisten. Er besteht zumeist aus gewählten Kommunal- und Regionalpolitikern und besitzt ein Klagerecht bei Verstößen gegen das Subsidiaritätsprinzip.
Internet
Externer Link: https://cor.europa.eu/de
Europäische Investitionsbank
Die Europäische Investitionsbank (EIB) ist die Bank der EU. Sie vergibt Darlehen für Projekte innerhalb und außerhalb der EU, übernimmt Garantien (Bürgschaften) und bietet Beratung. Sie ist nicht an Weisungen des Parlaments oder der Kommission gebunden. Die EIB bildet gemeinsam mit dem Europäischen Investitionsfonds (EIF), deren Hauptanteilseigner sie ist, die EIB-Gruppe. Der EIF ist spezialisiert auf Risikokapitalfinanzierungen und Garantien zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), insb. neu gegründeter und innovativer Unternehmen.
Internet EIB
www.eib.org/de/index.htm
Internet EIF
www.eif.org
Europäische Bürgerbeauftragte
Die Europäische Bürgerbeauftragte (auch Europäische Ombudsfrau), seit 01.10.2013 Emily O'Reilly (Irland), untersucht Beschwerden über Missstände in den Organen und Institutionen der EU; nicht zuständig ist sie für Beschwerden gegen die Rechtsprechung von Gerichtshof und Gericht sowie gegen EU-Mitgliedstaaten.
Internet
Externer Link: www.ombudsman.europa.eu/de/home
Europäischer Datenschutzbeauftragter
Der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB), seit 05.12.2019 Wojciech Wiewiórowski (Polen), kontrolliert die Einhaltung der Datenschutzregeln bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch Organe und Institutionen der EU; er berät EP, Rat und Kommission, untersucht Beschwerden und arbeitet mit den Datenschutzbehörden der EU-Staaten zusammen.
Internet
Externer Link: https://edps.europa.eu
Europäischer Datenschutzausschuss
Der Europäische Datenschutzausschuss (EDSA) hat die Aufgabe, eine einheitliche Anwendung des europäischen Datenschutzrechts und die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Datenschutzbehörden zu fördern. Er setzt sich zusammen aus dem EDSB, den Leitern der Datenschutzbehörden aller EU-Staaten sowie Islands, Liechtensteins und Norwegens.
Internet
Externer Link: https://edpb.europa.eu/edpb_de
Interinstitutionelle Dienste
Zur Unterstützung der EU-Organe, -Institutionen und -Agenturen wurden 4 interinstitutionelle Dienste eingerichtet: das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union; das Europäische Amt für Personalauswahl (EPSO); die Europäische Verwaltungsakademie; das IT-Notfallteam (CERT-EU).
Dezentrale Agenturen
Über 30 dezentrale Agenturen haben die Aufgabe, die Umsetzung der EU-Politik zu fördern, die Zusammenarbeit der EU-Einrichtungen mit nationalen Behörden zu koordinieren und das auf den unterschiedlichen Ebenen vorhandene Fach- und Expertenwissen zusammenzubringen. Beispiele sind die Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA) in Köln, die Europäische Arbeitsbehörde (ELA) in Bratislava, die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) in Den Haag oder die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex) in Warschau.
Haushalt
Die jährliche Festlegung des Haushaltsplans erfolgt in einer im Vertrag von Lissabon (Art. 310-316 AEU-Vertrag) geregelten Verfahrensweise unter Beteiligung von Kommission, Rat und Parlament: Die Kommission erhält bis zum 1. Juli von jedem Organ mit Ausnahme der EZB einen Haushaltsvorschlag für das folgende Jahr. Daraufhin verfasst sie einen Entwurf des Haushaltsplans und legt ihn bis spätestens zum 1. September Rat und Parlament vor. Zu diesem Entwurf formuliert der Rat seine Stellungnahme (die Änderungsvorschläge enthalten kann) und legt sie bis spätestens zum 1. Oktober dem Parlament vor; dieses hat nun 42 Tage Zeit, seinerseits Abänderungen vorzunehmen. Billigt das Parlament den Entwurf oder billigt der Rat alle Änderungen des Parlaments, ist der Haushaltsplan erlassen, ansonsten tritt ein Vermittlungsausschuss zusammen.
