Grundprinzipien der Arbeit der statistischen Ämter
Das Statistische Bundesamt (Abk: StBA oder Destatis) und die 14 statistischen Ämter der Länder1 bilden im föderalen Aufbau der Bundesrepublik Deutschland die amtliche Statistik, deren Aufgaben laut § 1 Bundesstatistikgesetz (BstatG) darin liegt, „laufend Daten über Massenerscheinungen zu erheben, zu sammeln, aufzubereiten, darzustellen und zu analysieren. Für sie gelten die Grundsätze der Neutralität, Objektivität und fachlichen Unabhängigkeit. Sie gewinnt die Daten unter Verwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse und unter Einsatz der jeweils sachgerechten Methoden und Informationstechniken.“ Um dies zu gewährleisten, wird vom Gesetzgeber die statistische Arbeit in statistischen Ämtern fachlich konzentriert, d. h. es gibt nur wenige anderen Behörden, die selbstständig Statistiken erheben, auswerten und veröffentlichen (Statistisches Bundesamt 2019). Hierzu zählen zum Beispiel die Bundesbank (z. B. Bankenstatistik) oder die Bundesagentur für Arbeit (Arbeitsmarktstatistik). In ihrem Selbstverständnis sehen sich die statistischen Ämter aufgrund ihrer Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme sowie durch die Nutzung anerkannter wissenschaftlicher Methoden als Dienstleister qualitativ hochwertiger Informationen für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
Die Erhebung statistischer Daten wird durch Rechtsvorschriften geregelt, d. h. trotz ihrer fachlichen Ungebundenheit erzeugen die statistischen Ämter keine Statistiken eigeninitiativ. Voraussetzung ist eine gesetzliche Grundlage, in welcher der Gesetzgeber genau vorgibt, welche Statistiken bei welchen Erhebungseinheiten mit welcher Periodizität (Häufigkeit) und mit welchen Inhalten (z. B. Merkmale wie Betriebsgröße oder Geschlecht) zu erheben und führen sind. Solche Rechtsvorschriften werden entweder in bestehende Rechtsgrundlagen (z. B. die Einbürgerungsstatistik im Staatsangehörigkeitsgesetz) oder in eigenen statistischen Fachgesetzen (z. B. im Mikrozensus- oder Agrarstatistikgesetz) festgehalten. Den statistischen Ämtern steht es lediglich im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu, die statistische Methodik fortlaufend zu überarbeiten (§ 6 BStatG), wissenschaftliche Verfahren zu testen (z. B. Fragebogengestaltung) und das Programm der Bundesstatistik weiterzuentwickeln (z. B. über Georeferenzierung).
Bundesstatistik
Aktuell werden rund 390 Bundesstatistiken geführt. Auf welche Weise Einzeldaten ihren Weg in die Statistik finden, ist unterschiedlich geregelt. Bevölkerungsstatistische Daten wie zum Beispiel Geburten, Eheschließungen oder Wanderungen haben ihren Ursprung in kommunalen Melde- und Standesämter, die mithilfe ihrer softwaregestützten Fachverfahren meldepflichtige Ereignisse an ihre jeweiligen statistischen Landesämter weitergeben. Wirtschaftsstatistiken beruhen im Wesentlichen auf Auskünften von Wirtschaftsbetrieben, die mithilfe der von den statistischen Ämtern bereitgestellten Onlineverfahren Meldungen zu fest definierten Merkmalen abgeben. Kennzeichnend für diese Formen der statistischen Erhebungen ist das Vorliegen einer Auskunftspflicht des Betroffenen, so dass die Nichtbefolgung der Meldepflicht als Ordnungswidrigkeit mit einem Bußgeld geahndet werden kann. Bei anderen Statistiken, wie der seit 1962 erhobenen und u. a. für die Anpassung von Hartz-IV-Regelsätzen angewendeten Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS), wird aufgrund des hohen Aufschreibungsaufwandes für den Auskunftsgebenden (hierfür dokumentieren Privatpersonen z. B. detailliert ihre Haushaltsausgaben) auf eine Auskunftspflicht verzichtet. Zusätzlich nutzen die statistischen Ämter bereits vorliegende Informationen aus einzelnen Fachstatistiken, um darauf aufbauend makroökonomische Berechnungen durchzuführen (z. B. zur Bestimmung des Bruttoinlandsproduktes als wichtigste Größe der sog. volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen) oder Indizes zu berechnen (z. B. Verbraucherpreisindex).
