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Land Saarland | bpb.de

Land Saarland

Wilfried Loth

Historischer Hintergrund

Das Saarland (SL) verdankt seine Existenz als eigenständige Region dem Umstand, dass sich um die Kohlevorkommen an der mittleren Saar in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts ein schwerindustrielles Zentrum herausbildete, das politisch im Grenzbereich zu Frankreich lag. Die Auseinandersetzungen zwischen Franzosen und Deutschen um die Nutzung dieser Industrieregion führten zu politischer Sonderbehandlung und Ausbildung einer regionalen Identität seiner Bewohner.

Unter den Territorialherren, die diese Region in vorindustrieller Zeit prägten, sind insbesondere die protestantischen Grafen von Nassau-Saarbrücken zu nennen, daneben im Nordwesten die Erzbischöfe von Trier und im Osten die Herzöge von Pfalz-Zweibrücken. Seit 1815 gehörte der größere Teil zur preußischen Rheinprovinz, die östlichen Gebiete um St. Ingbert und Homburg zur bayerischen Pfalz. 1920 wurden das Industrierevier und die nördlich angrenzenden Wohngebiete der Industriearbeiter entsprechend den Bestimmungen des Versailler Vertrages als „Saargebiet“ für 15 Jahre dem Völkerbund unterstellt. Die ehemals preußischen Staatsgruben gingen als Reparationen in französisches Eigentum über, ebenso die Eisenbahnen.

Unter der Herrschaft der Regierungskommission des Völkerbundes konnte Frankreich seinen wirtschaftlichen Einfluss an der Saar ausbauen. 1923 wurde der Franc als alleiniges Zahlungsmittel eingeführt; der Anteil französischer Aktionäre an der Saarindustrie stieg bis auf 60 %. Hoffnungen, die Bevölkerung auch für einen politischen Anschluss an Frankreich zu gewinnen, erfüllten sich jedoch nicht. Obwohl in D unterdessen seit zwei Jahren die Nationalsozialisten regierten, entschieden sich am 13.01.1935 90,7 % der Abstimmungsberechtigten für die Rückkehr des Saargebietes zum Deutschen Reich; nur 8,8 % votierten für eine – zeitlich unbestimmte – Fortdauer des Status quo. Danach wurde das Gebiet als „Saarland“ von einem Reichskommissar verwaltet. Am 08.04.1940 wurden die Dienststellen des Reichsstatthalters für das SL und des Regierungspräsidenten der Pfalz zusammengelegt; am 15.05.1941 folgte die Vereinigung der Saarpfalz mit dem besetzten Lothringen zum „Gau Westmark“. Verwaltungssitz blieb Saarbrücken.

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde das SL – um eine Reihe weiterer Gemeinden im Norden und Osten vergrößert – einem Sonderregime der französischen Militärverwaltung unterstellt, das den wirtschaftlichen Anschluss an Frankreich vorbereiten sollte. Am 22.12.1946 wurde eine Zollgrenze zur restlichen französischen Besatzungszone errichtet; am 08.11.1947 wurde eine Verfassung verabschiedet, die dem SL Teilautonomie unter der Aufsicht eines französischen Hohen Kommissars gewährte. Im Zuge der Verhandlungen über einen Verteidigungsbeitrag der BRD wurde die Autonomielösung dann in den Pariser Verträgen vom 23.10.1954 zugunsten einer Europäisierung modifiziert: Die Wirtschaftsunion mit Frankreich sollte schrittweise zur BRD geöffnet werden, die auswärtige Vertretung des SL sollte ein Kommissar der WEU übernehmen. In einem Referendum am 23.10.1955 lehnten jedoch 67,7 % der Saarländer dieses Saar-Statut ab. Daraufhin entschloss sich die französische Regierung, ihren Widerstand gegen einen Beitritt des SL zur BRD aufzugeben. In den Luxemburger Verträgen vom 27.10.1956 wurde der Beitritt zum 01.01.1957 vereinbart. Der wirtschaftliche Anschluss erfolgte nach einer Übergangszeit am 06.07.1959.

