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Region

Stephan Grohs

Begriff der Region

Unter Regionen werden in aller Regel territorial zusammenhängende Gebiete verstanden, die sich oberhalb der Ebene der Städte- und Gemeinden, aber unterhalb der staatlichen Ebenen der Landesverwaltungen befinden (Bogumil und Grohs 2010). Abweichend davon bezieht sich der Begriff in den internationalen Beziehungen auf Großregionen wie Europa, Asien etc. In der Forschung zur Europäischen Union werden häufig subnationale Ebenen wie die deutschen Bundesländer als Regionen betrachtet.

Ein zentrales Kennzeichen einer Region ist die Abgrenzung ihres Territoriums (territorialer Regionsbegriff). Bei weitgehender Abwesenheit „natürlicher“ oder „objektiver“ Grenzen bleiben solche Grenzziehungen wandelbar und Gegenstand problembezogener Definitions- und Abgrenzungsprozesse. Ein häufiges Kriterium zur Abgrenzung ist das Ähnlichkeitsprinzip entlang geographischer, kultureller, ethnischer oder sprachlicher Gemeinsamkeiten. Ein weiteres Abgrenzungsprinzip ist das Verflochtenheitsprinzip, das funktionale Beziehungen wie Wirtschaftsbeziehungen oder Pendlerströme heranzieht (vgl. Sinz 2005, S. 921).

Die neue Relevanz der regionalen Ebene

Die Ebene der Region erfährt in den letzten Jahren eine neue Aufmerksamkeit als Trägerin politischer Kompetenzen und administrativer Aufgaben (Hooghe et al. 2010). Diese „Neuentdeckung“ der regionalen Ebene hat eine Reihe von Gründen (Benz et al. 1999; Bogumil und Grohs 2010). Zunächst standen zwei Entwicklungen im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit:

  • Die Region als eigenständige Handlungsebene wird vor dem Hintergrund von Europäisierung, Globalisierung und Standortwettbewerb wichtiger. Die Regionen müssen sich als attraktive Wirtschaftsstandorte mit Alleinstellungsmerkmalen darstellen und gleichzeitig Infrastrukturen bereitstellen. Die Sichtbarkeit der Region und „regionale Außenpolitik“ insbesondere im Europäischen Rahmen gewinnen so zunehmend an Bedeutung (z. B. im Wettbewerb um EU-Fördermittel und im Standortmarketing).

  • Die regionale Wirtschaftsstruktur macht nicht vor Gemeindegrenzen halt. Es entwickeln sich zunehmend regionale Wertschöpfungsketten und Unternehmenskooperationen, die einen einheitlichen Ansprechpartner für regionale Wirtschafts- und Strukturförderung aber auch Genehmigungsverfahren suchen.

Während diese Faktoren schon in den 1990er-Jahren angesichts der Standortdiskussion und der Suche nach neuen Innovationspfaden breit diskutiert wurden wird die neuere Diskussion durch Herausforderungen an die administrative Organisation vorangetrieben:

  • Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und zurückgehender Bevölkerungszahlen werden die überkommenen Kreis- und Gemeindestrukturen als zu kleinteilig erachtet. Zudem erfordern neue funktionale Herausforderungen ökonomischer und ökologischer Natur größere Verwaltungszuschnitte zur überörtlichen Koordination. Dies bezieht sich vor allem auf Fach- und Regionalplanungen, sowie die Bereitstellung von Infrastruktur und Einrichtungen der Daseinsvorsorge.

  • Hinzu kommen wachsende Diskrepanzen der Lastenverteilung zwischen Kernstädten und ihrem Umland. Dies betrifft vor allem den Bereich der Sozialleistungen, aber auch das Angebot von Kulturveranstaltungen, Erholungseinrichtungen und spezifischen Dienstleistungen. Kommunales Handeln ist – insbesondere durch die defizitäre Haushaltslage – vielerorts schwieriger geworden und lässt Akteure nach neuen Formen der Zusammenarbeit zur Erschließung von Synergieeffekten suchen.

  • Der Wegfall der Mittelinstanzen wie in Niedersachsen oder Höherer Kommunalverbände wie der Landeswohlfahrtsverbände in Baden-Württemberg durch Verwaltungsreformen führt aus Sicht vieler Beobachter zu einer „Lücke“ auf der regionalen Ebene (vgl. Bogumil und Grohs 2010).