Zusammenarbeit zwischen Statistischem Bundesamt und Statistischen Landesämtern
Die Bundesstatistik ist ein Gemeinschaftswerk von Bund und Ländern. Den Ländern kommt im Wesentlichen die Aufgabe zur Durchführung statistischer Erhebungen und deren Aufbereitung zu einem Landesergebnis zu. Nur wenige Statistiken – wie zum Beispiel die Außenhandelsstatistik – werden vom Statistischen Bundesamt in Eigenverantwortung erhoben. Hauptaufgabe des Statistischen Bundesamtes ist stattdessen die Statistiken methodisch und technisch vorzubereiten sowie die Zusammenarbeit mit den Ländern innerhalb verschiedener ebenenübergreifender Arbeitsgremien zu koordinieren. Die von den statistischen Landesämtern für ihre jeweiligen Bundesländer erstellten Ergebnisse werden an das Statistische Bundesamt weitergeleitet, durch dieses schließlich für Gesamtdeutschland zusammengeführt und aufbereitet. Die erhobenen Statistiken werden sowohl gemeinsam2 als auch getrennt3 in öffentlich zugänglichen, kostenfreien Datenbanken sowie Tabellenbänden veröffentlicht. Zu diesen Veröffentlichungen erscheinen als wichtiges Begleitmaterial sogenannte Qualitätsberichte, in welchen nähere Informationen zur angewendeten Methodik, zu den Qualitätsstandards und Besonderheiten der jeweiligen Statistik genannt werden (z. B. Hochrechnungs- und Stichprobenverfahren). Diese liefern ein umfassenderes Verständnis der zugrunde liegenden Statistik und bewahren vor Fehlinterpretationen, da sie die Aussagefähigkeit und Grenzen einer Statistik dokumentieren. Als Beispiel sei auf die Übernachtungsstatistik im Gastgewerbe verwiesen, die eben nicht sämtliche Übernachtungen innerhalb fest definierter Gebiets- und Zeiteinheiten erfasst, sondern nur die Meldungen von Beherbergungsbetrieben mit mindestens zehn Betten zusammenstellt, da Kleinstbetriebe in diesem Wirtschaftssektor nicht auskunftspflichtig sind.
Neben der bloßen Bereitstellung von Statistiken übernimmt jedes statistische Amt im Rahmen seiner kapazitären Möglichkeiten die Aufgabe, schwerpunktmäßig weiterführende Auswertungen der vorliegenden Statistiken vorzunehmen. Diese werden in eigens von den Ämtern unterhaltenen Fachserien veröffentlicht. Externe können zwar Sonderauswertungen bei den statistischen Ämtern beantragen, haben aber sonst keinen Zugang zu den statistischen (Primär) Daten, um eigene Auswertungen vornehmen zu können. Eine Ausnahme wurde zu Beginn der 2000er-Jahre jedoch für die wissenschaftliche Nutzung geschaffen, indem für diesen Personenkreis auf Antrag Zugang zu den Mikrodaten der amtlichen Statistik in den von den statistischen Ämtern vorgehaltenen Forschungsdatenzentren gewährt werden kann (Zühlke et al. 2005).
Das Statistische Bundesamt
Als größtes Statistikamt in Deutschland verfügt das Statistische Bundesamt (gegründet 1948 als „Statistisches Amt des Vereinigten Wirtschaftsgebietes“, 1950 umbenannt)4 über aktuell rund 2300 Beschäftigte (Stand 2019). Diese verteilen sich mehrheitlich auf den Hauptdienstsitz in Wiesbaden (rund 1700) und zu kleineren Teilen auf die Zweigstellen in Bonn (rund 550, Standort seit 1999) und Berlin (rund 25). Als Bundesoberbehörde ist es dem Geschäftsbereich des Bundesministeriums des Innern zugeordnet und unterliegt dessen Dienstaufsicht. Wesentliche organisatorische, finanzielle und personelle Entscheidungen können somit nur in Übereinkunft mit dem Bundesinnenministerium getroffen werden. Dagegen wird die Fachaufsicht durch die verschiedenen Bundesministerien ausgeübt, die die Hoheit über „ihre“ jeweiligen Fachgesetze haben, die vom Statistischen Bundesamt ausgeführt werden. In seinen fachlichen Aufgaben bleibt das Statistische Bundesamt gemäß seiner rechtlichen Grundlage im Bundesstatistikgesetz aber unabhängig und handelt nicht weisungsgebunden.
Geleitet wird das Statistische Bundesamt von einer Präsidentin bzw. einem Präsidenten. Die Ernennung erfolgt auf Vorschlag der Bundesregierung durch den Bundespräsidenten. Historisch gewachsen ist die gleichzeitige Übernahme der Funktion des Bundeswahlleiters durch die Präsidentin bzw. dem Präsidenten. Damit obliegt dieser bzw. diesem zusätzlich die Verantwortung für die Organisation und Überwachung der Wahlen zum Deutschen Bundestag und zum Europäischen Parlament sowie die Verkündung des endgültigen Wahlergebnisses.
Gegenüber den statistischen Landesämtern und über die bereits genannten Funktionen hinaus, nimmt das Statistische Bundesamt weitere Sonderaufgaben wahr. Zu nennen sind hier insbesondere die europäische (z. B. Zulieferung nationaler Statistiken an das europäische Statistikamt Eurostat) und internationale Zusammenarbeit sowie im Auftrag der Bundesregierung gemäß § 8 NKRG5 die Ermittlung des sog. Erfüllungsaufwandes bundesrechtlicher Normen im Arbeitsbereich Bürokratiekostenmessung/Aufwandsschätzung.
Im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses steht das Statistische Bundesamt regelmäßig für die durch das Amt durchzuführenden Volkszählungen (Zensus), die in der Öffentlichkeit in Sorge vor dem „gläsernen Bürger“ und hinsichtlich des Nutzens überwiegend kritisch beurteilt werden. Berühmt geworden ist das 1983 vom Bundesverfassungsgericht verkündete „Volkszählungsurteil“, welches nicht nur das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung etablierte und damit einen Meilenstein in der Entwicklung des Datenschutzes bildet, sondern auch der statistischen Datenerhebung engere Grenzen setzte (Hufen 1984). Unter anderem um der kritischen Haltung in der Bevölkerung entgegenzuwirken werden die jüngsten Volkszählungen (2011 bzw. 2021) unter stärkerer Zuhilfenahme vorhandener amtlicher Daten („registergestützter Zensus“) durchgeführt.
Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Marc Seuberlich