Gegenstand
Verbraucherpolitik wurde in der politischen Praxis in Deutschland nach 1945 vorrangig entweder als Wettbewerbspolitik oder als Ergänzung dieser verstanden. Das Wohlergehen der Verbraucher galt in der sozialen Marktwirtschaft dann am besten gewahrt, wenn der Wettbewerb funktionierte. Mithin wurde zwar eine starke Stellung des Verbrauchers postuliert (Konsumentensouveränität), ohne allerdings von spezifischen Bedürfnissen und Interessen auszugehen, die nicht im Rahmen der Wettbewerbsordnung zu erfüllen sind oder gar in Konflikt mit dem Ziel der Verbesserung der Wettbewerbsordnung geraten können (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 202; Rick 2018).
Somit galt Verbraucherpolitik weniger als klar umrissenes Politikfeld, denn als Querschnittaufgabe (Janning 2011; Rick 2018, S. 17). Allerdings gab es bereits in den 1970er- und 1980er-Jahren Impulse aus der Verbraucherforschung, die Bedürfnisse und Interessen der Verbraucher in den Fokus des politischen Handelns zu rücken und somit der Verbraucherpolitik ein eigenständiges Zielsystem zu geben (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 3, 206–207). Infolgedessen werden unter Verbraucherpolitik heute alle Aktivitäten und Maßnahmen verstanden, die auf die Verwirklichung von Verbraucherinteressen hinwirken. Oftmals wird explizit der Schutz der Verbraucher als Aufgabe der Verbraucherpolitik hervorgehoben. Doch auch wenn Verbraucherschutzpolitik ein zentrales Element ist, wird Verbraucherpolitik damit nicht hinreichend beschrieben, da sie mehr als den gesundheitlichen und wirtschaftlichen Verbraucherschutz umfasst. Verbraucherpolitik thematisiert u. a. auch nachhaltigen und politischen Konsum sowie sozialpolitische und gesellschaftliche Aspekte des Konsums, aber auch das Verbraucherhandeln, das für das Erreichen verschiedener Ziele, wie Klima- und Umweltschutz, relevant ist.
Verbraucherbegriffe und -bilder
Bezugspunkt von Verbraucherpolitik ist der Verbraucher. Hierbei muss zwischen einem juristischen, merkatorischen und konsumökonomischen Verbraucherbegriff unterschieden werden.
Juristisch betrachtet ist ein Verbraucher im Sinne des § 13 BGB „jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu Zwecken abschließt, die überwiegend weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbstständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden können“, wobei Rechtsgeschäfte auch dann zustande kommen, wenn kein Entgelt gezahlt wird. Im Unterschied dazu beschreibt der merkatorische Verbraucherbegriff eine Person, „die Güter (Waren und Dienstleistungen) gegen Entgelt vom Markt entnimmt oder in Anspruch nimmt“ (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 16). Diese Definition korrespondiert mit einem engen Begriff des Konsums, da es um die Marktentnahme von Gütern und Dienstleistungen geht. Als Konsum in einem weiten Sinne wird jede Nutzung von Gütern und Dienstleistungen zur Bedürfnisbefriedigung verstanden. Mithin ist ein Verbraucher oder Konsument im (weiten) konsumökonomischen Sinne eine Person, „die Güter zur Bedürfnisbefriedigung nutzt“ (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 18).
Verbraucherpolitik wurde vornehmlich auf den merkartorischen Verbraucher bezogen. Allerdings zeigt sich, dass diese Beschränkung angesichts politischer Herausforderungen, etwa bezogen auf sozial-ökologischen Konsum oder neue Konsumformen, nicht sinnvoll erscheint. Der Verbraucher als Bezugspunkt der Verbraucherpolitik muss daher auch unentgeltliche Rechtsgeschäfte (bspw. Einrichtung eines kostenfreien Zugangs zu einem sozialen Netzwerk) und die Nutzung von Gütern (bspw. Ernährung im Haushalt) ergänzt werden (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 21).