Bevölkerung – Gesellschaft – Wirtschaft

Das SL ist mit einer Fläche von 2571 km2 der kleinste der Flächenstaaten Ds. Mit 994.000 E. (2017) und einer Bevölkerungsdichte von 387 E./km2 ist es relativ dicht besiedelt. Seit 2006 ist, hauptsächlich bedingt durch einen Sterbeüberhang, ein Rückgang der E.zahl zu verzeichnen. 59,8 % der Bevölkerung gehören der katholischen Konfession an, 18,4 % der evangelischen. 21,8 % bekennen sich zu anderen Religionen oder sind konfessionslos. Die Erwerbsquote liegt bei 43,7 %. Infolge der hohen Geburtenüberschüsse der frühen 60er-Jahre ist die Altersstruktur noch günstig. Die Arbeitsplatznachfrage hält weiter an.

60 % der Bevölkerung leben in einem V-förmigen Verdichtungsraum, der sich von Dillingen im Nordwesten über den Großraum Saarbrücken im Süden bis zu Neunkirchen und Bexbach im Nordosten erstreckt. In diesem Viertel der Gesamtfläche fanden sich die Kohlengruben (Warndt und Sulzbachtal) und die Eisenhütten (jetzt konzentriert in Dillingen, Völklingen und Saarbrücken-Brebach; früher auch in Saarbrücken-Burbach und Neunkirchen). Um diesen Verdichtungsraum erstreckt sich das Band einer kleinstädtisch geprägten Randzone mit den Städten Merzig, Lebach, St. Wendel und Blieskastel. Daran schließen sich ländliche Siedlungsräume an, die meist als Wohnorte für die in den industriellen Zentren Beschäftigten fungieren und Naherholungszwecken dienen.

In der Wirtschaft des Landes dominierte seit dem 19. Jahrhundert die Schwerindustrie, wobei der wiederholte Wechsel der territorialen Zugehörigkeit für einen langfristigen Investitions- und Produktivitätsrückstand sorgte. Die Kohlenkrise der frühen 60er-Jahre führte dann zu einem ersten Diversifizierungsschub; der Anteil der in der Schwerindustrie Beschäftigen sank von 56,7 % 1959 auf 36,4 % 1978. Infolge der Mitte der 70er-Jahre einsetzenden europaweiten Stahlkrise ging er bis 1988 weiter auf 8 % zurück. Während sich die Stahlindustrie danach auf niedrigerem Niveau stabilisierte, nahmen die Kohleförderung und die Zahl der Beschäftigten im Bergbau kontinuierlich weiter ab. Nach einem heftigen Gebirgsschlag am 23.02.2008, der deutlich über die bisherigen Erschütterungen hinausging, erzwang die Landesregierung ein Ende der Kohleförderung zum 30.06.2012, zweieinhalb Jahre früher als von der Deutschen Steinkohle AG geplant. Für die letzten 3700 Bergleute wurden sozialverträgliche Regelungen gefunden.

Die Verluste in der Montanindustrie wurden zum großen Teil durch Neuansiedlungen aus Wachstumsbranchen der Investitionsgüterindustrien (Maschinenbau, Fahrzeugbau und Elektrotechnik) ausgeglichen; in diesen Bereichen sind knapp 20 % der Beschäftigten tätig, im verarbeitenden Gewerbe insgesamt 26,5 %. Noch stärker ausgeweitet wurde der Dienstleistungsbereich. Einschließlich Handel, Verkehr und Gebietskörperschaften stellt er mit 73,1 % der Beschäftigten den größten Wirtschaftsbereich des Landes dar. Nur 0,4 % der Erwerbstätigen sind in der Landwirtschaft beschäftigt, die lediglich 0,3 % des BIP erwirtschaftet.