Der Haushaltsplan unterscheidet zwischen Mitteln für Zahlungen (den tatsächlich für das Haushaltsjahr geplanten Auszahlungen) und Mitteln für Verpflichtungen, die bereits vertraglich zugesagt werden können und in späteren Jahren ausgezahlt werden. Beim Beschließen des Jahreshaushalts ist ein mehrjähriger Finanzrahmen einzuhalten (Art. 312 AEU-Vertrag), der für einen Zeitraum von mind. 5 Jahren aufzustellen ist. Aktuell werden 7-jährige Finanzrahmen aufgestellt; seit 2021 gilt der Finanzrahmen 2021-27.
Am 11.11.2023 einigten sich Rat und Parlament auf einen Haushaltsentwurf für das Jahr 2024, der dann von beiden Organen am 20. bzw. 22.11.2023 gebilligt wurde. Der Haushalt 2024 sieht bei den Mitteln für Verpflichtungen Ausgaben von 189,4 Mrd. € vor; davon entfallen 21,5 Mrd. € (11,3 %) auf Binnenmarkt, Innovation und Digitales, 74,6 Mrd. € (39,4 %) auf Zusammenhalt, Resilienz und Werte, 57,3 Mrd. € (30,3 %) auf Natürliche Ressourcen und Umwelt, 3,9 Mrd. € (2,1 %) auf Migration und Grenzmanagement, 2,3 Mrd. € (1,2 %) auf Sicherheit und Verteidigung und 16,2 Mrd. € (8,6 %) auf Nachbarschaft und die Welt; die Kosten für die Europäische öffentliche Verwaltung belaufen sich auf 12,0 Mrd. € (6,3 %).
Für sog. Thematische besondere Instrumente wurden rd. 1,6 Mrd. € (0,8 % des Gesamthaushalts) veranschlagt. Davon dient mit 1,35 Mrd. € der größte Teil als Solidaritäts- und Soforthilfereserve, 209 Mio. € fließen in den Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF). Der deutliche Rückgang der Thematischen besonderen Instrumente gegenüber dem Vorjahr um rd. 45 % resultiert daraus, dass 2023 darin noch eine Reserve für die Anpassung an den Brexit von 1,3 Mrd. € enthalten war. Die größte Zunahme gegenüber 2023 gab es bei Sicherheit und Verteidigung (+9,7 %).
Politikbereiche (Auswahl)
Europäischer Binnenmarkt
Gründung
1993; bereits 1958 bei EWG-Gründung zentrales Ziel
Gesetzliche Verankerung
Vertrag von Maastricht
Mitgliedstaaten
EU-Staaten
Der Europäische Binnenmarkt ist der gemeinsame Markt der EU-Mitgliedstaaten. Er ist ein gemeinsamer Wirtschaftsraum ohne Binnengrenzen, in dem die (bereits im EWG-Vertrag formulierten) 4 Grundfreiheiten ("vier Freiheiten") gelten: der freie (grenzenlose) Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital. Der freie Warenverkehr ist in den Artikeln 28-37 im AEU-Vertrag verankert und am weitesten verwirklicht: Für den gesamten Warenverkehr besteht in den Staaten der EU - bereits seit 1968 - eine Zollunion (Art. 28 AEU-Vertrag), die Zollbehörden der Einzelstaaten arbeiten zusammen. Ein- und Ausfuhrzölle zwischen den EU-Mitgliedstaaten sind verboten (Art. 30 AEU-Vertrag), ebenso mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen (Art. 34 bzw. 35 AEU-Vertrag); gegenüber Nicht-EU-Staaten erhebt die Union einheitliche Außenzölle, deren Festlegung nicht den Einzelstaaten obliegt, sondern dem Rat auf Vorschlag der Kommission (Art. 31 AEU-Vertrag).
