Begriffsbestimmung, Ziele, Träger1
Traditionell ist die Agrarpolitik „der Teilbereich der allgemeinen Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik, der schwerpunktmäßig auf die Landwirtschaft und die mit ihr verbundenen Wirtschaftsbereiche und Bevölkerungsgruppen“ (Henrichsmeyer und Witzke 1991, S. 13) und in jüngerer Zeit auch über die Landwirtschaft hinaus auf die Entwicklung ländlicher Räume ausgerichtet ist. Wichtige Teilbereiche der Agrarpolitik sind die Markt-, Preis- und Einkommenspolitik, die Agrarstrukturpolitik, die Agrarumweltpolitik, die ländliche Entwicklungspolitik, die Agrarsozialpolitik und die landwirtschaftliche Bodenmarktpolitik. Die Agrarpolitik in Deutschland wird – außer der Agrarsozialpolitik und der landwirtschaftlichen Bodenmarktpolitik – wesentlich durch die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) der Europäischen Union bestimmt.
Die gesetzlich proklamierten Ziele der Agrarpolitik sind in Deutschland seit über 60 Jahren unverändert im Landwirtschaftsgesetz von 1955 festgeschrieben: (1) Teilnahme der Landwirtschaft an der volkswirtschaftlichen Entwicklung, (2) bestmögliche Versorgung der Bevölkerung mit Ernährungsgütern, (3) Ausgleich der naturbedingten und wirtschaftlichen Nachteile der Landwirtschaft, (4) Steigerung der Produktivität und (5) Angleichung der sozialen Lage der in der Landwirtschaft Tätigen an die vergleichbarer Berufsgruppen („Paritätsziel“). Die ähnlich 1957 in Art. 39 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft festgelegten Ziele der GAP finden sich im heute maßgeblichen Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union unverändert in Artikel 39. Dieser Zielkatalog der GAP wurde auf EU-Ebene im Zeitablauf mittels sogenannter Querschnittsklauseln erweitert, die bei der Festlegung und Durchführung der Politiken der EU – und damit auch der GAP – zu berücksichtigen sind. Dies betrifft Ziele des Umwelt- und Klimaschutzes, der ländlichen Entwicklung sowie des Tierschutzes.
Für die Förderperiode 2014–2020 sind folgende Ziele der GAP in der entsprechenden EU-Verordnung aufgeführt: (i) rentable Nahrungsmittelerzeugung mit Schwerpunkt auf den landwirtschaftlichen Einkommen, der Produktivität in der Landwirtschaft und der Preisstabilität, (ii) nachhaltige Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen sowie Klimaschutzmaßnahmen und (iii) ausgewogene räumliche Entwicklung mit Schwerpunkt auf Beschäftigung, Wachstum und Armutsbekämpfung im ländlichen Raum (für eine ausführliche Diskussion dieser Ziele siehe WBAE 2018, S. 7–16). Ähnliche Zielformulierungen finden sich auch im „Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung“ von 2015, in dem zudem „ein Beitrag zur Sicherung der Welternährung“ als weiteres Ziel aufgeführt wird (BMEL 2015a, S. 9). Im „Agrarpolitischen Bericht der Bundesregierung“ von 2019 wird als Leitbild „eine nachhaltige, ökologisch verantwortbare, ökonomisch leistungsfähige und regional verankerte Landwirtschaft, die einen angemessenen Beitrag zur Erhaltung oder Schaffung attraktiver, lebenswerter und vitaler ländlicher Regionen leistet“ (BMEL 2019, S. 9), formuliert.
Die wichtigsten agrarpolitischen Entscheidungsträger sind auf EU-Ebene die Europäische Kommission, der für Landwirtschaft zuständige Rat der Europäischen Union („Agrarministerrat“) und das Europäische Parlament, auf nationaler und Länderebene der Bundestag, der Bundesrat und die Landtage sowie die für Landwirtschaft zuständigen Ministerien. Zudem kommt im Bereich der Agrarumweltpolitik den für Umwelt zuständigen Ministerien eine wichtige Bedeutung zu. Die Agrarpolitik ist damit durch eine ausgeprägte Mehrebenenverflechtung gekennzeichnet (Weingarten et al. 2015). Bei den agrarpolitischen Einflussträgern hat seit den 1990er-Jahren eine Pluralisierung stattgefunden. Die nach wie vor einflussreichen landwirtschaftlichen Berufsverbände haben tendenziell an Einfluss verloren, Umwelt-, Tierschutz- und Verbraucherverbände an Bedeutung gewonnen.
