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Währungspolitik – Währungsreformen | bpb.de

Währungspolitik – Währungsreformen

Uwe Andersen

Spätestens seit Bodin gilt die Währungshoheit als ein wesentliches Souveränitätsmerkmal von Staaten. Der korrespondierende Grundsatz „ein Staat – eine Währung“ lässt sich auch an der Entwicklung in D verfolgen. Erst mit der Bildung des Deutschen Reiches 1871 kam es auch zur Einführung einer einheitlichen dt. Währung, deren Bindung an Goldreserven 1914 aufgehoben wurde. Die dt. Erfahrungen belegen auch nachdrücklich die mit der Währungshoheit verbundenen staatlichen Missbrauchsmöglichkeiten. Die Finanzierung des Ersten Weltkrieges und der aus der Niederlage resultierenden unmittelbaren Nachkriegsbelastungen führte zu einer der schlimmsten Inflationen, die die Welt gesehen hat. Die notwendig gewordene erste Währungsreform 1923 (Einführung der Rentenmark auf der Basis 1 Rentenmark = 1 Billion alte Reichsmark) entwertete vor allem das Geldvermögen der Mittelschichten und entfremdete diese der Weimarer Republik.

Die Währungsreform 1948 und die Folgen

Der Zweite Weltkrieg wurde vom Dritten Reich vor allem über die Notenpresse finanziert, sodass nach Kriegsende eine gigantische Geldmenge einer geringen Menge produzierter Güter gegenüberstand. Die aus dem Missverhältnis resultierende Inflation wurde zwar durch die rigorose staatliche Preiskontrolle äußerlich zurückgestaut, äußerte sich aber in der Verlagerung des Warenaustausches auf den „Schwarzmarkt“ und währungspolitisch im Funktionsverlust der Reichsmark, die partiell durch die „Zigarettenwährung“ – amerikanische Zigaretten als Tauschmittel und Rechnungseinheit – ersetzt wurde.

Schon während des Krieges war in dt. Expertenkreisen erstaunlich offen diskutiert worden, wie der enorme Geldüberhang nach dem Ende des Krieges zu beseitigen sei. Nach vergeblichen Verhandlungen zwischen den vier Siegermächten entschlossen sich die westlichen Alliierten für ihre Besatzungszonen zu einem einseitigen radikalen Währungsschnitt. Die am 21.06.1948 technisch effizient durchgeführte Währungsreform wurde von den Siegermächten verantwortet, auch wenn dt. Experten an der Vorbereitung maßgeblich mitgewirkt hatten. Sie brachte mit der Einführung der neuen Deutschen Mark (DM) eine weitestgehende Enteignung des Geldvermögens (Umstellungsverhältnis in der Regel 100 RM: 6,50 DM, bei den vor Kriegsbeginn vorhandenen „Altsparguthaben“ 100:20). Verteilungspolitisch wurde die mit der Währungsreform verbundene starke Begünstigung des Sachvermögens und damit auch der Großvermögen durch den erst 1952 unter dt. Verantwortung durchgeführten Lastenausgleich nur in engen Grenzen korrigiert. Die Sowjetunion reagierte auf die westdt. Währungsreform wenige Tage später mit der Einführung einer eigenen Währung (Mark Ost) für ihre Besatzungszone. In der DDR-Interpretation ist die westdt. Währungsreform Ursache der Teilung Ds und Ausdruck des westlichen Spaltungswillens gewesen. Tatsächlich dürfte die dt. Teilung im Kontext des aufziehenden Ost-West-Konflikts nicht zu verhindern und die Währungsteilung nur, allerdings symbolträchtiger, Ausdruck dieser Entwicklung hin zur staatlichen Teilung Ds gewesen sein.

Ungeachtet zeitweiliger wissenschaftlicher Kontroversen über die reale Bedeutung der Währungsreform für das „Wirtschaftswunder“ in der BRD muss die Schaffung einer soliden Währungsbasis als ein Schlüsselfaktor für die Soziale Marktwirtschaft angesehen werden. Die Geschichte der von der unabhängigen Deutschen Bundesbank gesteuerten DM gilt auch international als ausgesprochene Erfolgsgeschichte. Die DM entwickelte sich im Zuge der wachsenden weltwirtschaftlichen Integration der BRD zu einer der angesehensten und härtesten internationalen Währungen, auch wenn der innere Kaufkraftverlust mit einer durchschnittlichen Inflationsrate von knapp 3 % jährlich nicht zu vernachlässigen ist. Ausdruck des internationalen Ansehens war die Entwicklung zur zweitwichtigsten „Reservewährung wider Willen“, d. h. nach dem US-Dollar stellte die DM den höchsten Anteil an den Währungsreserven der nationalen Zentralbanken und privater Anleger.

