(auch Sufismus, arab. taṣawwuf). Verschiedene Ziele der islam. M. werden von ihren Vertretern, den Sufis, beschrieben: u. a. das Entwerden des Ich, die Versenkung in Gott und den Propheten, die Verinnerlichung der Interner Link: Scharia, die Erlangung gnostischen Wissens. Mystische Interner Link: Philosophie – als ihr wichtigster Vertreter gilt Ibn ʿArabī (gest. 1240) – beschäftigt sich mit Fragen der Metaphysik und der Anthropologie und schafft so die theoret. Grundlagen für die sufische Ethik und Praxis. Manche Sufis lehnen die Befolgung äußerer Gebote der Scharia ab. Andere sehen diese als erste und unverzichtbare Stufe auf dem sufischen Weg an und formulieren auf der Grundlage des islam. Rechts auch die Normen für das Verhalten des Mystikers. Der Weg wird oft metaphor. als Reise beschrieben: Am Beginn bereut der Adept seine Sünden, dann bemüht er sich, immer höhere Stufen hin zum Ziel der Entwerdung zu beschreiten. Dabei helfen ihm verschiedene Praktiken: die zeitweilige Absonderung, intensives Interner Link: Fasten, nächtliches Wachen, Interner Link: Dhikr u. a. Die meisten Sufis betonen, dass jeder Adept einen Meister (Interner Link: Scheich) braucht, der ihn auf dem Weg leitet. In der islam. Frühzeit gab es lose Meister-Schüler-Verhältnisse, aus denen später Interner Link: Bruderschaften wurden. Durch die gesamte islam. Geschichte zieht sich die Kritik an unorthodoxen Theorien und Praktiken innerhalb des Sufismus, die von Interner Link: Gelehrten, aber auch von Sufis selber geäußert wird. Dennoch bildet die M. seit der Frühzeit einen zentralen Teil der islam. Kultur und ist sowohl in Unterschichten als auch bei Herrschenden und Gelehrten verbreitet. Im 19. Jh. wurde der Sufismus von vielen Vertretern des Interner Link: Reformislam pauschal als «Aberglaube» oder unrechtmäßige Neuerung (arab. bidʿa) abgelehnt. Jedoch werden bis heute sufische Lehren und Praktiken von zahlreichen Muslimen geschätzt. Viele Konvertiten, auch in Deutschland, finden den Weg zum Islam über die Verbindung zu einer sufischen Bruderschaft.
Literatur:Frembgen, J. W.: Reise zu Gott. Sufis und Derwische im Islam, 2000. – Schimmel, A.: Mystische Dimensionen des Islam. Die Geschichte des Sufismus, 1985. – Dies.: Sufismus, 2000.
Autor/Autorinnen:Prof. Dr. Ralf Elger, Universität Halle, Orientalistik
Quelle: Elger, Ralf/Friederike Stolleis (Hg.): Kleines Islam-Lexikon. Geschichte - Alltag - Kultur. München: 6., aktualisierte und erweiterte Auflage 2018.