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Öffentliche Verwaltung | bpb.de

Öffentliche Verwaltung

Jörg Bogumil

Begriffsdefinition

Öffentliche Verwaltungen sind ein vielfältiges Phänomen. Zu ihnen gehören Bürgerämter und Bezirksregierungen, Gefängnisse und Universitäten, Ministerien und Museen, Regulierungsbehörden und Stadtwerke, die Bundesagentur für Arbeit und die Krankenkassen. Es gibt also erhebliche Unterschiede hinsichtlich des Aufgabenbereiches, der Außenbeziehungen und des in den Verwaltungen tätigen Personals. Zudem befinden sich öffentliche Verwaltungen in unterschiedlichen Rechtsformen wie Anstalten, Körperschaften und Stiftungen öffentlichen Rechts und ihre Wirtschaftsunternehmen in unterschiedlichen privaten Rechtsformen (GmbH, AG).

Diese Vielfältigkeit zeigt sich auch in der wissenschaftliche Beschäftigung mit öffentlichen Verwaltungen. Man kann sich mit den Aufgaben und Leistungen öffentlicher Verwaltungen, ihren Verfahrensregeln und tatsächlichen Verfahrensweisen, ihren formellen und informellen Strukturen, ihren Innen- und Außenbeziehungen oder ihrem Personal und seiner Rekrutierung, seinen Karrieremustern, seinen Fähigkeiten, seinen Einstellungen, seinen Motivationen und seinen Frustrationen beschäftigen. Insofern wundert es nicht, dass es keine einheitliche Definition von öffentlicher Verwaltung gibt. Öffentliche Verwaltung lässt sich nach der berühmten Aussage von Ernst Forsthoff nicht klar definieren, sondern nur beschreiben. Dabei lassen sich allerdings zwei zentrale Aussagen treffen. Zum einen liegt ein wesentlicher Unterschied von öffentlichen Verwaltungen zu anderen Organisationen darin, dass sie einer demokratisch legitimierten politischen Steuerung und Kontrolle unterliegen. Zum anderen kann grob zwischen der unmittelbaren Verwaltung, das sind die Gebietskörperschaften der Bundes-, Landes-, Kommunalverwaltungen, und der mittelbaren Verwaltung, dies sind Anstalten des öffentlichen Rechts wie die Bundesagentur für Arbeit, die Deutsche Bundesbank, die Sozialversicherungen, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten und einige andere kleinere Organisationen, unterschieden werden.

Verwaltungszuständigkeiten

Im dt. Verwaltungsföderalismus nehmen die Bundesländer die zentrale Rolle als Vollzugsebene für Bundes- und Landesgesetze ein. Nach dem Grundgesetz (GG) (Art. 30, Art. 83) ist die Verwaltung in D vor allem Aufgabe der Länder und der Gemeinden. Folgende Verwaltungszuständigkeiten sind zu unterscheiden.

  • Bundeseigene Verwaltung

    Nur in wenigen, im GG ausdrücklich aufgeführten Fällen besteht eine bundeseigene Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau. Dies wird als der Bundesvollzug von Bundesgesetzen bezeichnet. Hierzu gehören der Auswärtige Dienst, die Bundesfinanzverwaltung (in der Bund und Länder allerdings auch zusammenarbeiten), die Bundeswasserstraßen und die Schifffahrt, die Bundespolizei und die Bundeswehrverwaltung.

  • Bundesauftragsverwaltung

    Der Landesvollzug von Bundesgesetzen im Bundesauftrag, die sogenannte Bundesauftragsverwaltung, ist ebenfalls eher selten. Hierzu gehören die Verwaltung der Bundesautobahnen und Bundesstraßen, die Luftverkehrsverwaltung, die Genehmigung von Kernkraftwerken und Anlagen zur Lagerung und Wiederaufbereitung radioaktiver Stoffe und die Verwaltung bestimmter Steuern. Im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung besteht ein umfassendes Weisungsrecht des Bundes, dieser übt die Rechts- und die Fachaufsicht aus, trägt allerdings auch die Kosten. Ferner bestimmt er die Ausbildungsvorschriften und ist bei der Bestellung der Leiter von Mittelbehörden beteiligt.