Vom Begriff des Verbrauchers sind politische „Frames“, also Leitbilder oder Konzepte, zu trennen, die zeigen, wie Verbraucher von den politischen Akteuren wahrgenommen werden. In der deutschen Verbraucherpolitik dominierte lange Zeit das „Leitbild“ des „mündigen Verbrauchers“, welcher auf der Basis von allen verfügbaren Informationen souveräne und rationale Konsumentscheidungen trifft. Diese Perspektive geht davon aus, dass Informationsasymmetrien zwischen Anbietern und Nachfragern durch Regeln, Gesetze sowie durch die Bereitstellung von Informationen durch möglichst neutrale Anbieter (Verbraucherzentralen, Stiftung Warentest) ausgeglichen werden können, dies bezeichnet man als Informationsparadigma der Verbraucherpolitik (Strünck 2017, S. 130–131).
Dieses Bild der Konsumentensouveränität wurde von der Wissenschaft schon früh in Zweifel gezogen, realistischer sei es, von einer wechselseitigen Abhängigkeit zwischen Anbietern und Nachfragern (Konsumfreiheit) auszugehen (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 202–211). Auf der Basis verhaltenswissenschaftlicher Erkenntnisse schlug 2010 der wissenschaftliche Beirat des damaligen Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz eine differenziertere Sichtweise vor, indem er drei Verhaltensweisen von Verbrauchern identifizierte: vertrauend, verantwortungsvoll, verletzlich (Oehler 2017, S. 22).
Verschiedene Verhaltensdimensionen ergeben sich auch, weil die individuellen Bedürfnisse und Bedarfe (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 5–15) unterschiedlich sind. Deshalb lassen sich die kollektiven Verbraucherinteressen nur schwierig bestimmen, sie sind tendenziell diffus und latent (bspw. Produktsicherheit, Qualität von Gütern und Dienstleistungen). Spezifisch werden Verbraucherinteressen genannt, wenn sie auf bestimmte Gruppen von Verbrauchern bezogen werden können (bspw. sozial benachteiligte Verbraucher) (Strünck 2017, S. 126).
Angesichts der unterschiedlichen sozioökonomischen Voraussetzung und Bedürfnissen kann Verbraucherpolitik nicht von einem einheitlichen Verbraucherbild ausgehen. Die Vielzahl von Zielgruppen, Verhaltensweisen und Bedürfnissen stellt die Verbraucherpolitik vor die Herausforderung, differenzierte Angebote und Instrumente zu entwickeln. Verbraucherpolitik nutzt dabei die klassischen Instrumente der politischen Steuerung (Gesetze und Verbote, Anreize, Informationen, Organisation/Kooperation), über eine Verbesserung des Outcomes der Instrumente durch verhaltensbasierte Ansätze wird in jüngster Zeit diskutiert (Loer und Leipold 2018).
Bereiche und Themengebiete der Verbraucherpolitik
Verbraucherpolitik gliedert sich in mehrere Bereiche, welche die Bedürfnisse der individuellen Verbraucher und ihre kollektiven Interessen adressieren. Die Übergänge zwischen den Bereichen sind nicht immer klar abgrenzbar, da sie eng miteinander verzahnt sind.
Der Bereich Verbraucherschutz umfasst alle Instrumente (Gesetze, Anreize, Informationen und Bereitstellung öffentlicher Güter), die dazu dienen, Gefahren von Verbrauchern abzuwenden. Man differenziert zwischen dem gesundheitlichen und dem wirtschaftlichen Verbraucherschutz. Gesundheitlicher Verbraucherschutz stellt sicher, dass Güter und Dienstleistungen (bspw. Lebensmittel, Kosmetika, Spielwaren) nicht die Gesundheit der Verbraucher beeinträchtigen, und widmet sich der Qualität und den Kosten der medizinischen Versorgung und Pflege. Wirtschaftlicher (oder auch rechtlicher) Verbraucherschutz zielt auf wirtschaftliche Schäden oder Nachteile der Verbraucher, die durch ein Verhalten von Anbietern entstehen, das nicht der geltenden Rechtslage entspricht (bspw. unrechtmäßige Entgelte, Verstöße gegen Preisauszeichnungen) und das sich negativ auf Verbraucher auswirkt, wie benachteiligende Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) oder fehlende Produktinformationen. Praktiken, welche Verbraucher benachteiligen, und deshalb als problematisch erkannt werden, können durch Gesetze und Verordnungen reguliert werden (bspw. Button-Lösung bei Onlinekäufen) (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 191–216).
