Verträge und Mitgliedstaaten
Der Ursprung der Europäischen Union wurde in den 1950er-Jahren mit den 3 Europäischen Gemeinschaften gelegt. Die älteste von ihnen war die 1951 vertraglich gegründete, am 23.07.1952 in Kraft getretene Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS; auch Montanunion). Diese 1. supranationale Organisation überhaupt diente der gemeinsamen Kontrolle der Kohle- und Stahlproduktion ihrer Mitgliedstaaten - Belgien, Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien, Luxemburg und Niederlande - ohne Zoll. In den Römischen Verträgen gründeten mit Wirkung zum 01.01.1958 die 6 EGKS-Staaten 2 weitere Organisationen: die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mit der Idee der Schaffung eines gemeinsamen Markts und die Europäische Atomgemeinschaft (EURATOM) zur gemeinsamen Förderung und Entwicklung der (friedlich genutzten) Kernenergie. Die 3 Europäischen Gemeinschaften nutzten von Beginn an gemeinsame Organe (u. a. parlamentarische Versammlung; Gerichtshof); im EG-Fusionsvertrag (1965) wurden zum 01.07.1967 ihre übrigen Organe zusammengeführt.
Die beiden Gründungsverträge der EU sind der Vertrag über die Europäische Union (EU-Vertrag) und der Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEU-Vertrag). Der EU-Vertrag wurde am 07.02.1992 im niederländischen Maastricht unterzeichnet und daher zunächst als "Vertrag von Maastricht" bezeichnet (in Kraft seit 01.11.1993); verändert und weiterentwickelt wurde der EU-Vertrag im Vertrag von Amsterdam (in Kraft seit 01.05.1999), im Vertrag von Nizza (01.02.2003) und im Vertrag von Lissabon (01.12.2009). Der AEU-Vertrag wurde als "Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft" (EWG-Vertrag, einer der Römischen Verträge) am 25.03.1957 unterzeichnet (in Kraft seit 01.01.1958); er wurde in der Folgezeit mehrmals geändert und dabei 2-mal umbenannt: mit dem Vertrag von Maastricht in "Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft" (EG-Vertrag); mit dem Vertrag von Lissabon erhielt er seinen heutigen Namen.
Die EWG wurde durch den Vertrag von Maastricht in Europäische Gemeinschaft (EG) umbenannt und die EU als Dachorganisation eingeführt; im Vertrag von Lissabon ging die EG in der EU auf. Während die EGKS nach Ende der 50-jährigen Vertragsdauer 2002 auslief, ist EURATOM bis heute eine eigenständige Organisation, die sich mit der EU sämtliche Organe teilt.
Als Besitzstand der EU (auch gemeinschaftlicher Besitzstand; frz. acquis communautaire) wird die Gesamtheit aller Rechtsakte bezeichnet, die für alle EU-Mitgliedstaaten verbindlich sind. Staaten, die der EU beitreten wollen, müssen den Besitzstand in seiner Gesamtheit übernehmen - wobei in den Beitrittsverhandlungen Übergangs- und Ausnahmeregeln vereinbart werden können. Zum Besitzstand der EU zählen u. a.: die Gründungsverträge der EU (Primärrecht); die von den Organen der EU (bzw. ihrer Vorgängerorganisationen) erlassenen Rechtsvorschriften (Sekundärrecht); die Rechtsprechung des EuGH; Rechtsakte der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und der Zusammenarbeit im Bereich Justiz und Inneres; die von der EU (bzw. deren Vorgängerorganisationen) mit anderen Staaten oder internationalen Organisationen geschlossenen Verträge und Abkommen.
Die Rechtsvorschriften der EU-Organe gliedern sich nach Art. 288 AEU-Vertrag in Verordnungen (gelten allgemein, unmittelbar und verbindlich in jedem Mitgliedstaat), Richtlinien (Zielvorgaben, die von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden müssen), Beschlüsse (für die Adressaten in allen Teilen verbindlich; häufig Einzelfallentscheidungen, Ernennungen bzw. im Rahmen der GASP oder beim Abschluss internationaler Verträge) sowie Empfehlungen und Stellungnahmen (nicht verbindlich).
Mitgliedstaaten
Die 1. Erweiterung der Europäischen Gemeinschaften fand 1973 durch den Beitritt von Dänemark, Irland und dem Vereinigten Königreich statt. Es folgten 6 zusätzliche Erweiterungen; die bislang letzte am 01.07.2013 ließ durch den Beitritt Kroatiens die EU auf zeitweise 28 Mitgliedstaaten anwachsen. Seit dem Austritt des Vereinigten Königreichs am 31.01.2020 hat die EU 27 Mitgliedstaaten mit insgesamt rd. 447 Mio. Einwohnern: Belgien, Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Estland, Finnland, Frankreich, Griechenland, Irland, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Luxemburg, Malta, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Schweden, Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, Ungarn und Zypern (de facto nur der Südteil).
Amtssprachen
Die ersten Amtssprachen der Europäischen Gemeinschaften waren Deutsch, Französisch, Italienisch und Niederländisch. Mit dem Beitritt neuer Staaten kamen jeweils Amtssprachen hinzu, zuletzt 2013 Kroatisch. Heute gibt es 24 Amtssprachen in der EU: Bulgarisch, Dänisch, Deutsch, Englisch, Estnisch, Finnisch, Französisch, Griechisch, Irisch, Italienisch, Kroatisch, Lettisch, Litauisch, Maltesisch, Niederländisch, Polnisch, Portugiesisch, Rumänisch, Schwedisch, Slowakisch, Slowenisch, Spanisch, Tschechisch und Ungarisch.
Beitrittskandidaten
Derzeit gibt es 8 Beitrittskandidaten: Albanien (seit 27.06.2014), Bosnien und Herzegowina (seit 15.12.2022), Moldau (seit 23.06.2022), Montenegro (seit 17.12.2010), Nordmazedonien (seit 16.12.2005), Serbien (seit 01.03.2012), Türkei (seit 10.12.1999) und Ukraine (seit 23.06.2022). Bereits begonnen haben die Beitrittsverhandlungen mit Albanien (19.07.2022), Montenegro (29.06.2012), Nordmazedonien (19.07.2022), Serbien (21.01.2014) und der Türkei (04.10.2005). Als potenzielle Beitrittskandidaten gelten Georgien (Beitrittsantrag 03.03.2022) und Kosovo - dessen 2008 erklärte Unabhängigkeit allerdings von mehreren EU-Staaten nicht anerkannt wird. Ehemalige Beitrittskandidaten, die ihren Antrag zurückgezogen haben, sind Island (Antrag 2009, zurückgezogen 2015) und die Schweiz (1992-2016).
Am 19.07.2022 begannen die EU-Beitrittsgespräche mit Albanien und Nordmazedonien. Bereits am 24. und 26.03.2020 hatten Rat und ER die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit den beiden Staaten gebilligt, diese waren jedoch im November 2020 durch ein Veto der Niederlande (im Falle Albaniens) bzw. Bulgariens (im Falle Nordmazedoniens) vorläufig gescheitert. Am 15.12.2022 einigten sich die EU-Mitgliedstaaten im ER darauf, Bosnien und Herzegowina den Status eines Beitrittskandidaten zuzuerkennen. Das Land hatte am 15.02.2016 offiziell den Antrag auf eine EU-Mitgliedschaft gestellt.