Die Gemeinsame Agrarpolitik der EU
Die GAP wurde in den letzten Jahrzehnten von einer einkommensorientierten und marktverzerrenden Agrarpreispolitik hin zu einer wettbewerbsorientierten Politik mit direkten, flächengebundenen Einkommenstransfers an Landwirte (Direktzahlungen) sowie freiwilligen agrarstrukturellen, agrarumweltpolitischen und regionalpolitischen Fördermaßnahmen (Politik zur Entwicklung ländlicher Räume) weiterentwickelt. Markt-, Preis- und Einkommenspolitik in Form von Direktzahlungen bilden heute die sogenannte 1. Säule der GAP. Maßnahmen der 1. Säule werden vollständig aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGFL) finanziert. Als 2. Säule wird die „Politik zur Entwicklung ländlicher Räume“ bezeichnet, ein „Hybrid aus Agrar-, Umwelt- und Regionalpolitik“ (Weingarten et al. 2015, S. 25). Maßnahmen der 2. Säule werden von der EU aus dem Europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des Ländlichen Raums (ELER) finanziert, müssen aber vom jeweiligen Mitgliedstaat kofinanziert werden.
Derzeitige Ausgestaltung der GAP
Zur Regelung der Agrarmärkte wurden in den 1960er-Jahren Marktordnungen geschaffen. Kennzeichnend für diese waren zumeist ein hoher Außenschutz, hohe Mindesterzeugerpreise und staatliche Aufkäufe zur Preisstützung sowie Exportsubventionen, um Überschüsse auf dem Weltmarkt absetzen zu können. Seit 1992 wurde die Preisstützung sukzessive reduziert und die Agrarpreise in der EU wurden an das Weltmarktpreisniveau angeglichen.2 Zum Ausgleich wurden Direktzahlungen eingeführt. Auf diese entfielen 2014 in der EU mit 41,6 Mrd. € über 70 % aller EU-Agrarausgaben. Exportsubventionen wendet die EU seit 2011 nicht mehr an. Zugenommen hat in den letzten Jahrzehnten die Bedeutung von Maßnahmen der Politik zur ländlichen Entwicklung. Auf sie entfiel 2014 über ein Fünftel der EU-Agrarausgaben.
In der Finanzperiode 2014–2020 sind die nun „begrünten“ Direktzahlungen weiterhin das wichtigste agrarpolitische Instrument. Auf sie entfallen 73 % des gesamten EU-Agrarhaushalts bzw. in Deutschland bis 2020 jährlich rund 4,9 Mrd. € oder ca. 285 € je Hektar (ha) landwirtschaftlich genutzter Fläche, darunter ca. 178 €/ha für die Basisprämie als Einkommensgrundsicherung und ca. 86 €/ha für die Greening-Prämie („Zahlung für dem Klima- und Umweltschutz förderliche Landbewirtschaftungsmethoden“, BMEL 2015b). Für letztere müssen Landwirte drei Bedingungen erfüllen, die sich auf die Vielfalt der angebauten Kulturen, den Erhalt von Dauergrünland und die Nutzung von mindestens 5 % der Ackerflächen des Betriebs als ökologische Vorrangflächen beziehen.
Noch bestehende, die Produktionsmenge begrenzende Marktregelungen wurden abgeschafft bzw. reformiert. Die Milchproduktion unterliegt seit dem Ende der Milchquotenregelung zum 31.03.2015 keiner Begrenzung mehr. Das Zuckerquotensystem, das Landwirten innerhalb bestimmter Produktionsmengen einen Mindestpreis garantierte, ist zum 30.09.2017 ausgelaufen. Produktionsbegrenzende Regelungen bestehen damit im Wesentlichen nur noch auf dem Weinmarkt. Staatliche Interventionskäufe oder Beihilfen für private Lagerhaltung kommen nur noch bei Marktkrisen zur Anwendung (so im Rahmen der Milchkrise 2016) und stellen ein Sicherheitsnetz dar.
