Definition
Unter staatlicher Öffentlichkeitsarbeit wird grundsätzlich das Informieren und Aufklären einer Bevölkerung durch ihre Regierung verstanden. Allgemein werden in Deutschland die Regierungskommunikation oder Regierungs-Public-Relations, wie staatliche Öffentlichkeitsarbeit auch bezeichnet werden kann, verschiedentlich unterteilt. Dies geschieht zunächst nach den Zielgruppen und dann nach den Inhalten und Kanälen. Letzteres ist insbesondere im digitalen Zeitalter von immenser Bedeutung. Damit verbunden ist ein jeweils unterschiedliches Verständnis von Regierungskommunikation, das sich ebenso auf damit verbundene Aufgaben und Ziele auswirken kann.
So erfasst Regierungskommunikation nach außen zum einen die Unterrichtung der Bürger über politische Entscheidungen, die „über zielgruppenorientierte Instrumente der PR durch Kommunikationsmanagement vermittelt wird.“ (Borucki 2014, S. 41) Zum anderen ist damit aber auch eine gezielte Informationsweitergabe an Journalisten gemeint, mit dem Versuch, indirekt die Medienagenda zu beeinflussen. Deshalb wird Regierungskommunikation auch in Pressearbeit (letztere Dimension) und Informationsarbeit (die erste Dimension) aufgeteilt. Das Ziel beider Richtungen von Regierungskommunikation nach außen ist immer auch die Legitimierung der politischen Entscheidungen und somit eine Erhöhung der Responsivität. Andere Definitionen, vor allem im internationalen Zusammenhang, verstehen Regierungskommunikation breiter (Canel und Sanders 2013, S. 4), da die Anforderungen je nach nationalem Kontext differieren. Gemeinsam haben alle Definitionen von Regierungskommunikation, dass die Legitimation und Responsivität der jeweiligen Regierung zentrale Bezugsgrößen für die Rückkoppelung der Kommunikation sind.
Regierungskommunikation richtet sich parallel nach innen. So sind die Regierungsmitglieder, die Abgeordneten des Bundestages sowie der Bundespräsident über die Medienagenda und die Presselage zu informieren, also darüber, welche Themen und Diskussionen gerade beherrschend sind und in der Öffentlichkeit diskutiert werden. Hierzu erstellt das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung/Bundespresseamt (BPA) eine weltweit einzigartige Pressemappe, die die mediale Themenagenda in ihrer Breite darstellt und aufgrund eines umfangreichen Medienmonitorings im Haus des BPA bewerkstelligt wird (s. u.).
Struktur
Die staatliche Öffentlichkeitsarbeit der Bundesrepublik Deutschland stützt sich mit dem Bundespresseamt in institutioneller Hinsicht im Wesentlichen auf diesen zentralen Apparat. Das BPA ist organisationsstrukturell dem Kanzleramt untergliedert, bezieht sein Budget aus dem Haushalt des Kanzleramts und ist insofern der Exekutive zuzurechnen. Daneben existieren in jedem Ministerium weitere Einheiten zur Regierungskommunikation und Öffentlichkeitsarbeit, die wiederum vom BPA mit koordiniert werden. Allerdings kollidieren in dieser Struktur die zentralen Prinzipien der Regierung, und zwar das Kanzler- und das Ministerprinzip – hat doch der Kanzler die allgemeinen Richtlinien der Politik und damit deren Kommunikation zu verantworten, während die Minister für die Öffentlichkeitsarbeit ihrer Ressorts Autonomie genießen (Borucki 2016). Diese Spannungslinie erschwert es dem amtierenden Kanzler im Wesentlichen, eine einheitliche Kommunikationslinie der Bundesregierung zu etablieren, da sich entlang der beiden geschilderten Prinzipien immer auch Machtkämpfe parteipolitischer Art entzünden, die quer zu einer intendierten Einheitlichkeit von Regierungskommunikation liegen. Insofern verbleibt letztere im Bereich des Idealen und wird in der Praxis eher näherungsweise erreicht. Mit dem genannten Spannungsverhältnis ist ein Kampf um Budgets, Zuständigkeiten für Kommunikationsbereiche und damit die jeweilige Deutungshoheit verbunden. Denn die Profilierung des eigenen Ministers wird in erster Linie durch eine positive Imagebildung in den Medien erreicht – und dies mithilfe professioneller Unterstützung, die nur mit entsprechenden Budgets zu erhalten ist.