Die Personenfreizügigkeit umfasst die Freiheit, in einen anderen EU-Staat einreisen (weitgehende Abschaffung von Personenkontrollen an den Binnengrenzen), dort leben, studieren und arbeiten zu können; zentrale Grundpfeiler sind die Freizügigkeit für Arbeitskräfte (Art. 45-48 AEU-Vertrag) und die - auch für juristische Personen geltende - Niederlassungsfreiheit (Art. 49-55 AEU-Vertrag). Die Freizügigkeit für Arbeitnehmer bedeutet das Recht, sich unter gleichen Bedingungen wie Inländer in einem anderen EU-Staat auf eine Stelle bewerben, sich im Staatsgebiet frei bewegen, eine Beschäftigung ausüben und sich auch nach Ende der Beschäftigung dort aufhalten zu können (Art. 45 AEU-Vertrag). Hindernisse für die Arbeitnehmerfreizügigkeit liegen immer noch in der Schwierigkeit bei der Anerkennung mancher Berufsabschlüsse.
Die Dienstleistungsfreiheit (Art. 56-62 AEU-Vertrag) bedeutet - zusätzlich zur Niederlassungsfreiheit - die Aufhebung aller Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs für Dienstleister, die in einem anderen EU-Mitgliedstaat als der Leistungsempfänger ansässig sind (Art. 56 AEU-Vertrag).
Die Freiheit des Kapital- und Zahlungsverkehrs (Art. 63-66 AEUV) bedeutet, dass alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs (z. B. des Erwerbs von Aktien und Immobilien) und des Zahlungsverkehrs zwischen EU-Mitgliedstaaten sowie zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten sind (Art. 63 AEU-Vertrag).
Der Binnenmarkt ist nach wie vor unvollendet, und die EU unternimmt zahlreiche Maßnahmen, um Hindernisse zu beseitigen und ein besseres Funktionieren zu erreichen. Hemmnisse eines funktionierenden Binnenmarkts sind z. B. unterschiedliche nationale Steuersysteme; unterschiedliche Regeln für Unternehmensführung, elektronischen Handel oder Berufsausbildung; unterschiedliches Gesellschafts-, Vertrags- oder Produkthaftungsrecht; unterschiedliche technische Normen; nationale Märkte (Energie, Finanzdienstleistungen, Verkehr).
Europäische Wirtschafts- und Währungsunion
Abkürzung
EWWU
Gründung
1990
Gesetzliche Verankerung
Vertrag von Maastricht
Mitgliedstaaten
EU-Staaten
Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) ist eine vertragliche Vereinbarung der EU-Mitgliedstaaten im Vertrag von Maastricht, sich über den Binnenmarkt hinaus in ihrer Wirtschafts- und Währungspolitik enger aneinander zu binden und insb. eine gemeinsame Währung einzuführen. Als Voraussetzung für die Teilnahme eines Staats am Euro wurden 4 Konvergenzkriterien ("Maastricht-Kriterien"; Art. 140 AEU-Vertrag) festgelegt: Preisstabilität (Inflationsrate nicht mehr als 1,5 %-Punkte über den Werten der 3 preisstabilsten EU-Mitgliedsländer); gesunde und auf Dauer tragfähige öffentliche Finanzen (jährliches Defizit nicht über 3 % und Schuldenstand nicht über 60 % des BIP); Wechselkursstabilität (mind. 2-jährige Teilnahme am Europäischen Währungssystem EWS, bei nur geringfügiger Schwankung der eigenen Währung gegenüber den übrigen Währungen); Zinssatz langfristiger Staatsanleihen nicht mehr als 2 %-Punkte über dem der 3 preisstabilsten EU-Mitgliedsländer.
Die Verwirklichung der EWWU erfolgte in 3 Stufen. In der 1. Stufe (01.07.1990-31.12.1993) war mit dem freien Kapitalverkehr (beschlossen 1986 in der Einheitlichen Europäischen Akte) bereits eine Säule des Binnenmarkts verwirklicht. Die Zusammenarbeit der Zentralbanken wurde verstärkt, der ECU (Vorläufer des Euro) als Recheneinheit verwendet, Haushaltsdisziplin und Geldwertstabilität der Mitgliedstaaten sollten gestärkt und so die wirtschaftliche Konvergenz verbessert werden. In der 2. Stufe (01.01.1994-31.12.1998) wurde das Europäische Währungsinstitut (EWI) errichtet, um die Zusammenarbeit der Zentralbanken und die Koordinierung der Währungspolitik weiter zu verstärken (am 01.06.1998 trat die EZB an seine Stelle).