Organe
Gemäß Art. 13 EU-Vertrag verfügt die Europäische Union über 7 Organe, an die die Mitgliedstaaten einen Teil ihrer Hoheitsrechte delegiert haben: Europäisches Parlament; Europäischer Rat; Rat; Europäische Kommission; Gerichtshof der Europäischen Union; Europäische Zentralbank; Rechnungshof. Darüber hinaus gibt es zahlreiche weitere Einrichtungen und Gremien, die die EU-Politik mitgestalten.
Europäisches Parlament
Abkürzung
EP
Gründung
1952 (als Parlamentarische Versammlung der EGKS); seit 1979 alle 5 Jahre in den Mitgliedstaaten direkt gewählt
Sitz
Straßburg (weitere Standorte: Brüssel, Luxemburg)
Mitarbeiter
6825
Vorsitz
Präsidentin Roberta Metsola (Malta, Fraktion EVP) seit 18.01.2022; 14 Vizepräsidenten und 5 Quästoren seit 18.01. bzw. 19.01.2022 (Wahl des Präsidiums jeweils für zweieinhalb Jahre)
Aufbau
705 Abgeordnete aus rd. 200 nationalen Parteien, die sich auf EU-Ebene meist zu Europaparteien zusammengeschlossen haben. Im EP sind die Abgeordneten in (Stand: Juni 2023) 7 Fraktionen zusammengeschlossen, dazu kommen fraktionslose Parlamentarier.
24 ständige Ausschüsse und Unterausschüsse: Auswärtige Angelegenheiten (Unterausschüsse: Menschenrechte; Sicherheit und Verteidigung); Entwicklung; Internationaler Handel; Haushalt; Haushaltskontrolle; Wirtschaft und Währung (Unterausschuss: Steuerfragen); Beschäftigung und soziale Angelegenheiten; Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (Unterausschuss: Öffentliche Gesundheit, eingerichtet am 14.02.2023); Industrie, Forschung und Energie; Binnenmarkt und Verbraucherschutz; Verkehr und Tourismus; Regionale Entwicklung; Landwirtschaft und ländliche Entwicklung; Fischerei; Kultur und Bildung; Recht; Bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres; Konstitutionelle Fragen; Rechte der Frauen und Gleichstellung der Geschlechter; Petitionen
3 Ausschüsse mit 12-monatigem Mandat (Verlängerung möglich): Sonderausschuss zu Erkenntnissen aus der Covid-19-Pandemie und Empfehlungen für die Zukunft (10.03.2022); Sonderausschuss zur Einflussnahme aus dem Ausland auf alle demokratischen Prozesse in der Europäischen Union, einschließlich Desinformation, und zur Stärkung der Integrität, Transparenz und Rechenschaftspflicht im Europäischen Parlament (10.03.2023); Untersuchungsausschuss zum Einsatz von Pegasus und ähnlicher Überwachungs- und Spähsoftware (10.03.2022)
Delegationen: 45 Delegationen unterhalten und vertiefen die Beziehungen zu Parlamenten von Nicht-EU-Staaten sowie zu Regionen und Organisationen weltweit. Es gibt unterschiedliche Arten von Delegationen: Delegationen in Parlamentarischen Versammlungen (z. B. der NATO, der AKP-Staaten und der Union für den Mittelmeerraum); Gemischte Parlamentarische Ausschüsse (z. B. EU-Mexiko, EU-Türkei, EU-Ukraine, EU-Vereinigtes Königreich); Ausschüsse für parlamentarische Kooperation (z. B. EU-Russland); sonstige interparlamentarische Delegationen, die i. d. R. die Beziehungen zu einzelnen Ländern oder Ländergruppen pflegen. Die Delegationen setzen sich aus Mitgliedern des EP zusammen und bilden die dortigen Mehrheitsverhältnisse ab; jedes Parlamentsmitglied gehört mindestens einer Delegation an.
Aufgaben
Das EP ist die einzige direkt gewählte EU-Institution und weltweit das einzige direkt gewählte supranationale Parlament. Es ist ein dem Rat gleichberechtigter Mitgesetzgeber und entscheidet gemeinsam mit diesem über den Haushalt der EU. Es wählt den Kommissionspräsidenten und billigt die Mitglieder der Kommission. Es kontrolliert die Arbeit von Kommission und Rat, verfügt zu diesem Zweck über Informations- und Fragerechte, kann Untersuchungsausschüsse einrichten und Klage beim EuGH erheben. Durch ein Misstrauensvotum mit Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen und Mehrheit der Abgeordneten kann das EP die Kommission zum Rücktritt zwingen.
Internet
Externer Link: www.europarl.europa.eu/portal/de
Europäischer Rat
Abkürzung
ER
Gründung
1974 (offizielles EU-Organ seit 2009)
Sitz
Brüssel
Mitarbeiter
3029 (Generalsekretariat; zuständig für ER und Rat); Generalsekretärin Thérèse Blanchet (Frankreich), seit 01.11.2022 (5-jährige Amtszeit, Wiederwahl möglich)
Vorsitz
Präsident Charles Michel (Belgien), seit 01.12.2019 (zweieinhalbjährige Amtszeit, 1-malige Wiederwahl möglich)
Aufbau
Der ER ist das Gremium, in dem sich die Staats- bzw. Regierungschefs der EU-Staaten mindestens 2-mal pro Halbjahr treffen (auch "EU-Gipfel" genannt); weitere Teilnehmer (ohne Stimmrecht) sind der Präsident des ER, die Präsidentin der EU-Kommission und - sofern außenpolitische Fragen diskutiert werden - der Hohe Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik.
Aufgaben
Der ER legt die allgemeinen politischen Zielvorstellungen und Prioritäten sowie die Außen- und Sicherheitspolitik der EU fest. Er besitzt keine gesetzgeberischen Befugnisse, kann aber in seinen Beschlüssen ("Schlussfolgerungen") Fristen für Gesetzesvorschläge setzen und so die politische Agenda der EU entscheidend mitbestimmen. Er wählt seinen Präsidenten, schlägt den Präsidenten der Europäischen Kommission vor (Wahl durch das EP) und ernennt den Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik sowie die Mitglieder der Kommission (nach Wahl durch das EP); mit qualifizierter Mehrheit kann er die Amtszeit des Hohen Vertreters vorzeitig beenden. Ferner ernennt der ER alle 6 Direktoriumsmitglieder der EZB, einschließlich deren Präsident.
Internet
Externer Link: www.consilium.europa.eu/de/european-council
Der ER dient der Entscheidung und Kompromissfindung in strittigen und komplexen Fragen, in denen auf Ministerebene (im Rat der EU) keine Einigung erzielt werden konnte. Die Entscheidungen erfolgen zumeist im Konsens. Einstimmigkeit ist u. a. erforderlich bei Fragen der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik, Gewährung neuer Bürgerrechte, EU-Mitgliedschaft, EU-Finanzen und Harmonisierung nationaler Rechtsvorschriften in den Bereichen indirekte Besteuerung sowie Justiz und Inneres; in einigen weiteren Bereichen sind Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit (55 % der Mitgliedstaaten, die zusammen mindestens 65 % der EU-Bevölkerung ausmachen; auch "doppelte Mehrheit" genannt) erforderlich.