Auf der individuellen Ebene bietet Verbraucherberatung den Verbrauchern die Möglichkeit, sich über das Verhalten konkreter Anbieter zu beschweren, sich über ihre Rechte zu informieren und Unterstützung in einem Streitfall zu erhalten. Darüber hinaus dient sie der Beratung in spezifischen Lebenslagen und der Unterstützung dabei, vorteilhafte Entscheidungen zu treffen oder das eigene Verhalten zu ändern (bspw. Versicherungsberatung, Umweltberatung, Ernährungsberatung). Erkenntnisse der Verbraucherberatung fließen in die Interessenvertretung und Rechtsdurchsetzung ein. (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 182–186) Das Mittel der Musterfeststellungsklage ergänzt dabei ab November 2018 die Verbandsklagebefugnis der Verbraucherverbände um die Möglichkeit, dass Verbraucher sich der Klage anschließen und Entschädigungszahlungen erhalten können.
Verbraucherinformation zielt zunächst darauf ab, den Verbrauchern durch die Vermittlung von Fakten eine Entscheidungshilfe im Konsumalltag zu geben und dadurch die Informationsasymmetrien gegenüber den Anbietern auszugleichen. Verbraucherinformationen können von Ratgebern und ausführlichen Warentest bis hin zu Angaben von Inhaltsstoffen oder Siegeln reichen. Die Informationssuche und die Qualität der Information variiert nach Güterart (Such-, Erfahrungs- und Vertrauensgüter). In den vergangenen Jahren wurde vermehrt das Informationsparadigma der Verbraucherpolitik infrage gestellt und über die Verbesserung von Verbraucherinformation diskutiert. (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 176–182)
Verbraucherbildung zielt darauf ab, dass Heranwachsende und Erwachsene sich in der Konsumwelt zurechtfinden. Dabei geht es darum, einerseits Alltagskompetenzen zu vermitteln. Andererseits hat Verbraucherbildung das Ziel, die Fähigkeit zur kritischen Reflexion über Konsum und das eigene Konsumhandeln zu ermöglichen (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 187–191).
Als Gruppe sind Verbraucher nur schwer organisierbar, da sie sich ihrer gemeinsamen Interessen nur wenig bewusst sind, zudem sind verbraucherpolitische Maßnahmen oft öffentliche Güter (Trittbrettfahrer-Problem). Deshalb ist die Verbraucherinteressenvertretung in Deutschland hauptsächlich fremdorganisiert, d. h. Personen, Gruppen, staatliche und nicht-staatliche Institutionen handeln stellvertretend für die Verbraucher (Klug 2017; Strünck 2017).
Die Themengebiete der Verbraucherpolitik reichen von Ernährung, Lebensmittel und Gesundheit, über Finanzdienstleistungen, Energieversorgung, Pflege, Mobilität Telekommunikation und Digitalisierung bis hin zu Nachhaltigkeit und sozialen Aspekten des Konsums (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 217–282).