Die Politik zur ländlichen Entwicklung (2. Säule der GAP) verfolgt folgende drei Ziele: „a) Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft, b) Gewährleistung der nachhaltigen Bewirtschaftung der natürlichen Ressourcen und Klimaschutz, c) Erreichung einer ausgewogenen räumlichen Entwicklung der ländlichen Wirtschaft und der ländlichen Gemeinschaften“ (Art. 4 VO (EU) Nr. 1305/2013). Diese Ziele werden durch sechs Prioritäten untersetzt. Von diesen sind vier stark auf die Landwirtschaft (Wettbewerbsfähigkeit, Umweltwirkungen) ausgerichtet und nur die Priorität 6 (Soziale Eingliederung, Armutsbekämpfung und wirtschaftliche Entwicklung) adressiert ländliche Entwicklung in einem umfassenderen Sinne. An EU-Mitteln stehen in Deutschland für die von den Bundesländern erstellten Programme zur ländlichen Entwicklung für 2014 bis 2020 rund 8,3 Mrd. € zuzüglich 1,1 Mrd. € aus der Umschichtung von Mitteln aus der 1. Säule zur Verfügung. Aus EU, Bund und Ländern stehen in Deutschland insgesamt rund 16,8 Mrd. € an öffentlichen Mitteln zur Verfügung. Dem Bund kommt insbesondere über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“ (GAK) (Bundesmittel 2018: 765 Mio. €) eine koordinierende und mitfinanzierende Rolle zu.
Fazit zur bisherigen Entwicklung der GAP
Die seit Anfang der 1990er-Jahre erfolgte Abkehr von der „alten“, einkommensorientierten Agrarpreispolitik hin zu einer stärker markt- und wettbewerbsorientierten Agrarpolitik mit direkten, von der aktuellen Produktion entkoppelten Einkommenstransfers ist grundsätzlich positiv zu sehen. Die Reformen haben geholfen, Preisverzerrungen abzubauen, und haben damit zu einer besseren Faktorallokation beigetragen und somit Wohlfahrtsverluste reduziert. Sie haben den Weg zu einer stärkeren Öffnung der Weltagrarmärkte und einer Angleichung der Agrarpreise in der EU an das Weltmarktniveau geebnet. Da die Stützung landwirtschaftlicher Einkommen über entkoppelte Direktzahlungen wirksamer als über gestützte Erzeugerpreise geleistet werden kann, haben die Reformen die Transfereffizienz verbessert, auch wenn bei beiden ein Teil der Stützung über den Bodenmarkt an die Bodeneigentümer weitergereicht wird. Die Reformen haben zudem die öffentlichen Finanzhilfen an die Landwirtschaft begrenzt und verlässlicher planbar gemacht. Nicht zuletzt haben sie dazu beigetragen, die Konsumenten zu entlasten, und mit der 2. Säule der GAP ein Instrumentarium geschaffen, mit dem Gemeinwohlleistungen der Landwirtschaft gezielt honoriert werden können und die Entwicklung ländlicher Räume unterstützt werden kann.
Der von wissenschaftlicher Seite vielfach empfohlene schrittweise Ausstieg aus dem Direktzahlungssystem und der Ausbau der gezielten Honorierung öffentlicher Güter erfolgten bisher jedoch nicht. Die erfolgte „Begrünung“ der Direktzahlungen hat zwar geringe positive Auswirkungen auf die Biodiversität und den Klimaschutz. Mit gezielteren, regional zugeschnittenen Maßnahmen, die über die 2. Säule der GAP umgesetzt werden könnten, ließe sich bei gleichem Finanzmitteleinsatz aber ein deutliches Mehr an Umwelt- und Klimaschutzleistungen erzielen. Der administrative Aufwand sowohl für die Agrarverwaltungen als auch Landwirte und andere Antragsteller ist weiter angestiegen.
Die GAP nach 2020
Im Juni 2018 veröffentlichte die Europäische Kommission ihre Legislativvorschläge für die GAP in der Finanzperiode 2021–2027.3 Die bisherigen agrarpolitischen Ziele finden sich darin weitgehend unverändert wieder, und Direktzahlungen sollen weiterhin das finanziell bedeutendste agrarpolitische Instrument bleiben. Die wichtigste vorgeschlagene Neuerung stellt der nationale GAP-Strategieplan dar, der das Kernelement des sogenannten neuen Umsetzungsmodells ist. Im Strategieplan legt jeder Mitgliedstaat für 2021–2027 quantitative Zielwerte für die in der Strategieplan-Verordnung aufgeführten Ziele fest und benennt die Interventionen (Maßnahmen) in der 1. und 2. Säule zur Erreichung dieser Zielwerte. Die Strategiepläne sind der Europäischen Kommission zur Notifizierung vorzulegen. Im Vergleich zur derzeitigen Finanzperiode beschränkt sich die Europäische Kommission den Verordnungsentwürfen zufolge stärker als bisher auf die Vorgabe von Zielen und Rahmenbedingungen und gibt dem jeweiligen Mitgliedstaat deutlich mehr Spielräume für die Umsetzung.