Rat der Europäischen Union
Abkürzung
Rat
Gründung
1952
Sitz
Brüssel (im April, Juni und Oktober Tagungen in Luxemburg)
Mitarbeiter
siehe Europäischer Rat
Vorsitz
Der jeweilige Fachminister in einer festgelegten Reihenfolge der Mitgliedstaaten (halbjährlicher Wechsel); einzige Ausnahme ist der Rat für Auswärtige Angelegenheiten, dessen (nicht stimmberechtigter) Vorsitzender der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik ist; Ratsvorsitze Juli 2022-Juni 2024: Tschechien (2. HJ 2022), Schweden (1. HJ 2023), Spanien (2. HJ 2023), Belgien (1. HJ 2024)
Aufbau
Jeder Mitgliedstaat ist im Rat durch einen Minister vertreten (daher informell auch "Ministerrat"), der befugt ist, für seine Regierung verbindlich zu handeln. Je nach Politikbereich tagt der Rat mit den Ministern der jeweiligen Ressorts in 10 verschiedenen Zusammensetzungen, den sog. Ratsformationen: Allgemeine Angelegenheiten; Auswärtige Angelegenheiten; Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz; Bildung, Jugend, Kultur und Sport; Justiz und Inneres; Landwirtschaft und Fischerei; Umwelt; Verkehr, Telekommunikation und Energie; Wettbewerbsfähigkeit; Wirtschaft und Finanzen. Die Entscheidungen im Rat erfolgen mit qualifizierter Mehrheit.
Vorbereitet und koordiniert wird die Arbeit des Rats durch den Ausschuss der Ständigen Vertreter (AStV): Sowohl die Ständigen Vertreter der Mitgliedstaaten bei der EU als auch deren Stellvertreter treten jeweils wöchentlich zusammen, um die Treffen des Rats vorzubereiten. Die Arbeit des Rats wird vom Generalsekretariat unterstützt, das von einem vom Rat ernannten Generalsekretär geleitet wird. Die Wirtschaftspolitik der Staaten der Eurozone wird in der Euro-Gruppe koordiniert. Dieses 1997 gegründete informelle Gremium, bestehend aus einem Präsidenten (Paschal Donohoe, Irland, seit 09.07.2020, Wiederwahl 05.12.2022) und den Fachministern der Euro-Staaten, tagt in der Regel 1-mal monatlich, am Vorabend der Sitzung des Rats für Wirtschaft und Finanzen.
Aufgaben
Der Rat ist gemeinsam mit dem EP Gesetzgeber und Haushaltsbehörde der EU. Er dient außerdem der Koordination der Interessen der EU-Mitgliedstaaten.
Internet
Externer Link: www.consilium.europa.eu/de/council-eu
Am 01.11.2022 trat die französische Juristin Thérèse Blanchet ihre 1. Amtszeit als Generalsekretärin des Rats (bis 31.10.2027) an. Ihr Vorgänger Jeppe Tranholm-Mikkelsen (Dänemark) war am 01.05.2022 rd. 3 Jahre vor Ablauf seiner 2. Amtszeit zurückgetreten. Die Generalsekretärin leitet das Generalsekretariat, das die Präsidenten des Rats und des ER in ihrer Arbeit unterstützt.
Europäische Kommission
Gründung
1967
Sitz
Brüssel (Tagungen auch in Straßburg)
Mitarbeiter
23 399
Vorsitz
Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (Deutschland), seit 01.12.2019
Aufbau
Die Kommission wird jeweils nach den Wahlen zum EP gebildet und amtiert für 5 Jahre. Sie hat 27 Mitglieder, eines aus jedem EU-Mitgliedstaat. Das Kollegium besteht aus der Präsidentin, 8 Vizepräsidenten - darunter 3 Exekutiv-Vizepräsidenten - und 18 Kommissaren. Dem Kollegium gehört auch (im Rang eines Vizepräsidenten) der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik an. Die Entscheidungen der Kommission erfolgen mit Mehrheit der Mitglieder; bei Stimmengleichheit entscheidet die Stimme der Präsidentin. Die Mitglieder der Kommission sind dem Wohl der EU verpflichtet, nicht dem ihrer Herkunftsländer.
Als politische Leitlinien für ihre Amtszeit 2019-24 stellte die Kommission 6 Prioritäten vor: ein europäischer Grüner Deal (1. klimaneutraler Kontinent werden); eine Wirtschaft im Dienste der Menschen (soziale Gerechtigkeit und Wohlstand); ein Europa für das digitale Zeitalter (aktive Teilhabe mit einer neuen Technologiegeneration); Förderung unserer europäischen Lebensweise (Schutz unserer Bürger und unserer Werte); ein stärkeres Europa in der Welt (Festigung der verantwortungsvollen globalen Führungsrolle Europas); neuer Schwung für die Demokratie in Europa (Förderung, Schutz und Stärkung unserer Demokratie). Jeder dieser Leitlinien ist eine Gruppe von Kommissionsmitgliedern zugeordnet, die aus dem für die Priorität verantwortlichen Vizepräsidenten und mehreren Kommissaren besteht.
Aufgaben
Die Europäische Kommission, auch EU-Kommission genannt, ist die Exekutive im politischen System der EU. Als einziges EU-Organ kann sie dem EP und dem Rat Gesetzesvorschläge zur Abstimmung vorlegen. Sie erstellt Haushaltspläne und (nach Annahme durch EP und Rat) überwacht deren Einhaltung. Als "Hüterin der Verträge" wacht sie außerdem über die Einhaltung des EU-Rechts innerhalb der Mitgliedstaaten. Sie vertritt die EU in internationalen Organisationen und handelt im Namen der EU internationale Verträge aus.
Internet
Externer Link: ec.europa.eu/info/index_de
Gerichtshof der EU
Abkürzung
EuGH
Gründung
1952 (Europäischer Gerichtshof); 1988 (Gericht der Europäischen Union)
Sitz
Luxemburg
Mitarbeiter
2114
Vorsitz
Präsident des Europäischen Gerichtshofs Koen Lenaerts (Belgien), seit 08.10.2015, Vizepräsident Lars Bay Larsen (Dänemark), seit 08.10.2021; Präsident des Gerichts Marc van der Woude (Niederlande), Vizepräsident Savvas Papasavvas (Griechenland), jeweils seit 27.09.2019
Aufbau
Der EuGH besteht aus 2 Gerichten: Der Europäische Gerichtshof ist das höchste rechtsprechende Organ der EU. Das Gericht der Europäischen Union (früher "Gericht erster Instanz") ist dem Gerichtshof nachgeordnet. Gegen alle Entscheidungen des Gerichts können beim Gerichtshof Rechtsmittel eingelegt werden. Neben Gerichtshof und Gericht können gemäß Art. 19, Abs. 1 EU-Vertrag Fachgerichte eingerichtet werden. Das bislang einzige Fachgericht, das 2004 gegründete Gericht für den öffentlichen Dienst der EU (zuständig für dienstrechtliche Streitigkeiten zwischen der EU und ihren Bediensteten), wurde 2016 aufgelöst, seine noch laufenden Rechtssachen dem Gericht überstellt.
Der Gerichtshof besteht aus 27 Richtern (einem pro Mitgliedstaat), die für 6 Jahre ernannt werden (Wiederernennung zulässig), 11 Generalanwälten und einem Kanzler. Die Richter wählen aus ihrem Kreis einen Präsidenten und einen Vizepräsidenten mit einer Amtszeit von 3 Jahren (Wiederwahl zulässig). Dem Gericht gehören 54 Richter (2 je EU-Mitgliedstaat) und ein Kanzler an. Von seiner Gründung 1952 bis zum 31.12.2022 hatte der EuGH insgesamt 281 Mitglieder.
