Geschichte
Mit der Gründung der Freien Demokratischen Partei (FDP) am 11. und 12. Dezember 1948 in Heppenheim wurde die historische Spaltung des deutschen Liberalismus in Links- und Nationalliberale überwunden. Im Kaiserreich und der Weimarer Republik hatten mindestens zwei, meist sogar deutlich mehr liberale Parteien existiert, die man jeweils den beiden Lagern zuordnen konnte. Die Anfangsjahre der FDP waren von einem pragmatischen Nebeneinander beider Liberalismus-Verständnisse geprägt, die auch Ausdruck in unterschiedlichen Regierungskonstellationen in den →Bundesländern fanden (Treibel 2018, S. 319–323). Im ersten Deutschen →Bundestag war die FDP mit 52 Abgeordneten vertreten und beteiligte sich an der →Bundesregierung unter Führung des Kanzlers Adenauer (CDU) mit drei Ministern. Der erste Bundesvorsitzende der FDP, Theodor Heuss, wurde am 12. September 1949 zum ersten →Bundespräsidenten der BRD gewählt. In den Folgejahren konnte sich die FDP auf der Bundesebene als liberales Korrektiv in der schwarz-gelben Bundesregierung profilieren. Unter der Führung ihres Vorsitzenden Thomas Dehler entfernte sich die Bundestagsfraktion programmatisch aber immer stärker von ihrem Koalitionspartner. 1956 kündigte die FDP die Zusammenarbeit wegen Plänen der Union auf, ein Mehrheitswahlrecht einzuführen, welches die Existenz der FDP gefährdet hätte. 1961 kehrten die Liberalen zwar wieder in die Bundesregierung zurück, konnten ihr Versprechen aus dem Wahlkampf („Mit der CSU/CSU – ohne Adenauer“) aber nicht halten, Konrad Adenauer wurde erneut zum Bundeskanzler gewählt. Erst 1963 machte er Ludwig Erhard Platz, doch drei Jahre später kam es im Zuge der Haushaltsberatungen erneut zum Zerwürfnis von Liberalen und Christdemokraten. Programmatisch hatte die FDP mittlerweile auch Schnittmengen mit der →SPD. Folgerichtig wurde nach der Bundestagswahl 1966 über eine sozialliberale →Koalition verhandelt, in die Praxis umgesetzt wurde sie aber nicht. Stattdessen schlossen CDU/CSU und SPD die erste Große Koalition der Bundesrepublik, während die nur 50 FDP-Abgeordneten im Deutschen Bundestag die Oppositionsrolle übernehmen mussten. Zukunftsweisend war dann die Bundespräsidentenwahl 1968: SPD-Kandidat Heinemann wurde mit den Stimmen der Sozialdemokraten und der FDP zum Präsidenten gewählt. Obwohl die FDP für ihre eindeutige Koalitionsaussage zu Gunsten der SPD bei der Bundestagswahl 1969 mit nur mageren 5,8 Prozent vom Wähler abgestraft wurde, verabredete der FDP-Vorsitzende Walter Scheel mit dem SPD-Vorsitzenden Willy Brandt die erste sozialliberale Koalition der BRD. Diese Entscheidung führte parteiintern zu heftigen Reaktionen zahlreicher Mitglieder des rechten Flügels, die die Partei und die Bundestagsfraktion enttäuscht verließen. Trotz dieser turbulenten Entwicklungen ging die FDP gestärkt aus den vorzeitigen Neuwahlen 1972 hervor: Mit 8,4 Prozent der Stimmen konnte die FDP ihr Wahlergebnis stabilisieren und die sozialliberale Koalition fortsetzen. Inhaltlich waren aber bereits zentrale Punkte des Regierungsprogramms wie die Entscheidungen zur Ostpolitik abgearbeitet. Walter Scheel entschied sich deswegen 1973 dazu, für das Amt des Bundespräsidenten zu kandidieren. Am 15. Mai 1974 wurde er mit den Stimmen von SPD und FDP zum zweiten liberalen Präsidenten gewählt. In der Partei war somit Platz für den Aufstieg von Hans-Dietrich Genscher, der 1974 die Nachfolge Scheels als Parteivorsitzender, Vizekanzler und Außenminister antrat. Er trat für eine gewisse Eigenständigkeit und eine strategische Äquidistanz der FDP zwischen CDU/CSU und SPD ein. Zwar wurde die sozialliberale Koalition durch die Nominierung des polarisierenden Franz Josef Strauß als Kanzlerkandidaten der Union bei der Bundestagswahl 1980 nochmals zusammengeschweißt, doch trieb Genscher eine behutsame Annäherung der FDP an die Union voran. Vor allem Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff provozierte den sozialdemokratischen Koalitionspartner mit neoliberalen Vorschlägen zur Wirtschaftspolitik, so dass Bundeskanzler Helmut Schmidt dem Bruch der Koalition durch die Liberalen im September 1982 zuvor kam und das Ende der Koalition selbst bekanntgab. Die Folge waren keine Neuwahlen – so wie von der SPD präferiert – sondern ein erfolgreiches konstruktives Misstrauensvotum. Mit den Stimmen von CDU/CSU und FDP wurde Schmidt ab- und mit Helmut Kohl ein neuer Kanzler gewählt. Die FDP hatte sich zwar erfolgreich von einer sozialliberalen in eine schwarz-gelbe Regierung gerettet, sah sich aber nun in der Öffentlichkeit mit großen Glaubwürdigkeitsproblemen konfrontiert – ihr wurde Taktieren und Wortbruch vorgeworfen.