Immer wieder kam und kommt der Vorwurf der Opposition auf, das BPA sei parteilich und würde von der Regierung zu Wahlkampfzwecken genutzt. Dies war zuerst und tatsächlich der Fall mit der Erwirkung eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts 1977, als der damalige Regierungssprecher Klaus Bölling eine Anzeigenserie im Spiegel kaufen ließ, die den Anschein redaktioneller Beiträge machte. Das BVerfG-Urteil von 1977 legte sodann fest, dass die Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung nur so weit gehen darf, wo die Wahlwerbung aufhört. Zudem bekräftigte das Urteil den verfassungsmäßigen Aufklärungsauftrag des BPA, nach dem Öffentlichkeitsarbeit nicht nur zulässig, sondern eben notwendig sei. In weiteren Urteilen 1983 und 2002 sowie zuletzt 2014 wurde diese Unterscheidung nochmals bestätigt, beziehungsweise immer wieder auf diese Entscheidung Bezug genommen.
Das Presse- und Informationsamt der Bundesregierung (BPA)
Eingerichtet unter Kanzler Adenauer blickt das Bundespresseamt seit Gründung der Bundesrepublik auf eine lange und wechselhafte Geschichte zurück. Vor dem Hintergrund der totalitären Erfahrungen mit dem Nazi-Regime und dem dazu gehörigen Goebbelschen Propagandaministerium, wollte Adenauer eine selbstständige Behörde einrichten und nicht nur eine Pressestelle im Bundeskanzleramt. Mit dem Berlin-Umzug 1999 zog auch das BPA mit einem Großteil seiner Mitarbeiter in die neue Hauptstadt. Am alten Dienstsitz Bonn verblieb noch ein Teil. Heute zählt das BPA etwa 470 Beschäftigte an beiden Dienstsitzen. Für seine vielfältigen Aufgaben stehen dem BPA im Haushaltsjahr 2018 rund 91 Mio. € zur Verfügung.
Das Bundespresseamt ist klassischerweise eine Institution, die in ihrer Leitungsebene oftmals grundlegenden Veränderungen unterworfen war. Dies liegt zum einen daran, dass sich der jeweilige Bundeskanzler Vertraute in dieser Behörde sichern will – außer er regiert wie Helmut Kohl auch kommunikativ aus dem Kanzleramt (der damalige Berater Eduard Ackermann erledigte im Wesentlichen alle kommunikativen Aufgaben per Telefon aus dem Kanzleramt heraus). Zum anderen wird aufgrund der Einheitlichkeit, die idealerweise für Regierungskommunikation zu gelten hat, eine Kommunikation entlang von Parteilinien wichtig. Insofern werden mit Regierungswechseln oftmals nicht nur die Regierungssprecherposten aus den Riegen der Regierungsparteien besetzt, sondern auch die weitere Leitungsebene des Bundespresseamtes (Mertes 2003). Nicht erst seit Helmut Schmidt und seinem Sprecher Klaus Bölling oder dem legendären Hans „Johnny“ Klein unter Helmut Kohl ist es nahezu Usus, dass der Regierungssprecher ein Mann der Presse ist und auf eine journalistische Vergangenheit zurückblicken kann. Das ist deshalb für den Kanzler von Vorteil, weil sich sein Sprecher oder seine Sprecherin dann besser in die Hauptadressaten der Regierungskommunikation, die Journalisten, hineindenken können und mit ihnen auf Augenhöhe sprechen. So holte sich Gerhard Schröder ehemalige Journalisten als Regierungssprecher, nämlich Uwe-Karsten Heye und Bela Anda. Angela Merkel hatte zuerst Ulrich Wilhelm als Sprecher berufen, einen Journalisten des Bayerischen Rundfunks, der nun Intendant der ARD ist sowie mit Steffen Seibert einen wichtigen Anchorman des ZDF verpflichtet.
Der Regierungssprecher leitet gleichzeitig das Bundespresseamt, die stellvertretenden Regierungssprecher organisieren die Verwaltung (Stv. Chef des BPA). Regierungssprecher sind für die Kanzler wichtige Berater und nehmen deshalb an der ersten Morgenlage im Kanzleramt teil. Sie schätzen hier die Medienlage ein und beraten in kommunikativen Fragen. Deshalb ist eine journalistische Ausbildung und insbesondere auch Kontakte zur Presse von Vorteil, um für den Bundeskanzler zwischen den beiden Welten Politik und Medien zu vermitteln (Tenscher 2002). Des Weiteren vertritt der Regierungssprecher immer auch das Haus des BPA nach innen und sorgt für einen reibungslosen Ablauf in den jeweiligen Abteilungen. In seiner Funktion drückt sich auch die Richtlinienkompetenz des Kanzlers aus, die von der Ressortautonomie der Bundesminister begrenzt wird. In kommunikativen Fragen ist es jedoch laut der Geschäftsordnung der Bundesregierung Pflicht eines jeden Ministers, die Bundesregierung über laufende Kommunikationsmaßnahmen zu informieren. Deshalb stimmt sich der Regierungssprecher auch regelmäßig mit den Sprechern der Ministerien in kommunikativen Dingen ab, insbesondere vor den drei Mal wöchentlich stattfindenden Bundespressekonferenzen.