Aufgaben
Der EuGH hat die Aufgabe, "die Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung" der Verträge zu sichern. Er legt auf Ersuchen nationaler Gerichte das EU-Recht aus und überwacht die Einhaltung der vertraglichen Verpflichtungen durch die Mitgliedstaaten. Er überprüft aufgrund von Nichtigkeits- bzw. Untätigkeitsklagen auch das Handeln von EU-Institutionen und kann EU-Rechtsakte annullieren, das Eingreifen der EU gewährleisten und (bei entstandenen Schäden aufgrund rechtswidriger Handlungen oder Unterlassungen) Strafmaßnahmen gegen EU-Institutionen beschließen.
Internet
Externer Link: curia.europa.eu/jcms/jcms/j_6/de
Im Jahr 2022 verzeichnete der Gerichtshof 806 neue Rechtssachen, 808 erledigte und zum Jahresende 1111 anhängige Rechtssachen; die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug 16,4 Monate. Das Gericht verzeichnete 904 neue, 858 erledigte sowie am Jahresende 1474 anhängige Rechtssachen; die durchschnittliche Verfahrensdauer betrug 16,2 Monate. Insgesamt wurden seit 1952 vom EuGH 43 718 Urteile und Beschlüsse gefällt (Stand 31.12.2022); davon entfielen 24 863 auf den Gerichtshof, 17 306 auf das Gericht und 1549 auf das Gericht für den öffentlichen Dienst. Die Bibliothek des EuGH umfasst 295 000 Bände in den 24 Amtssprachen der EU sowie weiteren Sprachen. Im Jahr 2022 waren 980 Personen (über 40 % des Personals) mit juristischen Übersetzungen und Dolmetschen beschäftigt; sie übersetzten juristische Texte im Umfang von rd. 1,3 Mio. Seiten und verdolmetschten 526 mündliche Versammlungen und Sitzungen.
Europäische Zentralbank
Abkürzung
EZB
Gründung
1998 (als Nachfolgerin des 1994 gegründeten Europäischen Währungsinstituts, EWI)
Sitz
Frankfurt am Main
Mitarbeiter
über 3500
Vorsitz
Präsidentin Christine Lagarde (Frankreich), seit 01.11.2019; Vizepräsident Luis de Guindos (Spanien), seit 01.06.2018
Aufbau
Beschlussorgane der EZB sind EZB-Rat und Erweiterter Rat, ausführende Organe das Direktorium und die nationalen Zentralbanken der Eurostaaten.
Das Direktorium besteht aus 6 Mitgliedern mit 8-jähriger Amtszeit (keine Verlängerung möglich): der Präsidentin, dem Vizepräsidenten und 4 weiteren Direktoren: Philip R. Lane (Irland, seit 01.06.2019), Fabio Panetta (Italien, seit 01.01.2020), Isabel Schnabel (Deutschland, seit 01.01.2020) und Frank Elderson (Niederlande, seit 15.12.2020). Jedes Direktoriumsmitglied ist stimmberechtigtes Mitglied im EZB-Rat.
Der in der Regel 2-mal monatlich in Frankfurt am Main tagende EZB-Rat ist das höchste Beschlussorgan der EZB. Ihm gehören neben den Direktoriumsmitgliedern die Präsidenten der 20 nationalen Zentralbanken des Euroraums an. Besaß bis 2014 jeder Zentralbankpräsident eine Stimme, so wurde zum 01.01.2015 durch den Beitritt Litauens als 19. Mitgliedstaat zum Euro-Währungsgebiet ein im EU-Vertrag vorgesehenes Rotationsprinzip eingeführt: Die Zentralbankpräsidenten der 5 Länder mit der größten Wirtschafts- und Finanzkraft (derzeit Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien und Niederlande) teilen sich im monatlichen Wechsel 4 Stimmrechte, die übrigen - nach dem Beitritt Kroatiens (01.01.2023) 15 - Staaten 11 Stimmrechte.
Der Erweiterte Rat, der in der Regel 1-mal pro Quartal tagt, setzt sich aus der Präsidentin und dem Vizepräsidenten der EZB sowie den Zentralbankpräsidenten aller 27 EU-Mitgliedstaaten zusammen.
Aufgaben
Die EZB ist die Zentralbank der 20 Staaten, die bereits den Euro als Währung eingeführt haben. Gemeinsam mit den nationalen Zentralbanken dieser Staaten bildet sie das Eurosystem. Zusammen mit den nationalen Zentralbanken aller 27 EU-Mitgliedstaaten bildet die EZB das Europäische System der Zentralbanken (ESZB).
Die EZB ist zuständig für die Geldpolitik im Euroraum. Sie verwaltet die Geldreserven des Euroraums, stabilisiert die Wechselkurse durch An- und Verkauf von Fremdwährungen, genehmigt die Ausgabe von Banknoten durch die nationalen Zentralbanken, fördert das reibungslose Funktionieren des Zahlungsverkehrs und die Stabilität des Bankensystems. Das vorrangige Ziel der EZB ist die Sicherung der Preisstabilität, definiert als eine jährliche Inflationsrate, die "auf mittlere Sicht unter, aber nahe 2 % liegt" - gemessen am harmonisierten Verbraucherpreisindex im gesamten Euroraum.
Der EZB-Rat erlässt Leitlinien und Beschlüsse über diejenigen Regelungsbereiche, die der EZB von den nationalen Zentralbanken der Euro-Staaten übertragen wurden. Er legt die Geldpolitik des Euroraums fest und fasst alle 6 Wochen geldpolitische Beschlüsse, die anschließend in Pressekonferenzen unter Leitung der Präsidentin erklärt werden. Das Direktorium gibt die Anweisungen zur Umsetzung der EZB-Beschlüsse an die nationalen Zentralbanken weiter. Der Erweiterte Rat nimmt Aufgaben wahr, die bis 1998 das EWI erfüllte (u. a. Koordinierung der Geldpolitik der nationalen Zentralbanken, Stärkung der Finanzstabilität, Schaffung eines einheitlichen Geldmarkts und Verbesserung des grenzüberschreitenden Zahlungsverkehrs) und die weitergeführt werden müssen, solange nicht alle EU-Mitgliedstaaten den Euro eingeführt haben. Außerdem wirkt er u. a. bei statistischen Erhebungen, der Erstellung des Jahresberichts und bei Vorbereitungen zur Festlegung von Wechselkursen des Euro zu Währungen von Euro-Beitrittskandidaten mit.
Kapital
Das Kapital der EZB stammt von den nationalen Zentralbanken der EU-Mitgliedstaaten und wird nach einem Schlüssel berechnet, der die Größe der Bevölkerung und des BIP berücksichtigt. Größte Kapitalzeichner sind Deutschland mit einem Anteil von 21,4 %, Frankreich (16,6 %), Italien (13,8 %) und Spanien (9,7 %). Die Zentralbanken der Eurozone zahlen ihre Anteile zu 100 % ein, die übrigen EU-Staaten zu 3,75 %. Eine Anpassung des Schlüssels erfolgt alle 5 Jahre und bei EU-Beitritten, bislang insgesamt 8-mal seit Einführung des Euro am 01.01.1999. Bei der letzten Anpassung anlässlich des Austritts Großbritanniens im Januar 2020 blieb die Höhe des gezeichneten Kapitals unverändert bei 10,8 Mrd. €, der Anteil Großbritanniens wurde auf die verbleibenden EU-Mitgliedstaaten verteilt. Die Euro-Staaten stocken ihre erhöhten Anteile in 2 Raten auf; die 1. wurde am 29.12.2021 eingezahlt, die 2. am 28.12.2022. Kroatien zahlte am Tag seines Euro-Beitritts den noch ausstehenden Anteil seines Beitrags ein. Die Summe des eingezahlten Kapitals stieg dadurch von 7,6 Mrd. € (30.12.2020) auf 8,9 Mrd. € (01.01.2023).