Trotz der Strukturkrisen im Montanbereich konnte das SL seinen Einkommensrückstand gegenüber dem Bundesdurchschnitt, der 1969 einen Höchststand von 24 % erreicht hatte, unter 10 % bezogen auf das alte Bundesgebiet drücken. Auf D bezogen liegt das verfügbare Einkommen privater Haushalte genau im Durchschnitt. Das SL wird daher auch gerne als Testmarkt für die Einführung neuer Produkte genutzt. Beim BIP pro Kopf der Bevölkerung rangiert das SL an neunter Stelle, vor RP, SH und den neuen Bundesländern.

Die Investitionsförderung und die soziale Abfederung des Strukturwandels mussten jedoch mit überdurchschnittlicher Verschuldung bezahlt werden. Trotz Sonderzuweisungen des Bundes in Höhe von 6,7 Mrd. € in den Jahren 1994 bis 2004 und rigoroser Sparmaßnahmen belief sich der Schuldenstand Ende 2016 auf 14,1 Mrd. €, mehr als das Dreifache des Landeshaushalts. In den letzten Jahren gelang es aber, den Wachstumsrückstand gegenüber dem Bundesdurchschnitt in einen Wachstumsvorsprung zu verwandeln. Die Arbeitslosenquote lag mit 6,2 % im Juli 2018 leicht über dem Bundesdurchschnitt (5,1 %). Die jährliche Neuverschuldung ist stark zurückgegangen. 2019 sollen erstmals keine neuen Schulden mehr aufgenommen werden – ein Jahr, bevor die 2009 in Art. 109 Abs. 3 GG verankerte Schuldenbremse eine weitere Verschuldung definitiv ausschließt. Traditionell hoher Eigenheimanteil, überschaubare Gemeinden und ein überaus reges Vereinswesen stützen den Zusammenhalt der hergebrachten Solidarverbände. Allerdings hat nach der lange Zeit dominierenden katholischen Kirche auch die regionalspezifische Arbeiterbauernkultur an Prägekraft verloren.

Politisches System

Verfassung

Grundsätzlich gilt im SL noch die Landesverfassung, die die Verfassunggebende Versammlung am 08.11.1947 verabschiedet hatte. Eine Verfassungsrevision vom 20.12.1956 tilgte alle Bestimmungen, die auf ein Protektoratsverhältnis zu Frankreich hinausliefen; eine zweite Revision vom 04.07.1979 reformierte den organisatorischen Teil der Verfassung.

Die Staatsgewalt geht vom Volke aus; dieses wählt den Landtag sowie die Kreis- und Gemeinderäte. Es kann auch Gesetzesvorschläge einbringen und diese in einem Plebiszit durchsetzen; dies gilt allerdings nicht für finanzwirksame Gesetze. Der Landtag besteht aus 51 Abgeordneten, die auf fünf Jahre gewählt werden. Die Wahl des Ministerpräsidenten erfolgt mit absoluter Mehrheit; Minister werden mit einfacher Zustimmung des Landtags vom Ministerpräsidenten ernannt. Der Landtag kann dem Ministerpräsidenten oder einzelnen Ministern mit absoluter Mehrheit das Vertrauen entziehen und sich mit Zwei-Drittel-Mehrheit auflösen; er ist ferner aufgelöst, wenn nach einem Regierungssturz keine neue Mehrheit für einen Ministerpräsidenten zustande kommt. Der Landtag wählt mit Zwei-Drittel-Mehrheit die sieben Richter eines Verfassungsgerichtshofs. Dieser besitzt umfassende Zuständigkeiten, wird im Bereich der individuellen Verfassungsbeschwerde allerdings nur subsidiär zum Bundesverfassungsgericht tätig.

Organisation des politischen Systems

Das SL ist in den Regionalverband Saarbrücken und die fünf Landkreise Merzig-Wadern, Neunkirchen, Saarlouis, Saarpfalz-Kreis und St. Wendel gegliedert. Regierungsbezirke und kreisfreie Städte gibt es nicht. Die Aufgaben der unteren staatlichen Verwaltungsbehörde werden von den Mittelstädten und der Landeshauptstadt teilweise oder ganz selbst wahrgenommen. Für die übrigen Kommunen erfüllt das Landratsamt diese Funktion; dieses ist von der kommunalen Kreisverwaltung organisatorisch getrennt und nur durch die Person des Landrats mit ihr verbunden. Der Landrat wird von den Kreistagen auf Zeit gewählt. An der Spitze der Kommunalverwaltung steht der Bürgermeister bzw. Oberbürgermeister, der ebenfalls als Kommunalbeamter auf Zeit gewählt wird.