Ähnlich wie 1969 ging der Koalitionswechsel mit einem großen Aderlass an Mitgliedern einher, bis 1987 verließen ungefähr ein Viertel der Mitglieder die Partei (Vorländer 2013, S. 506). Diese Entwicklung führte schließlich auch zum Rücktritt Genschers vom Parteivorsitz 1984. In den Folgejahren präsentierte sich die FDP wieder als verlässlicher Partner der Union. Bei den Bundestagswahlen profitierte man so im stärkeren Maße von Zweitstimmen der Unionsanhänger und konnte seine Wahlergebnisse stabilisieren. Gegenüber der CDU/CSU profilierten sich die Liberalen als marktliberales Korrektiv in der Wirtschaftspolitik und als Kontinuitätsanker in der →Außenpolitik. Die Partei profitierte auch von der großen Popularität Genschers, die 1990 während der →Deutschen Einheit ihren Höhepunkt erreichte. Bei der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl erreichte die FDP elf Prozent, doch konnten die Freidemokraten dieses Niveau in den Folgejahren nicht halten: Nachdem Genscher 1992 aus Altersgründen vom Amt des Außenministers zurücktrat, waren die 1990er-Jahre von zahlreichen Wahlniederlagen in den →Bundesländern gekennzeichnet. Innerparteilich folgte im Windschatten der farblosen Parteivorsitzenden Kinkel und Gerhardt der Aufstieg des Guido Westerwelle: 1994 wurde der damals 33-Jährige zum jüngsten Generalsekretär aller deutschen Parteien gewählt. Das Nachwuchstalent versuchte die FDP durch freche Auftritte und unkonventionelle Aktionen zu modernisieren. Programmatisch positionierte der Generalsekretär die FDP als moderne Reformpartei, die vor allem Steuersenkungen und einen Umbau des Sozialstaates versprach. So wollte man sich im Bundestagswahlkampf 1998 auch vom Koalitionspartner absetzen, ohne aber auf eine klare Koalitionsaussage für die CDU/CSU zu verzichten. Allerdings reichte es für die Regierung Kohl nicht mehr, zusammen mit der Union wurde auch die FDP nach 29 Jahren ununterbrochener Regierungsverantwortung in die →Opposition geschickt. Auch die Wahlkampagne zur Bundestagswahl vier Jahre später misslang völlig: Zum einen fehlte der inhaltsleeren, rein auf „Spaßwahlkampf“ ausgerichteten Kampagne weitgehend die öffentliche Resonanz. Um dann kurz vor dem Wahltermin wieder auf die FDP aufmerksam zu machen, provozierte zum anderen der nordrhein-westfälische Landesvorsitzende Jürgen Möllemann, auf dem die spezifische Ausrichtung maßgeblich zurückzuführen war, mit einem nicht mit der Parteiführung abgestimmten antiisraelischen Flyer. Die parteipolitische Konkurrenz warf der FDP daraufhin vor, Stimmen am rechten Rand „fischen“ zu wollen. Mit 7,4 Prozent der Zweitstimmen verfehlte man das gesteckte Wahlziel deutlich. Während Möllemann aus Partei und Fraktion gedrängt wurde, konzentrierte sich die FDP in der Folge auf ihre Rolle als kleine Oppositionspartei im Bundestag. 2005 präsentierten sich die Liberalen als seriöse, wirtschaftsliberale Reformpartei mit dem Fokus auf Steuervereinfachung und Steuersenkung. Mit 9,8 Prozent erreichte die FDP ihr bestes Ergebnis seit der Wiedervereinigung. Guido Westerwelle reklamierte den Wahlsieg für sich und übernahm auch den Vorsitz der Bundestagsfraktion. 