Leitzinsen
Die EZB legt die Leitzinsen des Euroraums fest. Deren wichtigster ist der Hauptrefinanzierungssatz (Hauptrefinanzierungsgeschäfte, main refinancing operations), zu dem sich Geschäftsbanken kurzfristig gegen Einlage von Wertpapieren Geld von der Zentralbank leihen können; er lag seit dem 21.06.2023 bei 4,0 %. Der Einlagesatz (Einlagefazilität, deposit facility) - der Zinssatz, den Banken für Einlagen bei der Zentralbank erhalten - lag bei 3,5 %, der Spitzenrefinanzierungssatz (Spitzenrefinanzierungsfazilität, marginal lending facility) - derjenige Zinssatz, zu dem sich Banken sehr kurzfristig ("über Nacht") Geld bei der Zentralbank beschaffen können - bei 4,25 %.
Internet
Externer Link: www.ecb.europa.eu/ecb/html/index.de.html
Europäischer Rechnungshof
Abkürzung
EuRH
Gründung
1977
Sitz
Luxemburg
Mitarbeiter
882
Vorsitz
Präsident Tony Murphy (Irland), seit 01.10.2022
Aufbau
Der Rechnungshof besteht aus 27 Mitgliedern, einem pro Mitgliedstaat, die an keine Weisung gebunden sind. Sie werden auf Vorschlag der Mitgliedstaaten und nach Anhörung des Parlaments vom Rat für eine 6-jährige Amtszeit gewählt; Wiederwahl ist zulässig. Die Mitglieder wählen aus ihrer Mitte einen Präsidenten mit 3-jähriger Amtszeit (Wiederwahl möglich). Die Mitglieder und das Personal verteilen sich auf 5 Prüfungskammern, an deren Spitze jeweils ein gewählter Doyen steht: Kammer I (Nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen); Kammer II (Investitionen für Kohäsion, Wachstum und Integration); Kammer III (Externe Politikbereiche, Sicherheit und Justiz); Kammer IV (Marktregulierung und wettbewerbsfähige Wirtschaft); Kammer V (Finanzierung und Verwaltung der Union).
Aufgaben
Der EuRH prüft als unabhängiges Kontrollorgan die recht- und ordnungsmäßige Erhebung und Verwendung der EU-Mittel. Er prüft Personen und Organisationen, die EU-Mittel verwalten, kontrolliert die Wirtschaftlichkeit der Mittelverwendung und erstattet dem Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) Bericht über mögliche Fälle von Betrug und Korruption. Mit Prüfberichten und Empfehlungen wendet er sich an die Kommission und an Regierungen der Mitgliedstaaten. Er erstellt einen jährlichen Bericht für das EP und den Rat, den das Parlament prüft, bevor es den Haushaltsplan der Kommission billigt.
Internet
Externer Link: www.eca.europa.eu/de/Pages/ecadefault.aspx
Am 01.10.2022 wurde der irische Wirtschaftsprüfer Tony Murphy neuer Präsident des EuRH. Er löste Klaus-Heiner Lehne (Deutschland) ab, der das Amt seit dem 13.09.2016 bekleidet hatte.
Institutionen (Auswahl)
Neben den 7 EU-Organen gibt es zahlreiche weitere Institutionen, denen keine Hoheitsrechte übertragen wurden.
Europäischer Auswärtiger Dienst
Abkürzung
EAD
Gründung
2011
Sitz
Brüssel
Mitarbeiter
1753
Vorsitz
Hoher Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell Fontelles (Spanien), seit 01.12.2019
Aufbau
Dem EAD gehören Experten aus den diplomatischen Diensten der EU-Mitgliedstaaten, des Rats und der Kommission an. Er unterhält weltweit in rd. 140 Staaten Delegationen, deren Funktion derjenigen von Botschaften vergleichbar ist.
Aufgaben
Der EAD ist der diplomatische Dienst der EU und arbeitet mit den diplomatischen Diensten der EU-Staaten sowie mit internationalen Organisationen zusammen. Er ist dem Hohen Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik unterstellt und unterstützt diesen bei der Umsetzung der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) der EU.
Internet
Externer Link: www.eeas.europa.eu/_en
Die mit dem Vertrag von Maastricht eingerichtete Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) ist eine zwischenstaatliche Kooperation der EU-Staaten für ein gemeinsames Handeln auf dem Gebiet der Außenpolitik.
Wichtigste koordinierende Kraft auf EU-Ebene ist der Hohe Vertreter der EU für Außen- und Sicherheitspolitik. Als Vizepräsident der Kommission Mitglied der EU-Exekutive, ist er zugleich Vorsitzender (ohne Stimmrecht) des Rats für Auswärtige Angelegenheiten. Er ist für die Umsetzung der Beschlüsse von ER und Rat verantwortlich und vertritt gemeinsam mit dem Präsidenten des ER die EU nach außen.
Ein wichtiger Teil der GASP ist die in Art. 42-46 EU-Vertrag verankerte Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP). Sie beinhaltet Operationen außerhalb der EU mit zivilen und militärischen Kräften "zur Friedenssicherung, Konfliktverhütung und Stärkung der internationalen Sicherheit in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Charta der Vereinten Nationen" (Art. 42, Abs. 1 EU-Vertrag). Die GSVP-Missionen dienen der Prävention und der Lösung von Krisen sowie der Stabilisierung nach deren Überwindung. Je nach Krisenherd umfassen sie so unterschiedliche Maßnahmen wie Bekämpfung von Schmuggel und Korruption, Ausbildung von Streitkräften oder zivilen Sicherheitskräften, Bekämpfung von Piraterie oder Schleusernetzwerken, Absicherung von Waffenruhen und Aufbau rechtstaatlicher Strukturen. Seit Einführung der GSVP gab es rd. 40 zivile und militärische Missionen in Europa, Westasien und Afrika.
Die GSVP beinhaltet auch ein gegenseitiges Beistandsrecht der EU-Staaten im Falle eines bewaffneten Angriffs auf einen Mitgliedstaat (Art. 42, Abs. 7 EU-Vertrag). Da die EU selbst nicht über die erforderlichen zivilen (z. B. Polizeikräfte) und militärischen Einsatzkräfte verfügt, müssen diese von den Mitgliedstaaten gestellt werden; die EU-Staaten sind zudem verpflichtet, "ihre militärischen Fähigkeiten schrittweise zu verbessern" (Art. 42, Abs. 3 EU-Vertrag). Die Entscheidungen zur GSVP und insbesondere zum Einleiten einer GSVP-Mission trifft der Rat, und sie bedürfen der Einstimmigkeit.
Europäischer Wirtschafts- und Sozialausschuss
Abkürzung
EWSA
Gründung
1957
Sitz
Brüssel
Mitarbeiter
671
Vorsitz
Oliver Röpke (Österreich), seit 26.04.2023
Aufbau
Je nach Einwohnerzahl sind die EU-Mitgliedstaaten mit zwischen 5 und 24 Mitgliedern vertreten. Die insgesamt 329 Mitglieder sollen die europäische Zivilgesellschaft abbilden und setzen sich jeweils etwa zu 1/3 aus Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertretern sowie aus sonstigen Interessengruppen zusammen. Der EWSA tritt in der Regel 9-mal jährlich im Plenum zusammen und bildet zudem 6 Fachausschüsse zu verschiedenen Themen.