  • Landesvollzug von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheit der Länder

    Die Regel des Verwaltungsvollzugs in Deutschland ist der Landesvollzug von Bundesgesetzen als eigene Angelegenheit der Länder. Die Länder dürfen hier die Einrichtungen der Behörden und das Verwaltungsverfahren selbst bestimmen. Praktisch können die Landesverwaltungen damit bei der Krankenhausplanung, bei der Jugendhilfe, im Umweltschutz, bei der Stadtsanierung und im Baurecht, im Straßenverkehrsrecht und im Ausländerwesen den Spielraum ausschöpfen, den die Gesetze lassen. Der Bund übt hier nur die Rechts-, aber keine Fachaufsicht aus. Die Verwaltungskosten werden hier vom Land getragen, Geldleistungen an die Bürger können bis zu 50 % vom Bund getragen werden.

  • Landesvollzug von Landesgesetzen

    Beim Landesvollzug von Landesgesetzen führen die Landesbehörden, zu denen auch die Kommunen zählen, die Gesetze selbstständig und ohne Mitsprache des Bundes aus. Hierzu gehören vor allem Schulen, Polizei, Denkmalschutz, Theater, Museen, Sport, regionale Strukturpolitik, Wirtschaftsförderung und Landesplanung.

Zusammenfassend sind nur das Auswärtige Amt, die Bundeswasserstraßen, die Bundespolizei, die Finanzverwaltung (teilweise), die Bundeswehrverwaltung sowie die Arbeitsverwaltung (als mittelbare) nach den Privatisierungen von Bahn, Post und Flugsicherung noch Bereiche mit einem eigenständigen bundesstaatlichen Behördenunterbau. Der gesamte Bildungsbereich, das Krankenhauswesen, die Polizei, Umweltschutzmaßnahmen, Straßenbaumaßnahmen (auch Autobahnen und Bundesstraßen), die Finanzämter, Energiemaßnahmen, viele soziale Dienste wie Sozialhilfe, Wohngeld oder Kriegsopferfürsorge und anderes mehr werden von Ländern und Kommunalbehörden bearbeitet.

Verwaltungsorganisation und -aufbau

Grundsätzlich kann zwischen zwei denkbaren theoretischen Grundmodellen der Staatsorganisation, einer horizontalen gebietsbezogenen und einer vertikalen funktionsbezogenen Verwaltungsorganisation unterschieden werden (vgl. Bogumil und Jann 2020, S. 87):

  • Horizontal organisiert heißt, dass es in der Regel keinen durchgängigen Behördenapparat von der Bundes- bis zur Ortsebene gibt, sondern jede Verwaltungsebene ihren abgegrenzten und gebündelten Aufgabenbereich hat. Alle Aufgaben in einem Gebiet werden von einer Verwaltungseinheit erfüllt, deshalb nennt man dieses Modell auch Gebietsorganisationsmodell. Es kommt hier zu einer Bündelung von Verwaltungsaufgaben und einer einheitlichen Verwaltung.

  • Das funktionsbezogene oder vertikale Modell legt besonderen Wert auf die optimale Erfüllung von öffentlichen Teilfunktionen. Es ist gekennzeichnet durch einen durchgängigen Behördenapparat. Für jede abgrenzbare Fachaufgabe wird eine spezielle Organisation geschaffen (z. B. staatliche Sonderbehörden). Hier dominiert die sektorale, spartenhafte Betrachtungsweise und ein aufgabenbezogenes Organisationsmodell. In Deutschland waren z. B. der Auswärtige Dienst, Eisenbahn, Post und Militär schon immer funktional organisiert, aber Beispiele wären auf Landesebene auch staatliche Bereiche wie Forstwirtschaft, Gewerbeaufsicht, Polizei oder Schule.

