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Völkerrecht | bpb.de

Völkerrecht

Vorläufer von völkerrechtlichen Regelungen wurden unter dem Begriff siyar (arab. «Kriegszeiten») erstmals in einem Zaid ibn ʿAlī (gest. 738) zugeschriebenen Werk, dem Kitāb al-­majmūʿ, zusammengefasst. Dabei werden Formen der Kriegsführung wie auch des Friedens mit Nichtmuslimen geregelt. Man ging von einer dichotom. Aufteilung der Welt in Interner Link: dār al-­islām (arab. «Bereich des Islams»), d. h. die Interner Link: umma, und dār al-­ḥarb (arab. «Bereich des Krieges») aus. Letzterer war noch durch Interner Link: Jihad zu eroberndes Gebiet unter nichtmuslim. Herrschaft. Gegen Ende der Ausbreitungsphase zerbrach diese Zweiteilung. Mit Herrschern von Gebieten, die Muslime nicht erobern konnten oder wollten, wurden zunehmend Friedensverträge geschlossen. Diese Länder wurden als dār alʿahd oder dār as-­ṣulḥ (arab. «Bereich des Vertrages oder des Friedens») bezeichnet. Bereits im 14. Jh. kam es zu Abkommen mit den italien. Stadtstaaten. Theoret. erkannten diese Verträge den Vertragspartner nicht als gleichberechtigt an, in der Praxis kann man durchaus von Friedensverträgen und einem beginnenden Völkergewohnheitsrecht sprechen. Durch die zunehmenden Kontakte und die Eingliederung v. a. des Osman. Reiches in das Beziehungsnetz der europäischen Staaten in der Neuzeit mussten auch die normativen Vorschriften aus den siyar revidiert werden; die kolonialist. Expansion führte zu einer Definition von Territorium und Grenzen. Im Zeitalter der Nationalstaaten sind territorial definierte souveräne muslim. Staaten Akteure und als Rechtssubjekte anerkannt. Hier erweist sich, dass islam. Rechtstraditionen in vielen Fällen mit dem auf Gewohnheit basierenden V. in Einklang gebracht werden können.

Literatur: Dietrich, R./Pohl, R.: Islam und Friedensvölkerrechtsordnung, 1988. – Piscatori, J.: Islam in a World of Nation States, 1991. – Salem, I. K.: Islam und Völkerrecht. Das Völkerrecht der islamischen Weltanschauung, 1984. – Lohlker, R.: Islamisches Völkerrecht. Studien am Beispiel Granada, 2006.

Autor/Autorinnen:Christian Szyska, M. A., Bonn, Orientalistik

Quelle: Elger, Ralf/Friederike Stolleis (Hg.): Kleines Islam-Lexikon. Geschichte - Alltag - Kultur. München: 6., aktualisierte und erweiterte Auflage 2018.

Fussnoten