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Landtage | bpb.de

Landtage

Wichard Woyke

Definition

Das parlamentarische System in den Ländern entspricht weitgehend dem Parlamentarismus auf der Bundesebene. Die Landesparlamente in D. stellen die gewählten Repräsentativorgane der 16 → Länder dar, wobei die Bezeichnung Landtag auf die 13 Flächenstaaten zutrifft. In den Stadtstaaten HH (→ Land Freie und Hansestadt Hamburg) und HB (→ Land Freie und Hansestadt Bremen) werden die Parlamente Bürgerschaft genannt. In B (→Land Berlin) heißt das Parlament Abgeordnetenhaus.

Funktionen und Aufgaben der Landtage

Die wichtigsten Funktionen der Landtage bestehen allgemein – analog zum → Bundestag – in der a) Gesetzgebung, b) Wahl, c) Kontrolle und d) der Repräsentation. In den fünf ostdeutschen Ländern besaßen die Landtage gemäß Ländereinführungsgesetz die Aufgabe der Ausarbeitung von Landesverfassungen, In der ersten Hälfte der 90er-Jahre wurden in allen neuen Ländern rechtskräftige Verfassungen in Kraft gesetzt. Weitere Aufgaben in Bezug auf Kultur, Rundfunk, Bildung, Wissenschaft und Forschung sowie Sport wurden den Landtagen der neuen Länder durch die Art. 35–39 des Vertrags über die Herstellung der Deutschen Einheit zugewiesen. Dennoch besteht in der wissenschaftlichen Beurteilung Übereinstimmung, dass die Landesparlamente im politischen System D.s einen permanenten politischen Einfluss- und Funktionsverlust erlitten haben.

Gesetzgebung

Die Landtage sind durchweg fleißige Gesetzgeber, wenngleich die verbliebene eigenständige Materie – kulturelle Angelegenheiten, insbesondere Schul-, Hochschul- und Bildungswesen, Kommunalwesen sowie Polizeirecht – z. B. durch Grundgesetzänderungen (Einführung von Gemeinschaftsaufgaben) und durch die Einengung des finanziellen Spielraums der Länder immer stärker eingeschränkt wurde. Die Föderalismusreform von 2006 hat nur kleinere Korrekturen erbracht (→Bundesstaat/Föderalismus). Auch Staatsverträge, die von einer Landesregierung mit anderen Landesregierungen geschlossen werden, bedürfen der Zustimmung der Landtage. Die Gesetzesinitiative ist allerdings im modernen Parlamentarismus weitgehend auf die Landesregierungen übergegangen, so dass heute der überwiegende Teil der Gesetzesentwürfe von der → Ministerialbürokratie erarbeitet und von den Landesregierungen eingebracht wird. Durch eine immer stärkere Dominanz des Bundes wie zunehmend aber auch der EU(→Europapolitik) werden die Landtage in ihren Gesetzgebungsmöglichkeiten erheblich eingeschränkt. Gesetzgebung kann aber auch direkt durch das Volk ausgeübt werden. Alle Landesverfassungen enthalten die Volksgesetzgebung durch Volksbegehren und Volksentscheid.