Innerdeutsche Währungsunion

Die Mark Ost hatte innerhalb der zentral geplanten DDR-Wirtschaft eine sehr viel geringere Bedeutung. Die DDR-Währung war nach Westen hin nicht konvertibel, und selbst innerhalb des Ostblocks blieb die Währungsintegration auf einem sehr niedrigen Entwicklungsstand. Der „Hunger“ nach westlichen Devisen veranlasste die DDR-Führung in den 80er-Jahren zu relativ freizügigen Regelungen für die DDR-Bürger mit Zugang zu Westgeld („Exquisitläden“ mit sonst nicht erhältlichen Waren gegen Devisen, DM-Konten). Damit wurde eine neue „Klassenspaltung“ nach dem Kriterium Verfügbarkeit über DM erstaunlicherweise in Kauf genommen und die Währung des westdt. „Klassenfeindes“ de facto zur Leitwährung der DDR-Bürger. Vor diesem Hintergrund ist auch der große Symbolwert der DM für die DDR-Bürger verständlich, der in der revolutionären Umbruchphase sich in Parolen wie „kommt die DM nicht zu uns, gehen wir zu ihr“ äußerte.

Das Angebot Bundeskanzler Kohls für eine innerdt. Währungsunion im Feb. 1990 war eine politische Entscheidung der Regierung, die die Deutsche Bundesbank loyal akzeptiert hat. Auch die Umstellungskurse für die am 01.07.1990 technisch wiederum hocheffizient von der Deutschen Bundesbank durchgeführte Währungsreform in der (noch) DDR waren politische Entscheidungen unter dem Erwartungsdruck der DDR-Bürger. Während die laufenden Posten wie Löhne, Mieten etc. im Verhältnis 1:1 umgestellt wurden, galt für die Bestandsgrößen Bankguthaben, Unternehmensschulden etc. prinzipiell ein Umstellungskurs von 2:1, wobei allerdings unter sozialen Kriterien kleinere Guthaben auch 1:1 getauscht wurden. Insgesamt ergab sich für das private Geldvermögen ein Umstellungsverhältnis von 1,7 : 1, das unter Verteilungsgesichtspunkten und im Vergleich zu 1948 als ausgesprochen günstig für die ostdt. Bevölkerung zu bewerten ist. Die Währungsunion bedeutete allerdings auch, dass die DDR-Betriebe schlagartig der Konkurrenz des Weltmarktes ausgesetzt wurden.

So wie 1948 die Währungsspaltung der staatlichen Teilung Ds vorausging, war die Währungsunion 1990 der Vorreiter der staatlichen Vereinigung und entzog der DDR in einem zentralen Handlungsbereich die Souveränität. Im Dreieck von Währungsintegration, Wirtschaftsintegration und politischer Integration wurde die Währungsunion bewusst als Integrationsmotor eingesetzt, nicht zuletzt, um in einer unsicheren außenpolitischen Konstellation möglichst schnell die Unumkehrbarkeit des innerdt. Vereinigungsprozesses zu sichern. Die dabei eingegangenen Risiken schienen angesichts der anvisierten umgehenden Einführung der Sozialen Marktwirtschaft sowie der staatlichen Vereinigung und damit dem schnellen Nachziehen der Integration in den anderen Bereichen vertretbar. Direkt mit der Währungsunion verbundene Inflationsbefürchtungen – die DDR-Bürger liquidieren ihre umgestellten Guthaben und lösen eine Nachfrageexplosion aus – haben sich aufgrund des relativ zurückhaltenden Kaufverhaltens der DDR-Bürger und der Angebotsflexibilität des Weltmarktes nicht bewahrheitet.

Europäische Wirtschafts- und Währungsunion, Euro und Herausforderungen

Die Risikobereitschaft bei der innerdt. Währungsunion hat Forderungen an die dt. Bundesregierung verstärkt, auch im Rahmen der EU die „Krönungsthese“ (Währungsintegration erst als „Krönung“ der wirtschaftspolitischen Harmonisierung) aufzugeben und entsprechend der „Motorthese“ wie im innerdt. Beispiel die Währungsunion als Integrationsmotor einzusetzen. Im Rahmen des Europäischen Währungssystems (EWS) hat die DM als Ankerwährung fungiert. Die daraus resultierende Dominanz der DM und ihres Steuerzentrums Deutsche Bundesbank war ein Motiv für andere EU-Staaten, insbesondere Frankreich, im Rahmen einer Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion (EWWU) eine einheitliche europäische Währung mit dem Namen „Euro“ und eine europäische Notenbank als Steuerzentrum zu fordern. Vor allem auf Druck von Bundesregierung und Deutscher Bundesbank ist im Maastrichter Vertrag die EWWU normativ strikt auf das Ziel Preisstabilität ausgerichtet und mit institutionellen Sicherungen versehen worden – insbesondere quantifizierte Stabilitätskriterien für Beitrittskandidaten bezogen auf Preisniveau, Zinsen, Wechselkurse und Staatsverschuldung, ein finanzpolitischer Flankenschutz in Form des Stabilitäts- und Wachstumspaktes sowie ein unabhängiges Europäisches Zentralbanksystem (ESZB) nach dem Grundmodell der Bundesbank.