Verbraucherpolitik in der EU
Verbraucherschutz ist gemäß des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ein Bereich geteilter Zuständigkeit, d. h. Mitgliedstaaten können Verbraucherpolitik gestalten, „sofern und soweit die Union ihre Zuständigkeit nicht ausgeübt hat“ (Art. 2, Abs. 2 AEUV, siehe auch Art. 4, Abs. 2, Buchstabe f AEUV). Des Weiteren legt Art. 169 AEUV fest, dass die EU einen „Beitrag zum Schutz der Gesundheit, der Sicherheit und der wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher sowie zur Förderung ihres Rechtes auf Information, Erziehung und Bildung von Vereinigungen zur Wahrung ihrer Interessen“ leistet. Mit der Richtlinie 2011/83/EU setzte die EU faktisch eine Vollharmonisierung des Verbraucherschutzes um, die auf dem Prinzip der Mindestharmonisierung beruht, dass in den in den Verträgen (AEUV) vorgesehen ist. (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 108–111)
Die Zuständigkeit für Verbraucherschutz liegt in der Europäischen Kommission gegenwärtig bei den Kommissaren für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit sowie Justiz, Verbraucher und Gleichstellung. Die zuständigen Generaldirektionen (GD) sind Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (SANTE) und Justiz und Verbraucher (JUST), daneben existiert die 2005 gegründete, einer GD gleichgestellte, Exekutivagentur für Verbraucher, Gesundheit, Landwirtschaft und Lebensmittel (CHAFEA). 2005 hat die Kommission die Europäischen Verbraucherzentren (European Consumer Centres Net/ECC-Net) eingerichtet, in denen Verbraucher Informationen zu ihren Rechten in Europa und kostenlose juristische Unterstützung bei Streitigkeiten mit einem Unternehmen im EU-Ausland, in Island oder Norwegen finden (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 114–115).
Staatliche Akteure in Bund und Ländern
Auf Bundesebene obliegt der wirtschaftliche Verbraucherschutz dem Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV), der gesundheitliche dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) sowie für Arzneimittel und Medizinprodukte dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Den Bundesministerien sind für den gesundheitlichen Verbraucherschutz nachgeordnet: das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL), die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) und das Max Rubner-Institut – Bundesforschungsinstitut für Ernährung und Lebensmittel (MRI) dem BMEL; das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) dem BMG. Im Bereich des wirtschaftlichen Verbraucherschutzes sind folgende Bundesbehörden tätig, die jedoch nicht dem BMJV nachgeordnet sind: das Luftfahrt-Bundesamt (LBA), das Eisenbahn-Bundesamt (EBA) und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungen (BaFin) (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 120–121). Durch die Novelle des Gesetzes zur Wettbewerbsbeschränkung (GWB) 2017 kann auch das Bundeskartellamt (BKartA) Sektoruntersuchungen im Bereich des Verbraucherschutzes durchführen (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 123). Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) und die Datenschutzbeauftragten sind Akteure im Bereich des digitalen Verbraucherschutzes.
Aufgabe der Länder ist die „Unterstützung und Bereitstellung von Verbraucherinformation, -beratung und -bildung“ sowie die „Organisation und Kontrolle der Instrumente der Rechtsdurchsetzung“ (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 125). Die Lebensmittelüberwachung ist in der Regel in drei Stufen organisiert: Die Landesministerien und ihre nachgeordneten Behörden (Landesämter) koordinieren die Überwachung. Regierungspräsidien oder Bezirksregierungen haben die Fachaufsicht über die Überwachungsbehörden der Kreise und kreisfreien Städte, deren Ämter für Lebensmittel- und Veterinärüberwachung die Kontrollen ausführen (Janning 2011, S. 316–342; Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 124–127, 251–256).