Parteien, Wahlen, Wählerverhalten

Die Saarregion bildete seit der Industrialisierung eine Hochburg des sozialen Katholizismus. Politisch dominierte im Kaiserreich allerdings zunächst das nationalliberale und freikonservative Bürgertum. Die sozialistische Arbeiterbewegung konnte erst infolge der Erschütterungen des Ersten Weltkriegs Fuß fassen; dabei konnte die KPD die SPD in der Endphase der Völkerbundära überflügeln. Die Autonomielösung der Jahre nach 1947 wurde von einer Großen Koalition aus „Christlicher Volkspartei“ (CVP) und „Sozialdemokratischer Partei Saar“ (SPS) getragen. Als Ministerpräsident amtierte der CVP-Vorsitzende J. Hoffmann, der 1935 als katholischer Regimegegner ins Exil gegangen war. Gegen diese Koalition formierte sich Mitte der 50er-Jahre ein Bündnis der „Heimatbund“-Parteien (CDU, SPD und die nationalliberale „Deutsche Partei Saar“, DPS), die eine Angliederung an die BRD anstrebten. Mit der Abstimmung vom 23.10.1955 triumphierten die Parteien des „Heimatbunds“. SPS und SPD schlossen sich danach rasch zusammen. CVP und CDU fiel die Einigung dagegen weitaus schwerer: Erst zu Beginn der 1970er-Jahre verschwand die CVP-Nachfolgeorganisation SVP („Saarländische Volkspartei“) von der politischen Bildfläche.

Für die weitere Entwicklung des Parteiensystems war entscheidend, dass sich CDU- Ministerpräsident F.-J. Röder als Vorsitzender der stärksten Partei 1961 zu einem Koalitionswechsel von der SPD zur DPS entschloss, die jetzt als Landesverband der FDP fungierte. Damit gelang es ihm, bürgerliche Wähler auch jenseits des katholischen Lagers an die CDU zu binden; gleichzeitig wanderten aber katholische Arbeiter im Zuge der Säkularisierung in verstärktem Maße zur SPD ab. Die Folge davon war, dass sich CDU und SPD als nahezu gleichstarke Volksparteien etablieren konnten (wobei die CDU zunächst einen leichten Vorsprung wahrte). Die KPD-Nachfolgeorganisationen sanken im Zuge der Anpassung an die bundesdt. Verhältnisse zu Splitterparteien ab; die FDP konnte sich, wenn auch mit einigen Mühen, als dritte Kraft behaupten.

Von 1970 bis 1975 regierte die CDU mit absoluter Mehrheit. Danach half ihr die FDP, sich zwei weitere Legislaturperioden an der Regierung zu behaupten. 1985 gelang es der SPD unter O. Lafontaine, seit fünf Jahren schon stärkste Partei im Land, die absolute Mehrheit zu erringen. Den Grünen gelang es infolge der weitgehenden Bindung des Protestpotenzials an die bislang opponierende SPD nicht, die Fünf-Prozent-Hürde zu überwinden. 1990 honorierten die Wähler den Einsatz der SPD-Regierung für eine Konsolidierung der Landesfinanzen mit einem Ausbau der absoluten Mehrheit; die CDU musste sich mit einem Drittel der Stimmen begnügen. 1994 konnte die SPD die absolute Mehrheit knapp behaupten; die CDU holte wieder auf, während Bündnis 90/Die Grünen erstmals in den Landtag einzogen und die FDP auf 2,1 % zurückging. Nach dem überraschenden Rücktritt Lafontaines von den Ämtern des SPD-Bundesvorsitzenden und Bundesfinanzministers am 11.03.1999 erzielte die CDU in den Landtagswahlen vom September 1999 mit knappem Vorsprung vor der SPD wieder die absolute Mehrheit. R. Klimmt, seit der Bundestagswahl vom September 1998 Nachfolger Lafontaines als Ministerpräsident, wurde durch den Christdemokraten P. Müller abgelöst. 2003 konnte Müller seine absolute Mehrheit ausbauen, obwohl die Grünen und die FDP wieder in den Landtag einzogen. Bei geringer Wahlbeteiligung (55 %) verlor die SPD fast ein Drittel ihres Stimmenanteils.