Zusammenfassend bietet die regionale Ebene gegenüber den höheren staatlichen Ebenen den Vorteil mit einem konkreteren Raumbezug arbeiten zu können und ist gleichzeitig eher als die Kommunen in der Lage, regionalen Entwicklungsgefällen entgegenzuwirken und eine gewisse innerregionale Ausgleichsfunktion zu etablieren. Eine Aufwertung der regionalen Ebene verspricht so:

  • die Entwicklung von Synergieeffekten durch Bündelung von Aufgaben in einer territorialen Einheit.

  • Einsparungen durch Skaleneffekte

  • eine Erhöhung des Wirkungsgrads durch Professionalisierung und Effektivitätssteigerung (z. B. Archäologen im Denkmalschutz; Naturwissenschaftler im Umweltbereich).

  • Transparenzgewinne durch die Überwindung von Aufgabenzersplitterung.

  • die Möglichkeit der Dezentralisierung bisheriger Landesaufgaben auf die regionale Ebene.

Aufgaben mit Regionalbezug sind umfangreich und je nach regionaler Organisationsform recht unterschiedlich. Zu unterscheiden sind zunächst Aufgaben mit genuin regionalem Fokus („geborene Großraumaufgaben“ Wagener 1985, S. 76) von eigentlich kommunalen Aufgaben, die mit dem Ziel von Skalen- oder Synergieeffekten auf die Regionsebene „hochgezont“ werden, sowie von staatlichen Aufgaben der Landesverwaltung, die zur größeren Ortsnähe und Bündelung auf regionaler Ebene dezentralisiert werden. Genuin regionale Aufgaben wurzeln in regionalem Koordinationsbedarf oder stellen klassische Ansätze zur Bearbeitung von Stadt-Umland-Problematiken dar. Beispiele sind Regionalplanung, öffentlicher Personennahverkehr, Struktur- und Wirtschaftsförderung.

Regionale Organisationsformen

Bezüglich der institutionellen Strukturen lassen sich staatliche, interkommunale und kommunale Formen unterscheiden:

Staatliche Organisationsformen

Die „klassische“ staatliche Organisationsform von Aufgaben mit Regionalbezug stellen die staatlichen Mittelinstanzen dar. Bei abweichender Terminologie (Bezirksregierungen in NRW; Regierungsbezirke in Hessen, Regierungspräsidien in Baden-Württemberg, Regierungen in Bayern) zeichnen sich staatliche Mittelinstanzen durch Aufgabenvielfalt aus. Sie sollen in ihrer Struktur die Landesressorts auf regionaler Ebene spiegeln und bündeln. Sie stellen vertikal die wesentliche Schnittstelle zwischen den Obersten Landesbehörden und den Kommunen sowie den Unteren Landesbehörden dar. In dieser Funktion fungieren sie als Beratungs-, Widerspruchs-, Beschwerde- und Kontrollinstanz. Horizontal sollen sie die unterschiedlichen Ressorts „bündeln“, d. h. bei Koordinationsbedarfen auf regionaler Ebene ein zentrales Abstimmungsorgan darstellen. Eine alternative staatliche Organisationsform stellen regionalisierte (Mittlere und Untere) Sonderbehörden dar: Dieser, nach den Vorbildern der Finanzverwaltung und anderer Sonderbehörden wie Oberschulämtern, Forstdirektionen oder Polizeipräsidien strukturierte Behördentyp bringt vertikal den Vorteil einer Verankerung in der Region (mithin geringere Informations- und Wegekosten) mit. Allerdings findet keine Aufgabenbündelung statt.