Die politische Auseinandersetzung über die Einführung der Gemeinschaftswährung Euro und ihre wahrscheinlichen Folgen war heftig, insbesondere in D, wo das übliche politische Akteursspektrum nicht nur um das Bundesverfassungsgericht, sondern auch um „bekennende“ Wissenschaftlergruppen oder eine als neue Partei auftretende „Initiative Pro D-Mark“ erweitert wurde. Bei der in D nach Meinungsumfragen besonders ausgeprägten Euro-Skepsis ist die starke, auch emotionale Identifizierung der dt. Bevölkerung mit der DM zu berücksichtigen, die lange Zeit eine Art Ersatzfunktion als Symbol nationalen Stolzes gespielt hat und in Ostdeutschland zudem als neue Errungenschaft galt. Der Zeitplan des Maastrichter Vertrages wurde aber eingehalten, und zum 01.01.1999 die dritte Stufe der EWWU verwirklicht mit der Einführung des Euro als Buchgeld bei unveränderbaren Wechselkursen zwischen 11 Teilnehmerländern der EU (Großbritannien und Dänemark machten von der ihnen zugestandenen „opting out“-Klausel Gebrauch, auch Schweden verweigerte sich de facto, und Griechenland verfehlte eindeutig die Beitrittskriterien). Seit dem 01.01.1999 ist auch die geldpolitische Verantwortung auf das ESZB übergegangen, in das die Deutsche Bundesbank eingegliedert wurde. Anfang 2002 wurden die nationalen Währungen wie die DM endgültig aus dem Verkehr gezogen und auch beim Bargeld durch den Euro ersetzt.

Das Euro-Projekt ist im Hinblick auf die europäische Integration zweifellos ein ambitiöser Sprung, der aber auch mit beachtlichen materiellen wie integrationspolitischen Risiken verbunden ist. Die Erfahrungen mit der innerdt. Währungsunion belegen nachdrücklich die wirtschaftspolitischen Gefahren, die aus dem Verzicht auf den Puffer der Wechselkurse resultieren. So hat insbesondere die Deutsche Bundesbank die erfahrungsgestützte These betont, dass eine Währungsunion eine unkündbare Solidargemeinschaft sei, die für ihre dauerhafte Existenzsicherung in eine umfassende politische Union eingebettet werden müsse. Die asymmetrische, die Währung als Motor einsetzende Integrationskonstruktion mit der offenen Flanke des Euro insbesondere bei der einzelstaatlichen Finanzpolitik führte nach dem politischen Versagen des als Absicherung gedachten/Stabilitäts- und Wachstumspaktes (StWP) und dem Niveausprung der Staatsverschuldung im Gefolge der Weltwirtschaftskrise 2008/9 zu einer als „Eurokrise“ in D besonders heftig diskutierten Gefährdungslage, bei der es sich de facto aber um eine Staatsschuldenkrise einiger Euroländer (GIIPS – Griechenland, Irland, Italien, Portugl, Spanien) handelt.

Ob die längerfristige Krisenlösung über Finanzhilfe durch die neue Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) und ihren dauerhaften Nachfolger, den Europäischen Stabilisierungsmechanismus (ESM), sowie den IWF einerseits, nachholende verstärkte Integration auch der Wirtschafts- und Finanzpolitik (insbesondere Gemeinschaftskontrolle der Haushalte zum Rückbau der Staatsverschuldung) in der Eurozone andererseits, gelingt oder es stattdessen zu einem Zerfall der Eurogruppe kommt, bleibt eine offene Frage.

Auch international bedeutet die Einführung des Euro, der u. a. die Rolle der DM als zweitwichtigster Reservewährung geerbt hat, eine qualitative Veränderung in dem in Zukunft vermutlich stärker multipolar ausgerichteten internationalen Währungssystem.

Im Kontext neuer technologischer Entwicklungen, insbesondere Digitalisierung, ist unter Nutzung der Blockchain-Technologie eine Vielzahl dezentral privat gesteuerter Kryptowährungen entstanden – dominant bisher „Bitcoin“ und diskutiert eine von Facebook und anderen Großkonzernen geplante „Libra“. Auch wenn einige Wirtschaftswissenschaftler sich mit dem erfahrungsgesättigten Verweis auf Missbrauch und Fehlsteuerung staatlicher Währungen von neuen privaten „Währungen“ mehr Wettbewerb und Disziplinierung erhoffen, mahnen die bisherigen Erfahrungen – u. a. Anfälligkeit für privaten Missbrauch und starke Spekulation – eher zur Vorsicht – eine bisher auch von den meisten Zentralbanken eingenommene Position.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Uwe Andersen

Fussnoten