Bei den Landtagswahlen vom 30.08.2009 trat die Linke mit Lafontaine als Spitzenkandidaten an und gewann 21,3 % der Stimmen. Die SPD ging auf 24,5 % zurück, die CDU auf 34,5 %, während die FDP 9,2 % erzielen konnte und die Grünen 5,9 %. Müller gelang es, im Kontrast zur damaligen Großen Koalition auf Bundesebene eine „Jamaika“-Koalition aus CDU, FDP und Grünen zu schmieden. Zugeständnisse in der Umwelt- und Bildungspolitik bewogen die Grünen unter dem Vorsitz von H. Ulrich, auf eine Koalition mit SPD und Linken zu verzichten. Im August 2011 wurde Müller zum Richter am Bundesverfassungsgericht ernannt. Nachfolgerin als CDU-Vorsitzende und Ministerpräsidentin wurde die bisherige Arbeitsministerin A. Kramp-Karrenbauer. Interne Querelen in der FDP ließen die „Jamaika“-Koalition nach zweieinhalb Jahren vorzeitig scheitern. Mit Blick auf die Herausforderung, die die im Bund vereinbarte Schuldenbremse für die weitere Existenz des SL als eigenständiges Bundesland darstellte, kündigte Kramp-Karrenbauer am 06.01.2012 die Koalition mit FDP und Grünen auf. Zuvor hatte sie sich mit SPD-Chef H. Maas darauf verständigt, nach vorgezogenen Neuwahlen eine Große Koalition zu bilden.

Der Schritt war nicht ohne Risiko, weil CDU und SPD an der Jahreswende 2011/2012 in der Wählergunst etwa auf gleicher Höhe lagen. Tatsächlich konnte die CDU in den Wahlen vom 25.03.2012 ihr Ergebnis von 2009 auf 35,2 % noch leicht verbessern, während die SPD 30,6 % erzielte – über sechs Prozentpunkte mehr als zweieinhalb Jahre zuvor, aber ebenso viel weniger als in den Umfragen der letzten Wochen. Die Linken gingen auf 16,1 % zurück. Die Freien Demokraten verloren dramatisch; mit 1,2 % waren sie im neuen Landtag nicht mehr vertreten. Die Grünen schafften mit 5,0 % noch so eben den Wiedereinzug. Die Regierung der Großen Koalition unter Karrenbauers Vorsitz verfügte damit über eine Zweidrittelmehrheit. Maas trat als Stellvertretender Ministerpräsident in die Regierung ein. Als er am 17.12.2013 als Justizminister in die Bundesregierung wechselte, folgte ihm A. Rehlinger.

Die Regierung der CDU/SPD-Koalition war beim Abbau der Neuverschuldung durchaus erfolgreich. Kramp-Karrenbauer konnte zudem in den Verhandlungen über die Neuordnung des Länderfinanzausgleichs ab 2020 eine Erhöhung der Zuwendungen an das SL um etwa 500 Mio. € herausschlagen. Die Wähler honorierten dies, indem sie die Koalition bei der Landtagswahl vom 26.03.2017 mit einer noch größeren Mehrheit ausstatteten. Die CDU kam jetzt auf 40,7 %, die SPD auf 29,6 %. Die Linke fiel weiter auf 12,9 %. Auch die Grünen verloren weiter an Stimmen; mit 4,0 % waren sie im neuen Landtag nicht mehr vertreten. Dagegen schaffte die AfD mit 6,2 % erstmals den Einzug. Kramp-Karrenbauer verzichtete darauf, aus dem Zuwachs der CDU einen Anspruch auf ein weiteres Ministeramt in der bislang paritätisch besetzten Landesregierung abzuleiten und sicherte sich damit eine weitere gedeihliche Zusammenarbeit mit der SPD. Als sie im Februar 2018 mit Blick auf eine bundespolitische Karriere nach dem Ende der Ära Merkel in das Amt der Generalsekretärin der CDU auf Bundesebene wechselte, ging der Stabwechsel zu dem bisherigen CDU-Fraktionsvorsitzenden T. Hans als neuem Landesvorsitzenden und Ministerpräsidenten reibungslos vonstatten.