Interkommunale Organisationsformen

In interkommunalen Organisationsformen schließen sich Kommunen – entweder per Gesetz oder auf freiwilliger Basis – auf regionaler Ebene zusammen. Eine Form sind Höhere Kommunalverbände: Im Gegensatz zu den staatlichen Behörden sind Höhere Kommunalverbände als nicht-staatliche, kommunale Verwaltungseinheiten konzipiert. Wenn auch meist durch Landesgesetz geschaffen, vereinigen sie die Gemeinden und Gemeindeverbände in ihrem Territorium, die den Verband aus Umlagen finanzieren. Beispiele stellen die nordrhein-westfälischen Landschaftsverbände und die bayerischen Bezirke dar. Sie nehmen häufig Aufgaben mit gewissem Umverteilungscharakter (z. B. Eingliederungshilfe) oder regionalem Bezug (Museen, Kliniken) wahr. Regionalverbände und Regionalplanungsverbände beziehen sich ebenfalls auf ein klares Territorium. Rechtsform können vereinbarte Zusammenschlüsse oder ein Zwangsverband auf gesetzlicher Grundlage sein. Oberstes Entscheidungsorgan bildet die Versammlung der Vertreter der Kommunen in einer Regionalversammlung (Beispiele bilden Planungsverbände wie der Planungsverband Ballungsraum Frankfurt Rhein-Main oder die Region München). Zweckverbände stellen die häufigste Form freiwilliger interkommunaler Zusammenarbeit dar. Zweckverbände sind öffentlich-rechtliche Körperschaften ohne eigene Gebietshoheit. Diese können wiederum nach Ein-Zweck-Verbänden und mit mehreren Aufgaben betrauten Zweckverbänden unterschieden werden.

Kommunal verfasste Organisationsformen

Regionale Gebietskörperschaften (Regionalstädte und Regionalkreise) stellen eine eigenständige Verwaltungsebene mit klaren territorialen Grenzen. Sie verfügen über eine eigene gewählte Vertretungskörperschaft. In der Diskussion kursiert einerseits das Modell der Regionalstadt – eine Gebietskörperschaft, deren Untergliederungen („Bezirke“) politisch unselbstständig sind. Zweites Modell bildet der Regionalkreis, in dem die Mitglieder ihre kommunale Eigenständigkeit bewahren. Beispiele sind die Region Hannover, die Städteregion Aachen sowie der Stadtverband Saarbrücken.

Weiche Institutionalisierungsformen: „Regional Governance“

Neben diesen „harten“ findet sich eine Vielzahl „weicher“ Institutionalisierungsformen, die häufig als „Regional Governance“ bezeichnet werden (vgl. Fürst 2004). Beispiele sind regionale Netzwerke, Regionalkonferenzen und Arbeitskreise zu Einzelthemen oder themenübergreifenden Belangen. In ihnen sind regelmäßig auch private Akteure vertreten. Hier lassen sich Zusammenarbeitsformen mit organisatorischem Kern (also einer eigenen Geschäftsstelle wie bei Entwicklungsagenturen oder Metropolregionen) und solche ohne organisatorischen Kern unterscheiden.

Abb. 1 fasst die für den neuen Regionalisierungsdiskurs besonders relevanten Dimensionen des Institutionalisierungsgrads und des Umfangs der wahrgenommenen Aufgaben zusammen.

Die Varianten der Wahrnehmung von Aufgaben mit Regionsbezug weisen spezifische Vor- und Nachteile auf, die aus drei wesentlichen Spannungsfeldern resultieren: zwischen sektoraler und territorialer Organisation, zwischen niedriger und starker Institutionalisierung und zwischen staatlicher und kommunaler Konstitution.

Sektorale versus territoriale Organisation (Wollmann 2006): Die Entscheidung für einen sektoralen, aufgabenbezogenen Zuschnitt bringt Vorteile der Spezialisierung und Professionalisierung mit sich und zielt auf eine optimale Erfüllung öffentlicher Teilfunktionen. Gleichzeitig bringt sektorale Organisation aber die Nachteile einer fachlichen Abschottung mit Überspezialisierung und der Entwicklung überzogener Eigenrationalitäten mit sich. Dies kann zu mangelnder Koordinierung mit anderen Aufgabenfeldern und Verwaltungsträgern führen. Ein territoriales Organisationsmodell, das ein breiteres Spektrum an Verwaltungsaufgaben umfasst, entfaltet demgegenüber seine Stärke gerade in der Koordinierung, Bündelung und Harmonisierung unterschiedlicher Aufgabenfelder. Dieser Gewinn an horizontaler Integration kann jedoch auf Kosten der fachlichen Spezialisierung gehen.