2009 zog die FDP daraufhin mit dem zugespitzen programmatischen Motto „mehr Netto vom Brutto“ und der Forderung nach einem „einfacheren, gerechteren und niedrigeren Steuersystem“ in den Wahlkampf. Mit 14,6 Prozent der Zweitstimmen erreichte man das mit Abstand beste Ergebnis der Parteihistorie. Zusammen mit der Union konnte eine schwarz-gelbe Koalition gebildet werden. Nach dem Wahlsieg stellte sich aber schnell Ernüchterung ein. Den im Wahlkampf vollmundig angekündigten Wahlversprechen erfolgte keine Umsetzung, die →öffentliche Meinung über die FDP-Minister war miserabel. Als Reaktion darauf musste Westerwelle 2011 das Amt des Parteivorsitzenden an Philipp Rösler abtreten. Doch auch der vom Gesundheits- und Wirtschaftsminister aufgestiegene Rösler konnte den Abwärtstrend nicht stoppen. Bei der Bundestagswahl 2013 wurde die FDP für ihre Arbeit in der Bundesregierung abgestraft. Nur 4,8 Prozent der Zweitstimmen entfielen auf die Liberalen, die somit zu ersten Mal seit 1949 nicht mehr im Bundestag vertreten waren. Mit Christian Lindner wurde der NRW-Landesvorsitzende zum neuen Bundesvorsitzenden gewählt. Aus der ungünstigen Position als außerparlamentarischer Partei schaffte er es, die FDP inhaltlich und organisatorisch zu modernisieren. Mit bewusst neuen programmatischen Akzenten wie der Fokussierung auf die Themen Bildung, Familie und Digitales schafften die Liberalen 2017 mit 10,7 Prozent der Zweitstimmen die Rückkehr in den Bundestag. Die Sondierungsgespräche mit der Union und den →Grünen über die Bildung einer sogenannten „Jamaika-Koalition“ brachen die Freien Demokraten dann aber selbst ab, so dass letztendlich die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD fortgesetzt wurde. Trotz ihrer aktuellen Rolle als kleinere Oppositionsfraktion haben den Liberalen aber auch bundespolitisches Gewicht, da die FDP derzeit an drei Landesregierungen in unterschiedlichen Koalitionen als Juniorpartner beteiligt ist.
Organisation
Wie auch bei den parteipolitischen Wettbewerbern ist der Bundesparteitag das höchste Gremium der Partei (Treibel 2014, S. 93–97). Als ordentlicher Parteitag finden FDP-Bundesparteitage einmal jährlich statt. Zusätzlich können auch außerordentliche Parteitage einberufen werden. Der Bundesparteitag wird von 662 Delegierten gebildet, die von den 16 Landesverbänden und von der Auslandsgruppe Europa entsandt werden. Die Aufgaben des Bundesparteitages sind die Verabschiedung von inhaltlichen Beschlüssen und strategischen Fragen sowie die Wahl von Personal: So wählt der Parteitag u. a. alle zwei Jahre den Bundesvorstand. Die inhaltlichen Themen, die die FDP auf Parteitagen diskutiert, umfassen die immer wieder kehrenden inhaltlichen Beschlüsse wie Wahl- oder Grundsatzprogramme. Darüber hinaus wird die generelle Beschlusslage der Partei durch fachliche Anträge sukzessive verändert bzw. erweitert.