Zur Vorbereitung des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) wurde ein Prozess zur Unabhängigkeit der nationalen Zentralbanken eingeleitet. Zur Gewährleistung der Haushaltsdisziplin wurde der Stabilitäts- und Wachstumspakt beschlossen (1997; reformiert 2005, 2011 und 2024), der die teilnehmenden Staaten auch nach Euro-Einführung auf ein jährliches Defizit von nicht über 3 % und eine Gesamtverschuldung von nicht über 60 % des BIP verpflichtet und im Übertretungsfall die Möglichkeit von Sanktionen vorsieht.
Mit Beginn der 3. Stufe (01.01.1999) wurde das ESZB errichtet; die EZB erhielt die Aufgabe einer einheitlichen Geldpolitik. In den 11 Staaten, die nach Entscheidung des Rats die Konvergenzkriterien erfüllt hatten, wurde der Euro - zunächst nur als Buchwährung - eingeführt; dabei wurde der Wechselkurs zwischen den Währungen dieser Staaten unwiderruflich festgelegt. Das EWS wurde durch den Wechselkursmechanismus II (WKM II) abgelöst, bei dem als Maß der Stabilität nun die Schwankung der Landeswährung gegenüber dem Euro gilt. Voraussetzung für den Beitritt eines Landes zur Eurozone ist eine mind. 2-jährige Teilnahme am WKM II und die Erfüllung der 4 Konvergenzkriterien.
Noch vor Einführung des Euro-Bargelds (01.01.2002) trat Griechenland als 12. Eurostaat der Eurozone bei. Durch weitere Beitritte - zuletzt am 01.01.2023 Kroatien - haben inzwischen 20 EU-Mitglieder den Euro eingeführt: Belgien, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, die Niederlande, Österreich, Portugal, die Slowakei, Slowenien, Spanien und Zypern. Die übrigen EU-Staaten sind zur Einführung des Euro verpflichtet, sobald sie die Konvergenzkriterien erfüllen. Einzig Dänemark besitzt das Recht, auf einen Beitritt zum Euro zu verzichten (Opt-out); im Falle Schwedens wird angesichts eines ablehnenden Referendums (2003) ein "informelles Opt-out" seitens der Kommission toleriert.
Abgrenzung zur Eurozone
Die EWWU wird im allgemeinen Sprachgebrauch oft mit der Eurozone gleichgesetzt und bezeichnet dann die Gesamtheit der EU-Mitgliedstaaten, die bereits den Euro eingeführt haben. Diese Gleichsetzung ist jedoch ungenau: Mitglied der EWWU sind nicht nur die Eurostaaten, sondern auch die (momentan 7) EU-Mitgliedstaaten, die den Euro (noch) nicht eingeführt haben. Das Euro-Währungsgebiet (auch Eurozone, Euroraum) umfasst diejenigen - aktuell 20 - Staaten der EU, deren Währung der Euro ist. In einem weiteren Sinne zählen auch Staaten und Gebiete zur Eurozone, die den Euro nutzen, ohne Mitglied der EU und der EWWU zu sein: Andorra, Monaco, San Marino und Vatikanstadt nutzen lt. Vereinbarung mit der EU den Euro offiziell als Zahlungsmittel und dürfen in begrenztem Umfang eigene Münzen prägen (jedoch keine Banknoten drucken). Auch in den beiden französischen Überseegebieten Saint Barthelémy sowie Saint-Pierre und Miquelon ist der Euro offizielles Zahlungsmittel. Weitere Staaten und Gebiete benutzen den Euro ohne ein Abkommen mit der EU, z. B. Kosovo und Montenegro, oder haben ihre Währung an den Euro gebunden.