Seit 2006 ist die Verbraucherschutzministerkonferenz (VSMK), als Fachministerkonferenz für verbraucherpolitische Themen, ein offizielles Gremium, das jährlich tagt und der neben den Ressortchefs der Länder auch die jeweiligen Bundesminister angehören. In der Länderarbeitsgemeinschaft Verbraucherschutz (LAV), die 2002 als Länderarbeitsgemeinschaft gesundheitlicher Verbraucherschutz (LAGV) geschaffen wurde, koordinieren die Leiter der für den Verbraucherschutz zuständigen Abteilungen in den Fachressorts der Länder insbesondere den Vollzug der Rechtsvorschriften in den Themenfeldern „Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit, sowie Bedarfsgegenstände-, Kosmetik- und Tabaküberwachung, Tiergesundheit, Tierseuchen, Tierarzneimittel, Tierschutz, Qualitätsmanagement im gesundheitlichen Verbraucherschutz sowie das einschlägige Berufsrecht und die von der VSMK wahrgenommenen Themenfelder des wirtschaftlichen und rechtlichen Verbraucherschutzes sowie der Ernährung“ (VSMK o. J.). Aufgabe der LAV ist es, die VSMK und die Agrarministerkonferenz in Verbraucherschutzfragen zu beraten, ihre Aufträge zu bearbeiten und eigene Beschlussvorlagen einzubringen. In den Ländern ist die Ressortzuständigkeit für die Verbraucherpolitik unterschiedlich geregelt, weshalb einige Länder durch zwei Ressortchefs in der VSMK vertreten sind, die aber nur eine Stimme haben (VSMK o. J.).
Gesellschaftliche Akteure
Die Verbraucherinteressenvertretung wird in Deutschland hauptsächlich, von Fremdorganisationen getragen, die unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen. Fremdorganisationen vertreten Interessen advokatorisch und werden vor allem durch Institutionen (bspw. Mitgliedsverbände) initiiert. (Klug 2017, S. 46)
Die Verbraucherzentralen der Länder übernehmen wichtige Funktionen im Bereich der Verbraucherinformation und -beratung, wobei sie im Rahmen der außergerichtlichen Rechtsbesorgung Verbraucher rechtlich beraten und vertreten dürfen. Zudem haben sie das Recht zur Verbandsklage. Die Verbraucherzentralen werden überwiegend durch die Länder gefördert (institutionelle Förderung) und erhalten zusätzlich Projektmittel. Die Verbraucherzentralen bieten Verbraucherberatung vor Ort. Allein Nordrhein-Westfalen verfügt über 61 Beratungsstellen, diese werden paritätisch durch Länder und Kommunen finanziert. In den übrigen Bundesländern ist die Finanzierung anders geregelt, überwiegend werden Landesmitteln zur Verfügung gestellt.
Die Mitglieder der Verbraucherzentralen sind hauptsächlich Verbände, „deren Haupt- und Nebenzweck die Wahrnehmung von Verbraucherinteressen ist“ (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 159). Die Verbraucherzentralen der Länder und andere Verbände sind Mitglieder im Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), der aus der Fusion dreier Verbraucherverbände 2001 entstanden ist und die Verbraucherinteressen gegenüber der Bundesregierung und in der EU vertritt.
Die Stiftung Warentest, die 1964 als selbstständige rechtsfähige Stiftung mit Mitteln der Bundesregierung gegründet wurde (Rick 2018, S. 296–331), hat die Aufgabe, vergleichenden Test von Waren und Dienstleistungen durchzuführen, die in den Zeitschriften „test“ und „Finanztest“ veröffentlicht werden. Diese Publikationen, Lizenzgebühren für die Verwendung der Testergebnisse durch Anbieter und die Zinseinnahmen aus dem 2016 erhöhten Stiftungskapital bilden die Einnahmequellen der Stiftung (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 156–157).
Eine Selbstorganisation stellt die 1985 gegründete Verbraucher Initiative e. V. (VI) dar. Ihren rund 7000 Mitglieder bietet sie vor allem Beratung und den Bezug der Vereinspublikationen. Der Verein erhält keine staatliche Grundfinanzierung, wohl aber Projektmittel (Jaquemoth und Hufnagel 2018, S. 158–159). Neben den Verbänden, die allgemeine Verbraucherinteressen vertreten, existieren Organisationen die spezielle Interessen vertreten, wie der Deutsche Mieterbund (DMB), Foodwatch oder Verkehrsverbände wie ADAC, ADFC, ProBahn oder der Verkehrsclub Deutschland e. V.
Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Christian Bala