Die Legislativvorschläge werden derzeit intensiv diskutiert, wobei viele Detailregelungen noch ausstehen. Unter Subsidiaritätsgesichtspunkten ist die vorgesehene stärkere Verlagerung von Kompetenzen zu den Mitgliedstaaten zu begrüßen. Der zu erstellende nationale Strategieplan ist allerdings nicht auf föderale Mitgliedstaaten wie Deutschland ausgerichtet. Hier werden der Bund, in dessen Kompetenz die Direktzahlungen fallen, und die Bundesländer, die für die 2. Säule zuständig sind, die zukünftige Aufgabenteilung klären müssen. Ob Deutschland den größeren Handlungsspielraum nutzen wird, um die Agrarpolitik inhaltlich stärker auf Gemeinwohlziele auszurichten oder am Status quo festzuhalten, bleibt abzuwarten. Die Legislativvorschläge ermöglichen beides (für eine ausführliche Diskussion der Legislativvorschläge, siehe WBAE 2019a, b).
Agrarumweltpolitik
Die Agrarumweltpolitik in Deutschland wird einerseits stark von Vorgaben der EU beeinflusst – etwa der ELER-Verordnung (Förderung umwelt- und klimafreundlicher Produktionsverfahren), der Nitrat- und der Wasserrahmenrichtlinie (Gewässerschutz) oder der Flora-Fauna-Habitat (FFH)- und der Vogelschutzrichtlinie (Naturschutz). Andererseits besteht aber Spielraum, wie die Mitgliedstaaten den Rahmen nutzen bzw. in nationales Recht umsetzen. In einzelnen Bereichen wie dem Bodenschutz liegen die Kompetenzen bis heute vollständig bei den Mitgliedstaaten.
In der GAP haben Agrarumweltmaßnahmen seit Anfang der 1990er-Jahre stark an Bedeutung gewonnen. Diese setzen Landwirten, die freiwillig an solchen Maßnahmen teilnehmen, finanzielle Anreize, umweltfreundlicher zu produzieren als es das bestehende Ordnungsrecht erfordert. Gleichzeitig wurde in den letzten Jahrzehnten das Ordnungsrecht verschärft, wobei allerdings oftmals ein Vollzugsdefizit beklagt wird. Durch die Einführung von Cross Compliance hat sich diese Situation tendenziell verbessert, da Verstöße gegen das Fachrecht, soweit es bei Cross Compliance einbezogen ist, Kürzungen der Direktzahlungen nach sich ziehen können. Neben ordnungsrechtlichen und anreizorientierten Instrumenten kommt in der Agrarumweltpolitik insbesondere der Beratung eine wichtige Bedeutung zu.
Agrarsozialpolitik
Die Agrarsozialpolitik liegt nahezu ausschließlich in der Kompetenz der Mitgliedstaaten. In Deutschland erfolgt die Absicherung von landwirtschaftlichen Unternehmern sowie deren Ehegatten und mitarbeitenden Familienangehörigen nicht im Rahmen der allgemeinen Sozialversicherungssysteme, sondern durch Sondersysteme (landwirtschaftliche Alterssicherung, landwirtschaftliche Kranken- und Pflegeversicherung, landwirtschaftliche Unfallversicherung). Mit 4,0 Mrd. Euro entfallen 2018 66 % des Agrarhaushalts des Bundes auf die Agrarsozialpolitik. Die Landwirtschaft weist seit Jahrzehnten eine Verringerung der Anzahl der Erwerbstätigen auf, woraus eine ungünstige Relation von Beitragszahlern und Leistungsempfängern resultiert, z. B. von 1:2,9 (2016) in der Alterssicherung. Bundeszuschüsse zum Ausgleich der strukturwandelbedingten Defizite sind daher gerechtfertigt. Gleichzeitig stellen Bundeszuschüsse zu den Agrarsozialversicherungen weiterhin eine der wenigen nationalen Möglichkeiten dar, Einkommenspolitik für Landwirte zu betreiben.