Europäischer Wirtschaftsraum
Abkürzung
EWR
Gründung
1994
Gesetzliche Verankerung
Abkommen der EU und der Europäischen Freihandelsassoziation EFTA
Mitgliedstaaten
Alle EU-Staaten sowie Island, Liechtenstein und Norwegen
Der Europäische Wirtschaftsraum ist eine Freihandelszone zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) mit Ausnahme der Schweiz. In wichtigen Punkten entspricht der EWR einer Ausweitung der Rechte und Pflichten des Binnenmarkts auf die 3 EFTA-Staaten. So gelten im EWR die 4 Grundfreiheiten, die Zölle zwischen den EWR-Mitgliedstaaten wurden aufgehoben. Im Unterschied zum Binnenmarkt gibt es im EWR keine gemeinsame Agrarpolitik, keine Zollunion (gegenüber Drittstaaten) und nicht das Ziel einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik.
Freihandelsabkommen
Die EU hat mit über 40 Staaten und Staatengruppen Freihandelsabkommen abgeschlossen. Umstritten sind die Abkommen der "neuen Generation", die neben klassischen Maßnahmen wie dem Abbau von Zöllen und anderen Handelsbeschränkungen weitreichende Vereinbarungen beinhalten, die lt. Kritikern zu einer ernsten Bedrohung für Demokratie, staatliche Souveränität und wichtige Bürger- und Menschenrechte führen können. Insb. Regelungen zum Investitionsschutz, durch die private Schiedsgerichte (Investor-State Dispute Settlement, ISDS) Strafen in Milliardenhöhe gegen Vertragsstaaten verhängen können, werden als Gefahr angesehen; es wird befürchtet, dass allein die Drohung solcher Strafzahlungen die staatliche bzw. EU-Politik zu Privatisierungen (z. B. der Wasserversorgung) oder zum Verzicht auf Maßnahmen zum Arbeits-, Umwelt- oder Verbraucherschutz zwingen könnte, weil diese sonst als "nichttarifäre Handelshemmnisse" eingestuft und sanktioniert werden könnten.
In den Verhandlungen zum Freihandelsabkommen CETA zwischen der EU und Kanada (vorläufig in Kraft seit 21.09.2017) akzeptierte die kanadische Seite anstelle der Schiedsgerichte die Einrichtung eines bilateralen Investitionsgerichts (Investment Court System, ICS), das später durch einen multinationalen Investitionsgerichtshof ersetzt werden soll. Japan lehnte bei den Verhandlungen über das Freihandelsabkommen EPA (auch "JEFTA") ein solches Investitionsgericht ab, sodass über den Investitionsschutz auch nach Inkrafttreten von EPA (01.02.2019) weiter verhandelt wurde.
Aus unterschiedlichen Gründen scheiterten zuletzt Abkommen mit wichtigen Staaten und Wirtschaftsräumen: Seit der Wahl Donald Trumps, der das Abkommen ablehnt, zum US-Präsidenten (2016) ruhen die Verhandlungen mit den USA über das Freihandelsabkommen TTIP. 2020 stoppte das EP ein bereits ausgehandeltes Freihandelsabkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten vorläufig, weil es nach Ansicht der Parlamentarier die Zerstörung des brasilianischen Regenwalds noch beschleunigt hätte. Aufgrund von Bedenken wegen Menschenrechtsverletzungen verhinderte das Parlament 2021 die Aufnahme von Verhandlungen zu einem Freihandelsabkommen mit China. Mit Indien vereinbarte die EU 2022 die Wiederaufnahme von Verhandlungen, bei denen jedoch sehr unterschiedliche Interessenlagen bezüglich der Öffnung indischer Märkte für europäische Produkte und Handelsketten sowie des Zugangs indischer Arbeitskräfte zum europäischen Arbeitsmarkt aufeinandertreffen.