Aufgaben
Der EWSA ist eine beratende Einrichtung der EU. Er wird zu Themengebieten, bei denen dies nach den Verträgen vorgesehen ist (z. B. in Fragen, die Wirtschafts- und Sozialpolitik betreffen), von EP, Rat und Kommission obligatorisch angehört und kann von diesen nach eigenem Ermessen auch in weiteren Fällen konsultiert werden.
Internet
Externer Link: www.eesc.europa.eu/de
Am 26.04.2023 übernahm der österreichische Gewerkschafter Oliver Röpke den Vorsitz des EWSA. Er trat damit die Nachfolge seiner Landsfrau, der Wirtschaftsvertreterin Christa Schweng an, deren zweieinhalbjährige Amtszeit (seit 28.10.2020) abgelaufen war.
Europäischer Ausschuss der Regionen
Abkürzung
AdR
Gründung
1994
Sitz
Brüssel
Mitarbeiter
496
Vorsitz
Präsident Vasco Alves Cordeiro (Portugal), seit 29.06.2022
Aufbau
Die 329 AdR-Mitglieder, meist gewählte Kommunal- und Regionalpolitiker, sollen die europäischen Regionen und die politische Parteienlandschaft abbilden. Der AdR trifft sich 6-mal jährlich zu Plenarversammlungen, die von 6 aus seinen Mitgliedern gebildeten Fachkommissionen vorbereitet werden.
Aufgaben
Der AdR ist ein beratendes Gremium. Er soll durch Einbeziehung von Vertretern der Regionen in die EU-Entscheidungen Subsidiarität und Bürgernähe gewährleisten. Der AdR besitzt ein Klagerecht bei Verstößen gegen das Subsidiaritätsprinzip und muss bei Entscheidungen zu Themen mit Auswirkungen auf die kommunale und regionale Ebene von EP, Rat und Kommission angehört werden.
Internet
Externer Link: cor.europa.eu/de
Europäische Investitionsbank
Abkürzung
EIB
Gründung
1958
Sitz
Luxemburg
Vorsitz
Präsident Werner Hoyer (Deutschland), seit 01.01.2012
Aufbau
Der Rat der Gouverneure, bestehend aus je einem Minister (in der Regel dem Finanzminister) der 27 EU-Mitgliedstaaten, legt die Leitlinien der Kreditvergabe fest, entscheidet über Finanzierungen außerhalb der EU und beschließt Kapitalerhöhungen. Der Verwaltungsrat entscheidet über die Vergabe von Krediten und Bürgschaften; er besteht aus 28 Mitgliedern - 27 von den EU-Staaten, eines von der Kommission ernannt - mit 5-jähriger Amtszeit (Wiederernennung möglich). Das Direktorium, bestehend aus dem Präsidenten und 8 Vizepräsidenten mit 6-jähriger Amtszeit (Wiederernennung zulässig), ist das ständige geschäftsführende Organ der EIB; es kontrolliert den Verwaltungsrat, bereitet dessen Entscheidungen vor und betreibt deren Umsetzung. Der Prüfungsausschuss, bestehend aus 6 Mitgliedern mit einer einmaligen, 6-jährigen Amtszeit, prüft die Ordnungsmäßigkeit der Geschäfte und erstattet dem Rat der Gouverneure Bericht.
Aufgaben
Die EIB ist die Bank der EU. Sie vergibt Darlehen für Projekte innerhalb (etwa 85-90 %) und außerhalb der EU, übernimmt Garantien (Bürgschaften) und bietet Beratung. Ihre Aufgabe gemäß Art. 309 AEU Vertrag ist es, mit Hilfe eigener Mittel und des Kapitalmarkts "zu einer ausgewogenen und reibungslosen Entwicklung des Binnenmarkts im Interesse der Union beizutragen". Hierbei konzentriert sie sich auf 6 Schwerpunkte: Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit; Innovation Digitales und Humankapital (Digitale Wirtschaft, Bildung, Gesundheit und Biowissenschaften); Nachhaltige Energien und natürliche Ressourcen (Energie, Land- und Forstwirtschaft, Abfall, Wasser und Abwasser); Nachhaltige Städte und Regionen (Verkehr und Stadtentwicklung); Kleine und mittlere Unternehmen; Kohäsion (ausgewogene territoriale Entwicklung). Die EIB ist autonom, nicht an Weisungen des Parlaments oder der Kommission gebunden.
Kapital
248,8 Mrd. €, davon müssen satzungsgemäß mindestens 5 % eingezahlt sein. Kapitalzeichner sind die 27 EU-Mitgliedstaaten (größte Kapitalzeichner: Deutschland, Frankreich und Italien, jeweils 46,7 Mrd. €). Rd. 9 % (22,2 Mrd. €) des gezeichneten Kapitals sind eingezahlt (größte Einzahler: Deutschland, Frankreich und Italien, jeweils 4,2 Mrd. €). Die Höhe der ausstehenden Darlehen der EIB darf laut Satzung bis zu 250 % des gezeichneten Kapitals betragen.
Die EIB bildet gemeinsam mit dem 1994 gegründeten Europäischen Investitionsfonds (EIF) mit Sitz in Luxemburg, deren Hauptanteilseigner sie ist, die EIB-Gruppe. Seit dem 12.02.2021 beträgt das genehmigte Kapital der EIF 7,4 Mrd. €, Anteilseigner sind die EIB (59,8 %), die Kommission (29,7 %) sowie Finanzinstitute aus der EU, dem Vereinigten Königreich und der Türkei (zusammen 10,5 %). Der EIF ist spezialisiert auf Risikokapitalfinanzierungen und Garantien zugunsten kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU), insbesondere neu gegründeter und innovativer Unternehmen. Er vergibt keine direkten Kredite, sondern arbeitet mit anderen Instituten (z. B. privaten Banken) zusammen, bei denen er Bürgschaften für die KMU übernimmt. Durch Hebelwirkung kann er eine Wirkung erzielen, die einem Vielfachen seiner eigenen Kapitalausstattung entspricht.
Internet EIB
www.eib.org/de/index.htm
Internet EIF
www.eif.org
Im Jahr 2022 beliefen sich die genehmigten Finanzierungen der EIB auf 75,9 Mrd. €, davon entfielen mit 63,5 Mrd. € rd. 83,6 % auf Staaten der EU. Die Unterzeichnungen lagen bei 65,1 Mrd. € (EU: 56,0 Mrd. €), das ausgezahlte Kapital bei 57,6 Mrd. € (EU: 50,5 Mrd. €). Die neu unterzeichneten Mittel kamen zu 86 % EU-Mitgliedstaaten zugute, wobei deutlich mehr als die Hälfte auf 5 Länder entfiel: Italien (9,4 Mrd. €), Spanien (8,8 Mrd. €), Frankreich (8,5 Mrd. €), Deutschland (6,0 Mrd. €) und Polen (4,9 Mrd. €) erhielten zusammen mit rd. 57,9 % einen ähnlich hohen Anteil wie 2021 (58,7 %). Bei den Nicht-EU-Staaten entfielen mit 1,1 Mrd. € etwa 1,7 % auf Beitrittskandidaten und potenzielle Beitrittskandidaten (2021: 1,3 %), 26 Mio. € oder 0,0 € auf EFTA-Staaten (2021: 0,1 %) und 8,0 Mrd € (12,3 %) an sonstige Staaten (2021: 9,7 €).
