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Toleranz | bpb.de

Toleranz

Inwieweit Andersdenkende und -gläubige, Menschen anderer Hautfarbe oder mit von der Norm des Urteilenden abweichenden Bräuchen u. a. geduldet werden (formale T.) oder das Differente gar als gleichwertig anerkannt wird (inhaltliche T.), ist stets abhängig von den histor. Rahmenbedingungen, der Liberalität oder Repressivität der jeweiligen Herrscher und der Aufgeschlossenheit der Gesellschaften. So gab es in der Vergangenheit auch in der ­islam. Welt Zeiten und Orte nicht nur weitestreichender Duldung, sondern sogar befruchtender Akzeptanz und Achtung (etwa der Juden und Christen im muslim. Andalusien des Mittelalters; Interner Link: Schriftbesitzer), aber auch der Inquisition ähnliche Institutionen (z. B. die Verfolgung der Muʿtazila, Anhänger einer rationalist. Glaubenslehre im Bagdad der ersten Hälfte des 9. Jh.). Militant-­islamist. Gruppierungen der Gegenwart erweisen sich als ebenso intolerant wie europäische Neonazis oder Gruppen christlicher Fundamentalisten in den USA, ebenso intolerant zumeist aber auch wie die von ihnen bekämpften, häufig totalitären Regime. Um­gekehrt gibt es heute auch in der islam. Welt einen breiten Konsens darüber, dass T. in einer heutigen Gesellschaft unabdingbar ist. – Siehe auch Interner Link: Apostasie, Interner Link: Blasphemie, Interner Link: Freiheit, Interner Link: Menschenrechte.

Literatur:Noth, A.: «Möglichkeiten und Grenzen islamischer Toleranz», Saeculum 29 (1978), 190 – 204. – Schulze, R.: «Toleranzkonzepte in islamischer Tradition», in Wierlacher, A. (Hg.): Kulturthema Toleranz, 1996, 495 – 514. – Wrogemann, H.: Muslime und Christen in der Zivilgesellschaft, 2016.

Autor/Autorinnen:Prof. Dr. Stephan Guth, Universität Oslo, Islamwissenschaft, Orientalische Philologie, Begriffsgeschichte

Quelle: Elger, Ralf/Friederike Stolleis (Hg.): Kleines Islam-Lexikon. Geschichte - Alltag - Kultur. München: 6., aktualisierte und erweiterte Auflage 2018.

Fussnoten