Grundsätzlich erleichtert das Gebietsorganisationsmodell eher die Harmonisierung und den Ausgleich sich tendenziell störender Aufgaben und die demokratische Kontrolle „vor Ort“, führt damit aber auch eher zur suboptimalen Erfüllung von Aufgaben aus fachlicher Sicht. Das Aufgabenorganisationsmodell führt zur Spezialisierung und Professionalisierung, damit aber auch zur Zentralisierung und erschwerten Kontrolle. Der darin angelegte Konflikt lässt sich in D gut am Bereich der Umweltpolitik verdeutlichen: Normalerweise sind Anhänger der „Grünen“ aufgrund ihrer Vorliebe für möglichst direkte demokratische Kontrolle eher Anhänger des Gebietsorganisationsmodells (starke lokale, bürgernahe und demokratisch kontrollierte Verwaltung), im Bereich des Umweltschutzes sind sie aber oft Verfechter starker staatlicher Sonderbehörden (staatliches Umweltamt, staatlicher Naturschutz), weil sie befürchten, dass bei Entscheidungen auf lokaler Ebene Umweltbelange hinter anderen Entscheidungskriterien zurückstecken müssen. In D existiert ein Mischsystem zwischen dem Gebiets- und Aufgabenorganisationsmodell, ursprünglich mit dem Vorrang der Gebietsorganisation in dem Sinne, dass der größere Teil der Aufgaben vor Ort oder auf der Ebene der Regierungspräsidien gebündet wird, es aber für bestimmte Aufgaben eine spezielle Organisation gibt.

Versucht man bei aller Unübersichtlichkeit in den 13 Flächenländern die Verwaltungsstrukturen zu typisieren, so lassen sich zwei Reformmodelle unterscheiden, die Konsequente Zweistufigkeit und die Konzentrierte Dreistufigkeit (vgl. Tab. 1). Nicht alle der jeweils aufgeführten Länder orientieren sich allerdings in allen Aspekten an diesen Reformmodellen.

Reformmodelle auf Landesebene

Tab. 1

Verwaltungsebene

Konsequente Zweistufigkeit

Konzentrierte Dreistufigkeit

Landesregierung

(Staatskanzleien, Fachministerien)

Acht bis zwölf Ministerien

(in der Regel: Staatskanzlei, Innenministerium, Finanzministerium, Justizministerium, Wirtschaftsministerium, Sozial-/Arbeitsministerium, Kultus-/Wissenschaftsministerium; Landwirtschafts-/Verbraucher-/Umweltministerium

Obere Verwaltungsebene

(Landesoberbehörden, Landesbetriebe)

Konzentration

Reduzierung, Verlagerung in allgemeine Mittelinstanzen

Mittlere Verwaltungsebene

(Regierungspräsidien, fachliche Mittelinstanzen)

(-)

Integration von Aufgaben der oberen und unteren Verwaltungsebene

Untere Verwaltungsebene

(untere Behörden und nachgeordnete Einrichtungen)

Konzentration und Reduzierung durch Kommunalisierung, jedoch weiterhin starke Präsenz

Weitestgehende Reduzierung durch Verlagerung in Mittelinstanz und Kommunalisierung

Kommunale Kreisstufe

(Landkreise, kreisfreie Städte bzw. Stadtkreise)

Aufgabenübernahme staatlicher Aufgaben, ggf. Gebietsreformen

Kreisangehörige Kommunen

(Städte, Gemeinden, Ämter, Verbands-/Samtgemeinden, Verwaltungs- gemeinschaften)

Kapazitätssteigerung für Aufgabenübernahme, ggf. Gebietsreformen, Bildung von Einheitsgemeinden, Interkommunale Zusammenarbeit (IKZ)

Länderzuordnung

BB, MV, NI, SL, SH

BY, BW, HE, NRW, RP, SN,ST, TH

Quelle: Überarbeitung von Ebinger und Bogumil 2016, S. 142

Eine zweistufige Verwaltung ohne allgemeine Mittelinstanz findet sich (mit der Ausnahme von NI) vornehmlich in den einwohnermäßig kleinen Bundesländern (unter 3 Mio. Einwohner, Ausnahmen ST und TH). Hier wird versucht, die durch das Fehlen der Mittelinstanzen in stärkerem Ausmaß vorhandenen Sonderbehörden durch Zusammenführung (Konzentration) oder Umwandlung in Landesbetriebe zu reduzieren. Zudem wird eine Rückführung des Umfangs der unteren Landesverwaltung angestrebt. Dies geschieht durch ihre Integration in obere Landesbehörden oder indem Aufgaben auf Kommunen und Kreise verlagert werden. Das Ausmaß der Kommunalisierung ist abhängig von der kommunalen Gebietsstruktur.