Schengenraum
Gründung
1985/90
Gesetzliche Verankerung
Schengener Übereinkommen ("Schengen I"), Schengener Durchführungsübereinkommen ("Schengen II"); 1999 als Schengen-Besitzstand - der von EU-Beitrittskandidaten vollständig übernommen werden muss - in EU-Recht überführt
Mitgliedstaaten
25 EU-Staaten (nicht dabei: Irland und Zypern) sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz
Beitrittskandidaten
Gibraltar (Verhandlungen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich laufen), Zypern (wird in den Schengenraum aufgenommen, sobald alle Beitrittsbedingungen erfüllt sind)
Als Schengenraum (Schengengebiet) wird die Gesamtheit der derzeit 29 Staaten (auch "Schengenstaaten") bezeichnet, die dem Schengener Abkommen beigetreten sind. An den Binnengrenzen des Schengenraums finden keine systematischen personenbezogenen Grenzkontrollen mehr statt. Damit verbunden sind eine gemeinsame Politik zum Schutz der Außengrenzen, eine gemeinsame Visapolitik, eine Intensivierung der Zusammenarbeit von Polizei und Justiz und das Schengener Informationssystem (SIS), eine zentrale Datenbank zur Personen- und Sachfahndung.
Kurzzeitige Wiedereinführungen von Grenzkontrollen aufgrund schwerwiegender Bedrohungen der öffentlichen Ordnung oder der inneren Sicherheit sind möglich und werden regelmäßig anlässlich politischer Gipfeltreffen, sportlicher Großveranstaltungen oder nach Terroranschlägen angewendet. Mit Beginn der Flüchtlingskrise (2015) und dann in der Covid-19-Pandemie kehrten mehrere Staaten dauerhaft zu Grenzkontrollen zurück, was eine ernsthafte Gefahr für die im Schengenraum garantierte Reisefreiheit und damit einer wesentlichen Säule der europäischen Integration bedeutete. Die EU unternahm große Anstrengungen, die 4 Grundfreiheiten weitestmöglich zu erhalten und zu einem geregelten Zustand im Sinne des Schengener Abkommens zurückzukehren.
Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts
Gründung
1999
Gesetzliche Verankerung
Vertrag von Amsterdam (in Art. 3 Abs. 2 EU-Vertrag und Art. 67-89 AEU-Vertrag)
Mitgliedstaaten
EU-Staaten (Opt-out-Möglichkeiten für Dänemark und Irland)
Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist ein politisches Programm der EU, in dem Kooperationen aus den Bereichen der Innen- und Justizpolitik zusammengefasst sind, die zuvor zumeist auf zwischenstaatlicher Ebene entschieden wurden und somit der Einstimmigkeit im Rat bedurften. Durch die Verträge von Amsterdam und Lissabon wurden sie auf die Gemeinschaftsebene übertragen und können nun durch Mehrheitsentscheidungen im Rat und unter Mitsprache des EP weiterentwickelt werden (Dänemark und Irland dürfen über ihre Teilnahme an einzelnen Maßnahmen von Fall zu Fall entscheiden). Eine vertiefte Zusammenarbeit in diesen Bereichen war nicht zuletzt notwendig geworden, weil nach Verwirklichung des Binnenmarkts (besonders der Personenfreizügigkeit) grenzüberschreitende Kriminalität, unkontrollierte Migration und die Probleme aufgrund der Inkompatibilität nationaler Rechtsordnungen zugenommen hatten.