Politische Rolle in D

Als kleinster Flächenstaat mit Strukturproblemen, die aus dem späten Beitritt zur Bundesrepublik wie aus den Krisen der Schwerindustrie resultierten, war das SL stets Empfängerland in Länderfinanzausgleich. Nach der Einbeziehung der neuen Bundesländer 1995 gingen die Zuwendungen zunächst um mehr als die Hälfte zurück. Unterdessen haben sie fast wieder das Niveau zu Beginn der 1990er-Jahre erreicht. Die zusätzlichen Zuwendungen, die die Landesregierung bei der Neuregelung des Finanzausgleichs 2015 vereinbaren konnte, werden es ermöglichen, im Jahr 2020 mit der Schuldentilgung zu beginnen. Damit dürfte die Eigenständigkeit des SL als Bundesland, an der die große Mehrheit der Bevölkerung festhalten will, für absehbare Zeit gesichert sein.

Im Bundesrat ist das SL als kleines Bundesland mit nur drei Stimmen vertreten. Im Bundestag und auf Bundesparteitagen ist der proportionale Anteil saarländischer Vertreter noch wesentlich geringer. Entsprechend kann das SL auf Bundesebene nur selten eine eigenständige Rolle spielen. So setzte Röder im März 1976 bei den anderen CDU-geführten Ländern ein positives Votum zu den Polen-Verträgen durch und sicherte sich damit die Unterstützung der FDP für eine Weiterführung seiner Regierung, die nach den Wahlen von 1975 in ein Patt geraten war. Bei der Bundestagswahl 2005 sorgte Lafontaine mit seiner Kandidatur auf der Liste der Linkspartei dafür, dass sich die Nachfolgepartei der SED definitiv in den alten Bundesländern etablieren konnte; mit 18 % erreichte sie im SL ein Ergebnis, das signifikant über die Erfolge in den anderen westlichen Bundesländern hinausging. Nach Lafontaine haben P. Altmaier und H. Maas wichtige Rollen in der Bundespolitik übernommen, zuletzt (seit März 2018) als Wirtschafts- bzw. Außenminister. A. Kramp-Karrenbauer zählt als Generalsekretärin und seit Dezember 2018 als Bundesvorsitzende der CDU sowie als Bundesverteidigungsministerin (seit Juli 2019) zu den aussichtsreichsten Kandidatinnen für eine Nachfolge von A. Merkel.

Die saarländischen Politikerinnen und Politiker zählen zu den Wortführern einer proeuropäischen Ausrichtung der deutschen Politik. Leidvolle historische Erfahrungen, der Einfluss der französischen Kulturpolitik nach 1945 und die Exportinteressen der saarländischen Industrie haben die Saarländer mehrheitlich zu Verfechtern des Europa-Gedankens werden lassen. Im Saar-Lor-Lux-Raum, seit 2005 zu einer Großregion mit Wallonien und RP ausgeweitet, arbeiten sie an einer Intensivierung der grenzüberschreitenden Verflechtung. Mit der Förderung des Französisch-Unterrichts und der Vorbereitung des Eurodistrikts SaarMoselle mit eigenständigem Rechtsrahmen arbeitet die Landesregierung an einem Ausbau der Brückenfunktion im dt.-französischen Dialog.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Wilfried Loth

Fussnoten