In den meisten Bundesländern (vor allem den größeren Bundesländern mit Ausnahme NI) dominiert dagegen eine dreistufige Verwaltung. Allerdings gibt es verschiedenste Formen von staatlichen Mittelinstanzen. Weder ihre Aufgaben noch ihre Einbindung in die Verwaltungsstruktur sind bundesweit einheitlich. Es lassen sich drei Modelle unterscheiden: der dreistufige Aufbau mit Landesverwaltungsämtern in ST und TH, der dreistufige Aufbau mit funktionalem Aufgabenzuschnitt in RP und der dreistufige Aufbau mit regional ausgerichteten Mittelinstanzen in HE, BW, BY, SN und NRW. In allen drei Modellen wird versucht, eine weitgehende Konzentration staatlicher Aufgabenwahrnehmung auf der Mittelebene (staatliche Bündelung) vorzunehmen, indem insbesondere die Aufgaben der unteren Landesbehörden hierhin verlagert – oder kommunalisiert werden. Durch diese Integration ist häufig sogar ein Aufgabenzuwachs auf der Mittelebene zu beobachten (z. B. in BW).

Neben der Zwei- oder Dreistufigkeit können die Bundesländer nach der Größe der kommunalen Gebietsstruktur unterschieden werden (> Kommunalpolitik). In allen Flächenländern gibt es oberhalb der Gemeindeebene die Verwaltung der Landkreise und kreisfreien Städte. Die drei Stadtstaaten (Berlin, Hamburg, Bremen) sind kreisfreie Städte und Stadtstaaten zugleich (und damit den Ländern gleichgestellt).

Umfang des Öffentlichen Dienstes

Die Gebietskörperschaften (Bund, Länder, Kommunen) und ihre Wirtschaftsunternehmen sind der wichtigste Bereich der öffentlichen Verwaltung in D. Dies wird auch an den Beschäftigenzahlen deutlich. Ende 2017 gab es insgesamt 4,6 Mio. Beschäftigte im öffentlichen Dienst in D. Die meisten Personen arbeiten dabei in den Gebietskörperschaften: in der Verwaltung des Bundes (10 %), in der Verwaltung der Länder (51 %) und in den Kommunalverwaltungen (31 %). Die anderen 8 % arbeiten in der mittelbaren Verwaltung.

Bis Anfang der 1990er-Jahre war es zu einem stetigen Wachstum der Beschäftigtenzahl im öffentlichen Dienst gekommen mit dem Höhepunkt durch die Übernahme ostdt. Bediensteter im Rahmen der Deutschen Einheit im Jahr 1991 mit knapp 6,7 Mio. Beschäftigten. Seit diesem Zeitpunkt ist es im Zuge der Diskussionen um Haushaltskonsolidierung und Privatisierungen (Post, Bahn) zu einem nicht unerheblichen Personalabbau gekommen. Das ganze Ausmaß des Personalabbaus wird sichtbar, wenn man den Vergleich zieht zwischen den Jahren 1991 (dem Höhepunkt des Personalbestands) und 2010. In diesen zwei Jahrzehnten ist die Anzahl der Beschäftigten im unmittelbaren und mittelbaren öffentlichen Dienst einschließlich der Zweckverbände und des Bundeseisenbahnvermögens von 6,7 Mio. auf knapp 4,6 Mio. gesunken. Dies entspricht einem Abbau von 31 %. Berücksichtigt man allerdings die insbesondere auf kommunaler Ebene zu verzeichnenden Ausgliederungen aus den Kernhaushalten (Krankenhäuser, kommunale Wirtschaftsunternehmen, Hochschulen) und den Rückgang der militärischen Beschäftigung nach Ende des Kalten Krieges, so kommt Vesper (2012, S. 43) insgesamt auf einen Personalabbau bis 2012 von 18 %. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Teilzeittätigkeit ständig zunimmt, so dass die reine Zahl der Beschäftigten immer weniger aussagt. (1991 bis zum Jahr 2012 von 16 % auf 33 %).