Wesentliche Bestandteile des Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts sind:
a) die Kernpunkte des Schengen-Besitzstands: Wegfall der Personenkontrollen an den Binnengrenzen, eine wirksame Kontrolle an den Außengrenzen und eine gemeinsame Visapolitik (Art. 77 AEU-Vertrag);
b) eine gemeinsame Politik im Bereich Asyl, subsidiärer Schutz und vorübergehender Schutz, die jedem Drittstaatenangehörigen einen in der gesamten EU gültigen Status, gemeinsame Asylverfahren und Normen über die Aufnahmebedingungen von Schutzsuchenden (Art. 78 AEU-Vertrag) garantieren; eine Maßnahme zur gemeinsamen Asylpolitik war 2003 die Einführung der Fingerabdruck-Datenbank Eurodac;
c) eine gemeinsame Einwanderungspolitik mit wirksamer Steuerung der Migrationsströme (Art. 79 und 80 AEU-Vertrag), die legal eingereisten Personen aus Drittstaaten Rechte und Pflichten gibt, die denen von EU-Bürgern ähnlich sind, während illegale Einwanderung (und insb. Menschenhandel und das Schleusergeschäft) wirksam bekämpft werden;
d) eine justizielle Zusammenarbeit in Zivilsachen (Art. 81 AEU-Vertrag), die den im Binnenmarkt grenzüberschreitend tätigen Personen und Unternehmen auch im EU-Ausland Rechtssicherheit und problemlosen Zugang zu den Gerichten garantiert;
e) eine justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen (Art. 82-86 AEU-Vertrag), die eine effektive Bekämpfung grenzüberschreitender Kriminalität ermöglicht, Rechtsvorschriften einander angleicht, Kompetenzkonflikte zwischen den Mitgliedstaaten vermeidet und die gegenseitige Anerkennung von Gerichtsurteilen garantiert; die 2002 gegründete Justizbehörde Eurojust (Sitz: Den Haag) unterstützt die Zusammenarbeit zwischen nationalen Behörden im Kampf gegen internationale Kriminalität;
f) eine polizeiliche Zusammenarbeit (Art. 87-89 AEU-Vertrag), die alle für die Ermittlung, Aufdeckung oder Verhütung von Straftaten zuständigen Behörden (u. a. auch Zollbehörden) einschließt; für die Koordination und den Informationsaustausch der nationalen Behörden ist das 1999 gegründete Europäische Polizeiamt (Europol) zuständig;
g) der Schutz personenbezogener Daten (Art. 16 AEU-Vertrag); der durch die fortschreitende Vernetzung und Digitalisierung noch gestiegenen Bedeutung des Datenschutzes trug der europäische Gesetzgeber mit der 2018 in Kraft getretenen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) Rechnung.
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
Abkürzung
GASP
Gründung
1993
Gesetzliche Verankerung
Vertrag von Maastricht
Mitgliedstaaten
EU-Staaten
Die GASP ist eine zwischenstaatliche Kooperation der EU-Staaten für ein gemeinsames Handeln auf dem Gebiet der Außenpolitik. Das außenpolitische Handeln der EU bewegt sich in einem Spannungsfeld: Einerseits besteht angesichts internationaler Handelskonflikte, globaler Migrationsbewegungen, zahlreicher Kriege und Bürgerkriege und des Aufstiegs neuer Mächte (z. B. China, Indien) eine wachsende Notwendigkeit, das außenpolitische Gewicht der europäischen Staaten zu bündeln, um außenpolitisch "mit einer Stimme zu sprechen". Andererseits ist eine eigenständige Außenpolitik ein wesentliches Element nationalstaatlicher Souveränität, weswegen die Mitgliedstaaten einer Übertragung ihrer Kompetenzen an die Gemeinschaft (noch) skeptischer gegenüberstehen als in anderen Politikbereichen. Aus diesem Grund hat die EU keinen Außenminister; die weltweit rd. 140 Delegationen des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EAD) heißen nicht "Botschaften", und die wichtigsten Entscheidungen werden von den Regierungschefs im ER und von den Außenministern (und ggf. weiteren Fachministern) im Rat für Auswärtige Angelegenheiten getroffen und bedürfen dort der Einstimmigkeit.
Wichtigste koordinierende Kraft auf EU-Ebene ist der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Als Vizepräsident der Kommission Mitglied der EU-Exekutive, ist er zugleich Vorsitzender (ohne Stimmrecht) des Rats für Auswärtige Angelegenheiten. Er ist für die Umsetzung der Beschlüsse von ER und Rat verantwortlich und vertritt gemeinsam mit dem Präsidenten des ER die EU nach außen. Unterstützt wird er vom EAD, dem diplomatischen Dienst der EU. Der EAD unterhält diplomatische Beziehungen zu zahlreichen Nicht-EU-Staaten, arbeitet mit den diplomatischen Diensten der EU-Staaten und mit internationalen Organisationen zusammen.