Landwirtschaftliche Bodenmarktpolitik
Boden ist unvermehrbar und immobil und daher ein besonderer Produktionsfaktor. Nach dem Grundstückverkehrsgesetz bedürfen Kaufverträge über land- und forstwirtschaftliche Grundstücke grundsätzlich einer Genehmigung. Wichtigster Versagungsgrund ist eine durch die Veräußerung entstehende „ungesunde Verteilung von Grund und Boden“. Demnach kann die Veräußerung an einen Nichtlandwirt versagt werden, wenn gleichzeitig ein zu den Bedingungen des Kaufvertrages kaufwilliger und -fähiger Landwirt vorhanden ist. In den letzten zehn Jahren sind die Kauf- und Pachtpreise für landwirtschaftliche Flächen in Deutschland stark gestiegen. So hat sich der durchschnittliche Kaufpreis im Zeitraum von 2008 bis 2017 für Deutschland insgesamt um 142 % erhöht, in den ostdeutschen Bundesländern sogar um 214 %. Deshalb und wegen des gestiegenen Interesses außerlandwirtschaftlicher und überregional aktiver Investoren an landwirtschaftlichen Flächen bzw. Betrieben (Tietz 2017) werden bodenmarktpolitische Ziele und Instrumente seit mehreren Jahren intensiv diskutiert.
Für die Agrarpolitik relevante weitere Politikfelder
Neben der Agrarpolitik haben weitere Politikfelder zunehmend an Bedeutung für die Landwirtschaft in Deutschland und damit indirekt auch für die Agrarpolitik gewonnen. Beispielsweise hat die Energiepolitik mit der 2004 erfolgten Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes zu einem Boom in der Erzeugung von Biogas geführt. 2016 wurden in Deutschland auf 1,4 Mio. ha (11,9 % der Ackerfläche) Pflanzen für Biogasanlagen angebaut. Der gesamte Energiepflanzenanbau umfasste 2,4 Mio. ha (20,2 % der Ackerfläche). Der Tierschutzpolitik kommt angesichts einer schwindenden gesellschaftlichen Akzeptanz für die derzeitige Nutztierhaltung eine wachsende Bedeutung zu. Die Klimapolitik wird zukünftig verstärkt auch die Treibhausgas- und Ammoniakemissionen aus der Landwirtschaft in den Blick nehmen. Die Technologiepolitik wird über die Förderung oder Hemmung neuer Technologien – z. B. im Bereich der Gentechnik oder der Digitalisierung – die Wettbewerbsfähigkeit der Landwirtschaft beeinflussen. Auch wenn die 2. Säule der GAP der Politikbereich ist, der die Förderung ländlicher Räume explizit im Namen trägt, so gibt es eine Vielzahl anderer raumwirksamer Politikmaßnahmen. Die Maßnahmen der Bundesregierung zur Umsetzung der Ergebnisse der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ von 2019 sehen unter anderem vor, mit einem neuen gesamtdeutschen Fördersystem strukturschwache Regionen gezielt zu fördern, was auch für die Entwicklung ländlicher Räume von Bedeutung sein wird.
Ausblick
In Kürze stehen wichtige Entscheidungen über die Legislativvorschläge zur GAP 2021–2027 an, die die Agrarpolitik in der EU und in Deutschland für das nächste Jahrzehnt prägen werden. Es zeichnet sich ab, dass die Entscheidungen so spät fallen werden, dass zumindest für das erste Jahr der neuen Förderperiode (2021), wahrscheinlich auch für 2022 Übergangsregelungen erlassen werden müssen. Es ist noch nicht abzusehen, wie Deutschland den in den Legislativvorschlägen vorgesehenen größeren Handlungsspielraum nutzen wird.
Laut Koalitionsvertrag der Bundesregierungsparteien soll die GAK „mit Blick auf die Herausforderungen von Demografie und Daseinsvorsorge […] um ländliche Entwicklung ergänzt werden“ (CDU et al. 2018, S. 84). Der 2018 eingeführte GAK-Sonderrahmenplan „Förderung der ländlichen Entwicklung“ soll in den nächsten Jahren finanziell weiter ausgebaut werden. Zu begrüßen wäre es, wenn eine Weiterentwicklung der GAK zu einer stärkeren räumlichen Fokussierung genutzt würde.
In der Agrarumweltpolitik sind verstärkte Anstrengungen erforderlich, um umweltpolitische Ziele z. B. im Gewässer-, Biodiversitäts- oder Klimaschutz, zu deren Einhaltung Deutschland sich verpflichtet hat, zu erreichen bzw. weniger stark zu verfehlen. Im Bereich der Bodenmarktpolitik werden Änderungen diskutiert, die die Position von Landwirten gegenüber Nichtlandwirten stärken sollen.
Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Peter Weingarten