Deshalb ist die Orientierung an den Vollzeitäquivalenten (VZE) vorzuziehen, die aber erst seit dem Jahr 2000 regelmäßig ausgewiesen wird. Betrachtet man die Entwicklung der letzten 17 Jahre auf diese Weise, so liegen die VZE mit aktuell 4,18 Millionen rund 6 % niedriger als 2000, nachdem zum Zeitpunkt des Tiefstands 2008 der Rückgang bereits bei 11,6 % lag. Die Personalveränderungen folgen aber nicht in allen Teilen des öffentlichen Dienstes dem gleichen Muster. Im Bund nimmt die Zahl der VZE kontinuierlich ab und liegt 2017 mit 474.090 18 % unter der Zahl des Jahres 2000. Im Bereich der Länder steigt seit 2008 die Beschäftigung wieder und liegt nur noch 2 % unter dem Stand des Jahres 2000, nachdem es auf dem Tiefpunkt im Jahr 2008 9,4 % waren. In den Kommunen lag der Beschäftigtenrückgang im Jahr 2008 bei 18,2 %, im Jahr 2017 sind es „nur“ noch 7 % im Vergleich zum Jahr 2000 bezogen auf die VZE. Insgesamt nimmt seit 2008 also die Beschäftigung im öffentlichen Dienst wieder leicht zu, ohne allerdings bisher das Ausgangsniveau des Jahres 2000 zu erreichen.

Verwaltungsreformen

Verwaltungsreformen können als geplante Veränderungen von organisatorischen, rechtlichen, personellen und fiskalischen Strukturen der Verwaltung definiert werden. Sie sind vor allem Sache der Länder und Kommunen, da diese für die meisten Verwaltungstätigkeiten zuständig sind.

Will man die Entwicklung der öffentlichen Verwaltung in D überblicksartig charakterisieren, so kommt man zu einem eher widersprüchlichem Bild. Zum einen gibt es Tendenzen einer außerordentlichen Kontinuität des dt. Verwaltungssystems, aber auf der anderen Seiten sind ebenfalls deutliche Veränderungen unübersehbar. Heute wie vor fünfzig Jahren ist unsere öffentliche Verwaltung durch die Merkmale einer klassischen weberianischen Bürokratie gekennzeichnet, also durch Aktenmäßigkeit, Amtshierarchie, generell geordnete Kompetenzen, Regelgebundenheit der Amtsführung und ähnliches. Die bestimmenden Strukturmerkmale der Verwaltung, sei es im Bereich des Personals (Berufsbeamtentum), der Makro- und Mikroorganisation (Dreistufigkeit, Linienorganisation), der Verfahren (Rechtsförmigkeit, Justiziablilität) und der Finanzen (Kameralistik) wurden, trotz kontinuierlicher Reformversuche, nicht grundlegend verändert.

Aber dennoch ist die öffentliche Verwaltung von 1949 nicht mit der des Jahres 2015 gleichzusetzen, ganz zu schweigen mit der Verwaltung des Kaiserreichs. Die moderne Verwaltung unterscheidet sich aufgrund ihrer Aufgaben, ihres Umfangs, ihrer Differenzierung und Professionalisierung, der Einstellungen und Qualifikationen ihrer Mitarbeiter, ihrer Techniken, Kommunikationsmittel und Verfahrensweisen und nicht zuletzt aufgrund ihrer vielfältigen Verflechtungen mit ihrer gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umwelt und ihrer politischen Steuerung grundlegend von ihren Vorgängern. Überblicksartig lassen sich fünf große Phasen der Verwaltungsreform in Deutschland unterscheiden:

  • die „Aktive Politik“ sowie die kommunale Gebietsreform Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre,

  • die Bemühungen um Entbürokratisierung und Verwaltungsvereinfachung, die Ende der 1970er-Jahre begannen,

  • die Diskussionen um Bürgernähe, Bürgerämter und die Bürgergesellschaft, die ab Ende der 1970er-Jahre begannen,

  • die betriebswirtschaftlich inspirierte Binnenmodernisierung der Verwaltung im Zuge der Public-Managementbewegung und die Privatisierungs- und Liberalisierungsdiskussionen seit Anfang der 1990er-Jahre sowie

  • die neueren Verwaltungsstrukturreformen in den Bundesländern seit Anfang des 21. Jahrhunderts.