Wahlfunktion

Bei der Regierungsbildung ist die Rolle des Parlaments oft nicht nur auf die Wahl des Regierungschefs begrenzt, sondern viele Landesverfassungen schreiben darüber hinaus die Zustimmung des Landtags zum Amtsantritt des Kabinetts vor. In HH und HB werden alle Mitglieder der Landesregierung durch die Bürgerschaft bzw. das Abgeordnetenhaus in Einzelwahl gewählt. Durch die in der politischen Praxis zunehmende Zustimmung der Landtage zur Regierungsbildung erhält/erhalten die Mehrheitsfraktion(en) einen bedeutsamen Einfluss auf die Regierungsbildung. So konnten mehrmals Kandidaten für das Ministerpräsidentenamt wegen mangelnder Zustimmung seitens des Parlaments ihr Amt nicht antreten. Von besonderer Bedeutung sind auch Bestimmungen, ob der/die Regierungschef/in aus der Mitte des Landtags stammen muss (NW) oder auch von außen kommen kann. Die eigentliche Wahlfunktion des Landtags wird durch das Wahlergebnis begrenzt. Die Landesregierung und die sie tragende(n) Partei(en) bilden in der Regel die Mehrheit, während die Minderheitsfraktion(en) die Aufgaben der → Opposition übernimmt (übernehmen). Somit werden einige für die Landtage vorgesehenen Kontrollrechte in der Regel vor allem von der Opposition wahrgenommen. Allerdings haben die gängigen Kontrollinstrumente der Landtage wie z. B. Fragestunden, große, kleine und dringliche Anfragen und aktuelle Stunden die Position der Landtage im Verhältnis zur Regierung kaum stärken können. Als ein erfolgreicheres Instrument erwiesen sich dagegen →Untersuchungsausschüsse. Für die Effektivität der Kontrolle ist entscheidend, dass es der Minderheit im Ausschuss ermöglicht wird, die von ihr für erforderlich gehaltene Beweiserhebung auch gegen den Willen der Mehrheit im Ausschuss durchzusetzen.

Kontrollfunktion

Während der klassische Parlamentarismus durch die Gewaltenteilung von Legislative und Exekutive gekennzeichnet ist, zeichnet sich der moderne Parlamentarismus durch eine Verschränkung dieser Gewalten aus. Die Landesregierung und die sie tragende(n) Partei(en) bilden in der Regel die Mehrheit, während die Minderheitsfraktion(en) die Aufgaben der → Opposition übernimmt (übernehmen). Somit werden einige für die Landtage vorgesehenen Kontrollrechte in der Regel vor allem von der Opposition wahrgenommen. Allerdings haben die gängigen Kontrollinstrumente der Landtage wie z. B. Fragestunden, große, kleine und dringliche Anfragen und aktuelle Stunden – nicht in allen Landtagen gibt es all diese Instrumente – die Position der Landtage im Verhältnis zur Regierung kaum stärken können. Als ein erfolgreicheres Instrument erwiesen sich dagegen Untersuchungsausschüsse. Für die Effektivität der Kontrolle ist entscheidend, dass es der Minderheit im Ausschuss ermöglicht wird, die von ihr für erforderlich gehaltene Beweiserhebung auch gegen den Willen der Mehrheit im Ausschuss durchzusetzen. Als weitere wichtige Kontrollmöglichkeiten müssen das Zitierrecht des Parlaments und seiner Ausschüsse, das Selbstbefassungsrecht der Ausschüsse, das Petitionsrecht sowie das Budgetrecht gesehen werden. Angesichts einer Zunahme der finanziellen Probleme der meisten Bundesländer ist der Spielraum für die zuständigen Haushaltsausschüsse der Landtage auch geringer geworden. Kaum kontrolliert werden die Landesregierungen durch die Landtage für ihre Entscheidungen bzw. ihr Verhalten im Bundesrat.

Repräsentativfunktion

Die Parlamentsmitglieder im modernen parlamentarischen Staat sind überwiegend Mitglieder politischer → Parteien, da es praktisch nur ihnen möglich ist, den Wählerwillen aufzunehmen und zu repräsentieren. Die parteipolitische Zusammensetzung der Landtage und die daraus resultierenden Mehrheiten sind damit entscheidend für die Regierungsbildung und den jeweiligen politischen Kurs des Landes. Die Mehrheitsverhältnisse entscheiden auch über die Rollenverteilung der Parteien und → Fraktionen, zum Regierungslager oder zur Opposition zu gehören. Während die Mehrheitspartei(en) aufgrund des Wahlergebnisses den Wählerauftrag übernimmt (übernehmen), die Regierung zu bilden und die Landespolitik für die Dauer einer Legislaturperiode zu bestimmen, stellt sich die Minderheit auf die Oppositionsrolle ein. Sie kontrolliert und kritisiert die Regierung und ist bestrebt, sich selbst als Alternative zu profilieren, um bei der nächsten Wahl die Regierungsübernahme anzustreben.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Wichard Woyke

Fussnoten