Die konkrete Organisationsstruktur des BPAs unterlag vielerlei Reformen, die aktuelle Gliederung beinhaltet die folgenden Abteilungen und Einheiten.
Abteilung 1: Zentralabteilung, Verwaltung und Technik: Organisation der personellen, finanziellen und technischen Ressourcen für das BPA, Controlling des Ablaufs der hausinternen Prozesse und Arbeitsmittelbereitstellung für moderne Kommunikationstechnik. Hier wird die Bereithaltung der Infrastruktur sowie des erforderlichen Personals verwaltet.
Abteilung 2: Medienmonitoring/Dokumentation bzw. Agentur/Medienauswertung genannt. Diese Abteilung sichtet alle Medienerzeugnisse, erstellt also eine Auswertung nationaler wie internationaler Medienprodukte, wie Agenturmeldungen, Zeitungen, Hörfunk und Fernsehen, aber auch Onlineangebote. Zudem werden daneben interne Informationsmedien und -systeme für alle Ministerien, den Bundeskanzler sowie den Bundespräsidenten erstellt. Die Meldungen in der so individuell für die jeweilige Behörde zusammengestellten Pressemappe werden nach politischer Relevanz sortiert, wichtige Meldungen und politischen Informationen in einem Langzeitarchiv gespeichert. Diese weltweit einzigartige Informationsaufbereitung erlaubte es den Mitgliedern der Bundesregierung immer, den tagesaktuellen Stand der Presseberichterstattung und der internen Kommunikation direkt morgens auf dem Schreibtisch (bzw. jetzt auf dem Smartphone) zu erhalten.
Abteilung 3: Politische Information: Unter dem Dach dieser Abteilung liegt die eigentliche Informationsarbeit des BPA, die sich an den Bürger wendet. Hier bereiten verschiedene Unterabteilungen und Referate zu spezifischen Themen Informationsbroschüren, Flyer, Informationsstände und natürlich Internetseiten auf.
Abteilung 4: Kommunikation: Hier sind alle nach außen gerichteten Kommunikationsformen versammelt, seit Februar 2016 auch eine eigene Digitalredaktion, die das Internet und die Social-Media-Kanäle der Bundesregierung betreut (in erster Linie den Facebook-Auftritt Bundesregierung). Bereits zur Regierungszeit Gerhard Schröders wurden Reden des damaligen Bundeskanzlers Gerhard Schröder ins Netz gestreamt und viele Informationen online zur Verfügung gestellt. Inzwischen findet sich im Organigramm eine eigene Abteilung für Digitales, ein Beauftragter für den Datenschutz und Informationsfreiheit sowie ein Referat, das auch die sozialen Medien beobachtet.
Die Auslandspressearbeit wird seit der zweiten Regierungszeit von Gerhard Schröder aus dem Auswärtigen Amt (AA) betreut. Diese Abteilung war vormals auch im BPA angesiedelt (Heye 2002). Aus dem AA werden hauptsächlich Maßnahmen der Public Diplomacy, also der Imagepflege der ‚Marke Deutschland‘ im Ausland, betrieben. Damit verbunden war auch eine Neuorientierung des Bundespresseamtes hinsichtlich seiner Aufstellung im digitalen Zeitalter und somit einer ausgebauten Internetpräsenz.
Grundlegend ist die deutsche staatliche Öffentlichkeitsarbeit also durch eine institutionelle Kontinuität geprägt, die allerdings aufgrund parteipolitischer Einflüsse auf die Regierungskommunikation entsprechend volatilen Veränderungen unterworfen ist. So wechselt in der Regel mit jedem Regierungswechsel auch die Führungs- und Leitungsebene des BPA. Denn der Regierungssprecher gehört oftmals der Regierungspartei an oder ist parteilos, wohingegen der Koalitionspartner den stellvertretenden Regierungssprecher stellt. Das Spannungsverhältnis aus Kontinuität und Wandel zeigt sich ebenso an den Abteilungen des Hauses, die im Laufe der Zeit eingerichtet und wieder abgeschafft wurden.
Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Isabelle Borucki