Hier ist nicht der Platz ausführlich auf diese Reformen einzugehen (vgl. Bogumil und Jann 2020, S. 290 ff.), allerdings sollen kurz die Möglichkeiten und Grenzen von Verwaltungsreformen betrachtet werden. Bezüglich der Veränderungsbereitschaft von öffentlichen Verwaltungen ist zunächst zu beachten, dass diese komplexere Organisationsziele haben (Rechtsmäßigkeit, Wirtschaftlichkeit, demokratische Legitimität und Effektivität) als private Unternehmen. Zum anderen haben öffentliche Verwaltungen eine besondere Organisationsstruktur. Es gibt im öffentlichen Dienst einen besonderen institutionellen Schutz (Unkündbarkeit, Bestandssicherheit, kaum marktlicher Wettbewerb, gleichberechtigter Zugang zu gesetzlichen Leistungen) sowie eine besondere Form der politischen Steuerung (Parteienwettbewerb). Sowohl die institutionellen Schutzfaktoren als auch die Schwierigkeiten Veränderungsprozesse in Verwaltungen politisch zu steuern führen dazu, dass Veränderungen in öffentlichen Verwaltungen selten intern angestoßen werden.

Verwaltungsreformen scheitern daher vor allem an starken Beharrungskräften in den Organisationen. Es bedarf immer der Schaffung eines institutionellen und auch individuellen Eigennutzes und einer aktiven Gestaltung von Reformprozessen. Nur so ist es möglich, die zum Organisationsalltag gehörenden, aber oftmals wenig thematisierten mikropolitischen Prozesse so zu „steuern“, dass sie im Sinne der Reformmaßnahmen eingesetzt werden können. Immer dann, wenn ein Reformprozess in deutlichem Ausmaß Gewinner und Verlierer produziert, verschärfen sich die mikropolitischen Auseinandersetzungen in Organisationen. Wenn durch Reformmaßnahmen bestehende Kernüberzeugungen und Spielregeln der Akteure in Frage gestellt werden, bringt dies erhebliche Probleme mit sich, da die Produktion von Anreizen zur Veränderung der Spielregeln in der öffentlichen Verwaltung nicht einfach ist.

Angesichts dieser Beharrungskraft wird in der Verwaltungsreformforschung intensiv über mögliche „Erfolgsfaktoren“ von Veränderungsprozessen diskutiert. Allgemeine Erklärungsmerkmale für Reformen sind in der Regel die Bedeutung von Pfadabhängigkeiten, institutionellen Arrangements, Akteuren, Ideen und Gelegenheiten. Bezieht man diese Erklärungsmerkmale auf Reformprozesse in der öffentlichen Verwaltung, so sind angesichts der hier bestehenden institutionellen Rahmenbedingungen und der Akteurskonstellationen die Aussichten für umfassende Verwaltungsreformen prinzipiell begrenzt. Dies ist die ziemlich übereinstimmende Erklärung verschiedener organisations- und steuerungstheoretischer Ansätze. Verwaltungsreformen sind meist keine geplanten Prozesse der Problemlösung, sondern eher schrittweise Anpassungen an veränderte Bedingungen, oftmals orientiert an historisch angelegten Lösungsmustern.

Um die internen Beharrungskräfte zu überwinden und „neue Spielregeln“ zu schaffen, braucht man in der Regel externen Druck. Durch diesen Druck wird es (manchmal) möglich, Einfluss auf Veränderungsprozesse zu erzeugen und die Reformen von außen (mit) zu steuern. Möglichkeiten, Verwaltungen unter Druck zu setzen, sind Haushaltskrisen, der Standort- und Imagewettbewerb sowie der Druck der Bürger (nicht zuletzt durch die Direktwahl der Bürgermeister auf kommunaler Ebene) oder die Herstellung von Öffentlichkeit. Hierdurch gelingt es entweder, dass die Verwaltungen aus Rechtfertigungs- und Legitimationsgründen selbst Reformen ergreifen oder dass sich die Politik genötigt sieht zu handeln, indem sie Sparvorgaben gibt, (selten) klare Vorgaben für Reformen macht oder diese gesetzlich vorschreibt und die Verwaltungen damit verpflichtet. Ein zentrales Problem jedoch bleibt: Verwaltungspolitik als Politik zur Steuerung der Verwaltung (und nicht misszuverstehen als politisches Handeln der Verwaltung) wird weitgehend von der Verwaltung selbst betrieben. Verwaltungsreformen müssen von Verwaltungen selbst umgesetzt werden und hier ergeben sich, wenn die Politik nicht aufpasst und intelligent steuert, zahlreiche Handlungsspielräume die Reformziele zu unterlaufen. Zudem gibt es nicht immer oder sogar eher selten eindeutige und robuste Erkenntnisse über Wirkungsbeziehungen zwischen Verwaltungsreformen und den beabsichtigten Ergebnissen, so dass beabsichtigte Maßnahmen häufig auch noch umstritten sind. Alles in allem sind die Möglichkeiten, Verwaltungen umfassend zu reformieren, begrenzt.