Europäische Bürgerbeauftragte
(auch Europäische Ombudsfrau)
Gründung
1994
Sitz
Straßburg
Mitarbeiter
75
Amtsinhaberin
Emily O'Reilly (Irland), seit 01.10.2013
Aufgaben
Die Europäische Bürgerbeauftragte untersucht Beschwerden über Missstände in den Organen und Institutionen der EU; nicht zuständig ist sie für Beschwerden gegen die Rechtsprechung von Gerichtshof und Gericht sowie gegen EU-Mitgliedstaaten. Beschwerde einreichen kann jeder EU-Bürger und jede natürliche oder juristische Person mit Wohnsitz bzw. Sitz in einem EU-Mitgliedstaat.
Internet
Externer Link: www.ombudsman.europa.eu/de/home
Europäischer Datenschutzbeauftragter
Abkürzung
EDSB
Gründung
2004
Sitz
Brüssel
Mitarbeiter
89
Amtsinhaber
Wojciech Wiewiórowski (Polen), seit 05.12.2019
Aufgaben
Der EDSB kontrolliert die Einhaltung der Datenschutzregeln bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch Organe und Institutionen der EU; er berät EP, Rat und Kommission in Fragen des Datenschutzes, untersucht Beschwerden und arbeitet mit nationalen Datenschutzbehörden der EU-Staaten zusammen. Der EDSB wird vom EP und vom Rat mit einer Amtszeit von 5 Jahren gewählt (Wiederwahl möglich).
Internet
Externer Link: edps.europa.eu/_de
Europäischer Datenschutzausschuss
Abkürzung
EDSA
Gründung
2018
Sitz
Brüssel
Vorsitz
Anu Talus (Finnland), seit 25.05.2023
Aufbau
Der EDSA setzt sich zusammen aus dem EDSB, den Leitern der Datenschutzbehörden aller EU-Staaten sowie Islands, Liechtensteins und Norwegens.
Aufgaben
Mit Inkrafttreten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) am 25.05.2018 wurde dem EDSA die Aufgabe übertragen, eine einheitliche Anwendung des europäischen Datenschutzrechts und die Zusammenarbeit zwischen den nationalen Datenschutzbehörden zu fördern.
Internet
Externer Link: edpb.europa.eu/edpb_en
Am 25.05.2023 wurde die finnische Datenschutzbeauftragte Anu Talus zur neuen Vorsitzenden des EDSA gewählt. Sie trat ihre 5-jährige Amtszeit als Nachfolgerin von Andrea Jelinek (Österreich) an, die das Amt seit 2018 innegehabt hatte.
Weitere Einrichtungen und Agenturen
4 interinstitutionelle Dienste wurden zur Unterstützung der EU-Organe, -Institutionen und -Agenturen eingerichtet: Das Amt für Veröffentlichungen der Europäischen Union (gegründet 1969; Sitz: Luxemburg) ist der offizielle Dienstleister aller EU-Einrichtungen im Bereich Veröffentlichungen. Es dient damit der Transparenz, indem u. a. Informationen, Datensätze und EU-Recht der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Das Europäische Amt für Personalauswahl (EPSO; gegründet 2002; Sitz: Brüssel und Luxemburg) organisiert die Vorauswahl bei Bewerbungsverfahren für EU-Organe und -Institutionen und bearbeitet jährlich rd. 45 000 Bewerbungen. Die Europäische Verwaltungsakademie (gegründet 2005; Sitz: Brüssel und Luxemburg) stellt Lernangebote wie Schulungen, Workshops, Zertifizierungskurse und berufliche Weiterbildung für EU-Bedienstete zur Verfügung. Das IT-Notfallteam (CERT-EU; gegründet 2011; Sitz: Brüssel) dient der Sicherheit der IT-Struktur der EU-Organe und -Einrichtungen.
Die Kommission hat 6 Exekutivagenturen am Standort Brüssel eingerichtet, die ihr bei der Umsetzung von Programmen aus den Bereichen Bildung, Forschung, Innovation und Gesundheit zuarbeiten: Die 2021 gegründete Europäische Exekutivagentur für den Innovationsrat und für KMU (EISMEA) koordiniert die Tätigkeiten des Programms für kleine und mittlere Unternehmen und des Europäischen Innovationsrats. Die Europäische Exekutivagentur für Klima, Infrastruktur und Umwelt (CINEA; gegründet 2021) verwaltet Programme der Kommission für nachhaltiges Wachstum und Dekarbonisierung. Die Europäische Exekutivagentur für Bildung und Kultur (EACEA; gegründet 2006) ist für Programme aus den Bereichen Bildung, Kultur, Audiovisuelles, Sport, Bürgertum und Freiwilligentätigkeit zuständig. Die Exekutivagentur des Europäischen Forschungsrats (ERCEA) und die Europäische Exekutivagentur für die Forschung (REA; gegründet 2007) unterstützen EU-Programme für Forschung und Innovation. Die Europäische Exekutivagentur für Gesundheit und Digitales (HaDEA; gegründet 2021) unterstützt den Wiederaufbau Europas ("grüner, digitaler und krisenfester") nach der Covid-19-Krise.
Über 30 dezentrale Agenturen haben die Aufgabe, die Umsetzung der EU-Politik zu fördern, die Zusammenarbeit der EU-Einrichtungen mit nationalen Behörden zu koordinieren und das auf den unterschiedlichen Ebenen vorhandene Fach- und Expertenwissen zusammenzubringen. Beispiele sind die Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit (EASA; gegründet 2002) in Köln, die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA; 2002) in Parma, die Europäische Arbeitsbehörde (ELA; 2019) in Bratislava, die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA; 1995) in Amsterdam, die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA; 2011) in Paris, die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol, 1999) in Den Haag oder die Europäische Agentur für die Grenz- und Küstenwache (Frontex; 2004) in Warschau.
Haushalt
Die jährliche Festlegung des Haushaltsplans erfolgt in einer im Vertrag von Lissabon (Art. 310-316 AEU-Vertrag) geregelten Verfahrensweise unter Beteiligung von Kommission, Rat und Parlament: Die Kommission erhält bis zum 1. Juli von jedem Organ mit Ausnahme der EZB einen Haushaltsvorschlag für das folgende Jahr. Daraufhin verfasst sie einen Entwurf des Haushaltsplans und legt ihn bis spätestens zum 1. September Rat und Parlament vor. Zu diesem Entwurf formuliert der Rat seine Stellungnahme (die Änderungsvorschläge enthalten kann) und legt sie bis spätestens zum 1. Oktober dem Parlament vor; dieses hat nun 42 Tage Zeit, seinerseits Abänderungen vorzunehmen. Billigt das Parlament den Entwurf oder billigt der Rat alle Änderungen des Parlaments, ist der Haushaltsplan erlassen, ansonsten tritt ein Vermittlungsausschuss zusammen.
Der Haushaltsplan unterscheidet zwischen Mitteln für Zahlungen (den tatsächlich für das Haushaltsjahr geplanten Auszahlungen) und Mitteln für Verpflichtungen, die bereits vertraglich zugesagt werden können und in späteren Jahren ausgezahlt werden. Beim Beschließen des Jahreshaushalts ist ein mehrjähriger Finanzrahmen einzuhalten (Art. 312 AEU-Vertrag), der für einen Zeitraum von mindestens 5 Jahren aufzustellen ist. Aktuell werden 7-jährige Finanzrahmen aufgestellt; seit 2021 gilt der Finanzrahmen 2021-27.