Ein wichtiger Teil der GASP ist die in Art. 42-46 EU-Vertrag verankerte Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Sie beinhaltet Operationen außerhalb der EU mit zivilen und militärischen Kräften "zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen" (Art. 42, Abs. 1 EU-Vertrag). Die GSVP-Missionen dienen der Prävention und der Lösung von Krisen sowie der Stabilisierung nach deren Überwindung. Je nach Krisenherd umfassen sie so unterschiedliche Maßnahmen wie Bekämpfung von Schmuggel und Korruption, Ausbildung von Streitkräften oder zivilen Sicherheitskräften, Bekämpfung von Piraterie oder Schleusernetzwerken, Absicherung von Waffenruhen und Aufbau rechtstaatlicher Strukturen. Seit Einführung der GSVP gab es rd. 40 zivile und militärische Missionen in Europa, Westasien und Afrika.
Die GSVP beinhaltet auch ein gegenseitiges Beistandsrecht der EU-Staaten im Falle eines bewaffneten Angriffs auf einen Mitgliedstaat (Art. 42, Abs. 7 EU-Vertrag). Da die EU selbst nicht über die erforderlichen zivilen (z. B. Polizeikräfte) und militärischen Einsatzkräfte verfügt, müssen diese von den Mitgliedstaaten gestellt werden; die EU-Staaten sind zudem verpflichtet, "ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern" (Art. 42, Abs. 3 EU-Vertrag). Die Entscheidungen zur GSVP und insb. zum Einleiten einer GSVP-Mission trifft der Rat, und sie bedürfen der Einstimmigkeit.
Europäische Nachbarschaftspolitik
Abkürzung
ENP
Gründung
2004/2008/2009
Gesetzliche Verankerung
Vertrag von Lissabon
Die Europäische Nachbarschaftspolitik ist ein Programm, das den Nachbarstaaten der EU eine privilegierte Partnerschaft anbietet mit dem Ziel, Wohlstand, Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und nachhaltige Entwicklung zu fördern. Dadurch soll die Entstehung scharfer Trennlinien an den EU-Außengrenzen zu Nachbarstaaten, die keine Beitrittsperspektive besitzen, verhindert werden. Sie fällt unter die Zuständigkeit des EU-Kommissars für Erweiterung und Europäische Nachbarschaftspolitik.
Die Grundzüge der ENP formulierte die Kommission anlässlich der EU-Erweiterung 2004 in einem Strategiepapier. 2009 wurde die "östliche Partnerschaft" gegründet, die sich an 6 ehemalige Sowjetrepubliken richtete: Belarus, Moldau, Ukraine, Armenien, Aserbaidschan und Georgien. Die Beziehungen zu Russland wurden separat geregelt und die Zusammenarbeit seit 2003 in den "4 gemeinsamen Räumen" ("4 Common Spaces") ausgebaut: 1) gemeinsamer Wirtschaftsraum, 2) gemeinsamer Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, 3) der äußeren Sicherheit und 4) der Forschung und Bildung, inkl. kultureller Aspekte.
Südliche Partnerländer sind Algerien, Ägypten, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Marokko, Palästina, Syrien und Tunesien. Die Zusammenarbeit mit diesen Ländern wurde gefestigt durch die 2008 gegründete Mittelmeerunion, der neben den EU-Staaten und den 10 "südlichen Partnerländern" weitere Staaten der Region angehören.
Finanziert wurde bzw. wird die ENP durch das Europäische Nachbarschafts- und Partnerschaftsinstrument (rd. 11,2 Mrd. € 2007-13), das Europäische Nachbarschaftsinstrument (rd. 15,4 Mrd. € 2014-20) und aktuell das Instrument für Nachbarschaft, Entwicklungszusammenarbeit und internationale Zusammenarbeit - Europa in der Welt (rd. 19,3 Mrd. € 2021-27).
Politische Krisen und Kriege veränderten die Bedingungen der ENP. Eine Neuausrichtung erfolgte nach den politischen Umbrüchen in Nordafrika und dem Nahen Osten 2011; Syrien ist seit Beginn des Bürgerkriegs 2011 suspendiert. Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022 wurden Georgien, Moldau und die Ukraine von Nachbarstaaten ohne Beitrittsperspektive zu EU-Beitrittskandidaten.
Quelle: KOSMOS Welt- Almanach & Atlas 2024 © Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart 2023.