Allerdings ist es im Bereich neuerer Verwaltungsstrukturreformen der Länder in den letzten Jahren der der Politik zum Teil gelungen, umfassende Reformkonzepte gegen den Widerstand von Teilen der Landesverwaltung mittels stark strukturierter und kontrollierter Umsetzungsprozesse, externem Druck über Einsparvorgaben und unter Ausnutzung vorhandener Machtkonstellationen durchzusetzen bzw. die Erreichung bestimmter Reformziele, wie z. B. die Abschaffung von Bezirksregierungen in NI oder die Abschaffung zahlreicher Sonderbehörden in BW, sicherzustellen (vgl. Ebinger und Bogumil 2016, S. 147 ff.).

Verwaltungswissenschaften

Mit den unterschiedlichen Teilaspekten der öffentlichen Verwaltung beschäftigten sich die Verwaltungswissenschaften: die Rechtswissenschaft, die Volkswirtschaftslehre, die Betriebswirtschaftslehre, die Politikwissenschaft, die Soziologie, die Psychologie, die Geschichtswissenschaft, die Rechtsphilosophie oder auch die Staatslehre. In der Rechtswissenschaft geht es vor allem um die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung oder z. B. um das Dienstrecht, in der Volkswirtschaftslehre um die Ursachen und Auswirkungen von öffentlichen Einnahmen und Ausgaben, in der Betriebswirtschaftslehre um Öffentliche Unternehmen und die Effizienz des Verwaltungshandelns, in der Soziologie um die Wechselbeziehungen zwischen Verwaltung und Gesellschaft und die Betrachtung von Verwaltung als Organisationen, in der Psychologie um die Interaktionen der Verwaltung mit ihrer Umwelt und den Menschen und in der Politikwissenschaft um die Verwaltung als Instrument zur Durchsetzung politischer Ziele und die politische Steuerung der Verwaltung. Da Verwaltungswissenschaft von vielen Disziplinen betrieben wird, wird oftmals von Verwaltungswissenschaften im Plural gesprochen, z. B. im Titel der „Deutschen Universität für Verwaltungswissenschaften“ in Speyer.

Dass der Gegenstand Verwaltung eine interdisziplinäre Herangehensweise erfordert, wird auch deutlich, wenn man sich die unterschiedlichen Anforderungen, denen öffentliches Handeln unterworfen ist, vergegenwärtigt. Verwaltungshandeln unterliegt immer verschiedenen Rationalitäten:

  • einem legalen Richtigkeitstest (juristische Rationalität), also die Frage der Legalität, der Gesetzmäßigkeit, der Gleichbehandlung und des Rechtsschutzes,

  • einem Wirtschaftlichkeitstest (ökonomische Rationalität), also die Frage der Effizienz staatlichen Handelns,

  • einem politischen Konsenstest (politische Rationalität im Sinne von politics), also die Frage der demokratischen Verantwortlichkeit und Kontrolle, d. h. der Legitimität der Verwaltung sowie

  • einem funktionalen Wirksamkeitstest (politische Rationalität im Sinne von policy), also die Frage der Effektivität politischer und administrativer Maßnahmen.

Das Problem ist, dass Verwaltungshandeln diesen Tests immer gleichzeitig ausgesetzt ist und es kein übergeordnetes Rationalitätskriterium gibt, so dass interdisziplinärer Austausch nötig ist, um den Gegenstandsbereich voll zu erfassen. Dennoch hat sich in D die Idee einer neuen Disziplin Verwaltungswissenschaft als einer eigenen Disziplin nicht durchsetzen können, sondern es dominiert im Unterschied zu den USA der fachwissenschaftliche Zugang zum Erkenntnisgegenstand „öffentliche Verwaltung“.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Jörg Bogumil

Fussnoten