Niedriger versus hoher Institutionalisierungsgrad (Fürst 2004): Ein niedriger Institutionalisierungsgrad (Netzwerk- und Verbandslösungen) bringt eine Offenheit für neue Problemlagen mit sich. Insbesondere ist dies für sich dynamisch verändernde territoriale Bezüge und funktionale Netzwerke relevant. Für stark institutionalisierte Regionen mit gebietskörperschaftlicher Verfasstheit spricht demgegenüber die Schaffung stabiler und transparenter Verantwortungsstrukturen, die demokratische Legitimation und rechtliche Verfahrenssicherheit bieten. Hinsichtlich der Entscheidungsmodi ermöglichen diese am ehesten Mehrheitsentscheidungen, während weichere Lösungen in aller Regel den Konsens aller Beteiligten bzw. Verhandlungslösungen erfordern. Die Wahrscheinlichkeit von Entscheidungsblockaden ist hier hoch und steigt mit der Teilnehmerzahl.

Staatliche oder kommunale Verfasstheit: Die Frage nach staatlicher oder kommunaler Organisation stellt sich insbesondere im Gebiet sog. „hoheitlicher Aufgaben“. Hier geht es insbesondere um die Frage, inwiefern Aufsichts-, Genehmigungs- und Kontrollfunktionen auf kommunaler Ebene angesiedelt werden können, insbesondere wenn die Kommunen selbst Gegenstand dieser Funktionen sind.

Legitimation und politische Verfasstheit der regionalen Ebene

Zur Legitimation der Regionsebene gibt es drei Alternativen: die direkte Legitimation durch eine Direktwahl einer Vertretungskörperschaft (Regionsparlament), die indirekte Legitimation über eine Verbandsversammlung aus Vertretern der Kommunen sowie die funktionale Legitimation durch Regionalkonferenzen unter Beteiligung gesellschaftlicher Interessengruppen. Wagener hat nun schon früh darauf hingewiesen, dass die Frage der demokratischen Legitimation einer Regionsebene stark von der Zahl und der politischen Relevanz der übertragenen Aufgaben abhängt (Wagener 1983, S. 417 f.): Je mehr Aufgaben auf die Region übertragen werden und je mehr innerregionaler Ausgleich beabsichtigt ist, desto stärker muss die eigenständige Legitimation der Region ausgestaltet sein.

Für eine Direktwahl sprechen die Erhöhung der politischen Legitimität und eine Abkoppelung der Regionsinteressen von den lokalen Partikularinteressen, sowie die Möglichkeit des Mehrheitsentscheids. Durch eine indirekte Legitimation über die Räte der Verbandsglieder als Klammer zwischen Gemeinden und Region können demgegenüber Konflikte zwischen Gliedgemeinden und Region vermieden werden. Problematisch an einer Direktwahl erscheint zudem, dass die Wahlbürger schon im gegenwärtigen System bei Wahlen auf den unterschiedlichen Ebenen (Gemeinde-, Kreis-, Landes-, Bundes- und EU-Ebene) Ermüdungserscheinungen zeigen, die sich in zurückgehender Wahlbeteiligung manifestieren.

Fazit: Region als Chance und Risiko

Regionen stellen eine eigenständige Ebene des politischen Systems dar, ohne dass sie Verfassungsstatus genießen. Sie bieten eine Reihe von politischen und administrativen Vorteilen, aber auch eine Reihe von Problemlagen. Ein Verlust von Bürgernähe durch anonyme, undurchschaubare Apparate, die Gefahr von Expansionstendenzen der Regionalverwaltungen durch Professionalisierung, eine Entwicklung einer „Umlagementalität“ und ein Kontroll- und Kompetenzverlust sind eine reale Gefahr. Gleichzeitig kann sich bei unzureichendem Engagement der Landesregierungen ein Szenario entwickeln, bei dem sich ein „Land der zwei Standards“ entwickeln könnte: Hier tritt eine Polarisierung zwischen „regionsfähigen“ Regionen, die ausreichend handlungs- und koordinationsfähig sind und anderen peripheren Gebieten, die eine Regionalisierung nicht aus eigener Kraft verwirklichen können, ein. Eine solche Marginalisierung der Peripherie kann unter dem Gesichtspunkt der „Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen“ und der „Einheit der Verwaltung“ als wenig wünschenswert erachtet werden.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Stephan Grohs

Fussnoten