Am 14.11.2022 einigten sich Rat und Parlament auf einen Haushaltsentwurf für das Jahr 2023, der dann von beiden Organen am 22. bzw. 23.11.2022 gebilligt wurde. Der Haushalt 2023 sieht bei den Mitteln für Verpflichtungen Ausgaben von 186,6 Mrd. € vor; davon entfallen 21,5 Mrd. € (11,5 %) auf Binnenmarkt, Innovation und Digitales, 70,6 Mrd. € (37,8 %) auf Zusammenhalt, Resilienz und Werte, 57,3 Mrd. € (30,7 %) auf Natürliche Ressourcen und Umwelt, 3,7 Mrd. € (2,0 %) auf Migration und Grenzmanagement, 2,1 Mrd. € (1,1 %) auf Sicherheit und Verteidigung und 17,2 Mrd. € (9,2 %) auf Nachbarschaft und die Welt; die Kosten für die Europäische öffentliche Verwaltung belaufen sich auf 11,3 Mrd. € (6,1 %). Die größten prozentualen Veränderungen zu 2022 gab es bei den Ausgaben für Resilienz und Werte (Unterpunkt von Zusammenhalt, Resilienz und Werte) mit +18,6 %, bei Sicherheit und Verteidigung (+16,7 %) und bei Migration und Grenzmanagement (+10,9 %). Die Rubrik Binnenmarkt, Innovation und Digitales war die einzige, die Kürzungen zu verzeichnen hatte (-1,4 %).
Politikbereiche (Auswahl)
Nachfolgend eine Auswahl von einigen der wichtigsten Politikbereiche, die von der EU geregelt oder zumindest maßgeblich mitbestimmt werden.
Der 1993 gegründete Europäische Binnenmarkt ist der gemeinsame Markt der EU-Mitgliedstaaten. Er ist ein gemeinsamer Wirtschaftsraum ohne Binnengrenzen, an dem die (bereits im EWG-Vertrag formulierten) 4 Grundfreiheiten ("4 Freiheiten") gelten: der freie (grenzenlose) Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital. Der Binnenmarkt ist nach wie vor unvollendet, und die EU unternimmt zahlreiche Maßnahmen, um Hindernisse zu beseitigen und ein besseres Funktionieren zu erreichen. Am weitesten verwirklicht ist der freie Warenverkehr: Bereits seit 1968 besteht eine Zollunion - Ein- und Ausfuhrzölle zwischen den EU-Mitgliedstaaten sind ebenso verboten wie mengenmäßige Ein- und Ausfuhrbeschränkungen, und gegenüber Nicht-EU-Staaten erhebt die Union einheitliche Außenzölle.
Die Personenfreizügigkeit umfasst die Freiheit, in einen anderen EU-Staat einreisen, dort leben, studieren, unter gleichen Bedingungen wie Inländer arbeiten, sich bewerben und auch mit einem Unternehmen niederlassen zu können. Die Dienstleistungsfreiheit bedeutet die Aufhebung aller Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs für im EU-Ausland ansässige Dienstleister, die Freiheit des Kapitalverkehrs beinhaltet das Verbot aller Beschränkungen des Zahlungs- und des Kapitalverkehrs (z. B. des Erwerbs von Aktien und Immobilien).
Die Europäische Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU; Gründung 1990) ist eine vertragliche Vereinbarung der EU-Mitgliedstaaten im Vertrag von Maastricht, sich über den Binnenmarkt hinaus in ihrer Wirtschafts- und Währungspolitik enger aneinander zu binden und insbesondere eine gemeinsame Währung einzuführen. Die EWWU ist nicht deckungsgleich mit der Eurozone, die die 20 EU-Mitgliedstaaten umfasst, die bereits den Euro eingeführt haben. Mitglied der EWWU sind neben den Eurostaaten auch die (momentan 7) EU-Mitgliedstaaten, die den Euro (noch) nicht eingeführt haben.
Der Europäische Wirtschaftsraum (EWR; Gründung 1994) ist eine Freihandelszone zwischen der Europäischen Union und der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) mit Ausnahme der Schweiz. In wichtigen Punkten entspricht der EWR einer Ausweitung der Rechte und Pflichten des Binnenmarkts auf die 3 EFTA-Staaten Island, Liechtenstein und Norwegen. So gelten im EWR die 4 Grundfreiheiten, und die Zölle zwischen den EWR-Mitgliedstaaten wurden aufgehoben. Im Unterschied zum Binnenmarkt gibt es im EWR keine gemeinsame Agrarpolitik, keine Zollunion (betrifft die Zölle gegenüber Drittstaaten) und nicht das Ziel einer gemeinsamen Wirtschafts- und Währungspolitik.
Mit über 40 Staaten und Staatengruppen hat die EU Freihandelsabkommen abgeschlossen. Umstritten sind die Abkommen der "neuen Generation", die neben klassischen Maßnahmen wie dem Abbau von Zöllen und anderen Handelsbeschränkungen weitreichende Vereinbarungen beinhalten, die nach Ansicht von Kritikern zu einer ernsten Bedrohung für Demokratie, staatliche Souveränität und wichtige Bürger- und Menschenrechte führen können. Insbesondere Regelungen zum Investitionsschutz, durch die private Schiedsgerichte (Investor-State Dispute Settlement, ISDS) Strafen in Milliardenhöhe gegen Vertragsstaaten verhängen können, werden als Gefahr angesehen, weil sie die staatliche bzw. EU-Politik zu Privatisierungen (z. B. der Wasserversorgung) oder zum Verzicht auf Maßnahmen zum Arbeits-, Umwelt- oder Verbraucherschutz zwingen könnten.
Der Schengenraum (Gründung 1985/1990), auch Schengengebiet, ist die Gesamtheit der derzeit 27 Staaten ("Schengenstaaten"), die dem Schengener Abkommen beigetreten sind: 23 EU-Staaten (nicht dabei: Bulgarien, Irland, Rumänien und Zypern) sowie Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz. An den Binnengrenzen des Schengenraums finden keine systematischen personenbezogenen Grenzkontrollen mehr statt. Damit verbunden sind eine gemeinsame Politik zum Schutz der Außengrenzen, eine gemeinsame Visapolitik, eine Intensivierung der Zusammenarbeit von Polizei und Justiz und das Schengener Informationssystem (SIS), eine zentrale Datenbank zur Personen- und Sachfahndung.
Am 01.01.2023 trat Kroatien als 27. Land dem Schengenraum bei.
Der Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Gründung: 1999) ist ein politisches Programm der EU, in dem Kooperationen aus den Bereichen der Innen- und Justizpolitik zusammengefasst sind, die zuvor zumeist auf zwischenstaatlicher Ebene entschieden wurden und somit der Einstimmigkeit im Rat bedurften. Durch die Verträge von Amsterdam und Lissabon wurden sie auf die Gemeinschaftsebene übertragen und können nun durch Mehrheitsentscheidungen im Rat und unter Mitsprache des EP weiterentwickelt werden.
Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) siehe bei Europäischer Auswärtiger Dienst.
Die Europäische Nachbarschaftspolitik (ENP; Gründung: 2004) ist ein Programm, das den Nachbarstaaten der EU eine privilegierte Partnerschaft anbietet mit dem Ziel, Wohlstand, Demokratie, Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit und nachhaltige Entwicklung zu fördern. Dadurch soll die Entstehung scharfer Trennlinien an den EU-Außengrenzen zu Nachbarstaaten, die keine Beitrittsperspektive besitzen, verhindert werden.
Quelle: KOSMOS Welt- Almanach & Atlas 2024 © Franckh-Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart 2023.