Das exekutive Führungsgremium der FDP ist laut Satzung der vom Bundesparteitag gewählte Bundesvorstand. Da dieses Gremium mit allen kooptierten, nicht stimmberechtigten Mitgliedern über 60 Personen umfasst, wird das politische Tagesgeschäft von einem kleineren Gremium innerhalb des Vorstands, vom Präsidium, wahrgenommen, dass auch deutlich häufiger tagt (Treibel 2014, S. 120–122). Das Präsidium besteht aus dem Bundesvorsitzenden, den drei stellvertretenden Vorsitzenden, dem Schatzmeister, der Generalsekretärin und drei weiteren Beisitzern. Darüber hinaus sind weitere Personen kraft ihres Amtes kooptiert: u. a. Vertreter der Landesregierungen, an denen die FDP beteiligt ist, ein Vertreter der FDP-Abgeordneten im Europäischen Parlament, ein Vertreter der FDP-Landtagsfraktionen und der Vorstandsvorsitzende der parteinahen Friedrich-Naumann-Stiftung (→politische Stiftungen). Der Bundesvorstand versammelt zudem regelmäßig sämtliche Akteure der Parteispitze. Neben den Mitgliedern des Präsidiums umfasst dieses Gremium 34 weitere Beisitzer, die in zwei Abteilungen vom Bundesparteitag gewählt werden. Durch das Verfahren über die Wahl der sogenannten „Kurfürstenliste“ ist sichergestellt, dass alle Landesverbände mit mindestens einem Mitglied vertreten sind. Zum Vorstand gehören darüber hinaus kraft Amtes, soweit vorhanden, alle der Partei angehörigen Bundesminister, Ministerpräsidenten und Kommissare der Europäischen Union.
Als einzige Vorfeld-, Unter- oder Nebenorganisation der FDP haben die Jungen Liberalen maßgeblichen Einfluss auf die Willensbildung der Mutterpartei (Treibel 2014, S. 106–108). Im Gegensatz zur Jungen Union und zu den Jungsozialisten (Jusos) gehören die JuLis formal nicht zur FDP-Parteiorganisation, sondern sind als eingetragener Verein rechtlich eigenständig. Viele ihrer Vorsitzenden (Guido Westerwelle, Birgit Homburger, Daniel Bahr, u. a.) hatten danach auch zentrale Ämter in Partei, Fraktion und Regierung inne.
Programmatik
Die Programmatik der FDP war über den Zeitverlauf ihrer Geschichte immer gewissen Trends, Veränderungen und Wendungen unterworfen (Treibel 2014, S. 78–93). Die unterschiedlichen Programme waren Ergebnisse teils heftiger innerparteilicher Aushandlungsprozesse zwischen den Flügeln der Partei: In den 1950er- bis in die 1970er-Jahre ließ sich ein soziokultureller Grundkonflikt zwischen den Nationalliberalen auf der einen und den Liberaldemokraten auf der anderen Seite beobachten. Dieser hatte sich aus der Rivalität mehrerer liberaler Parteien im Kaiserreich und der Weimarer Republik entwickelt und wurde in der Gründungsphase der Partei über die regional stark heterogenen Neugründungen weitergeführt. Erst ab den 1970er-Jahren verlor dieser Grundkonflikt durch das Ende nationalliberaler Ideen in der FDP und den massenhaften Austritt zahlreicher Mitglieder des rechten Flügels nach dem Start der sozialliberalen Koalition an Bedeutung. Ausgehend von der Zusammenarbeit mit der SPD und einer programmatischen Neupositionierung der FDP als progressiver Kraft im Zweieinhalb-Parteiensystem durch die Freiburger Thesen kam es zu einer intensiveren internen Auseinandersetzung um sozioökonomische Fragen zwischen den Wirtschaftsliberalen auf der einen und den Sozialliberalen auf der anderen Seite. Bis zum Ende der Koalition mit der SPD 1982 hatten die Sozialliberalen eine hegemoniale Stellung innerhalb der Partei inne, die sie dann aber durch die hohen Austrittswellen nach der Wende praktisch selbst aufgaben. Bis in die 2000er-Jahre behielten die Wirtschaftsliberalen die Oberhand im innerparteilichen Diskurs und festigten ihre neoliberalen Ideen in der Grundsatzprogrammatik der FDP durch die Wiesbadener Grundsätze. Unter der Führung von Guido Westerwelle – erst als Generalsekretär, ab 2001 als Bundesvorsitzender – verengten die Liberalen ihre Programmatik immer mehr auf wirtschafts- und steuerpolitische Themen, so dass die Partei im Bundestagswahlkampf 2009 hauptsächlich nur noch als Steuersenkungspartei wahrgenommen wurde. Nach der existenzbedrohenden Wahlniederlage 2013 rückten zuletzt aber vermehrt neue Themen wie Bildung, Familie und Digitales in den Vordergrund der FDP-Programmatik.
Diese zeichnet sich grundsätzlich durch folgende Prinzipien aus (Treibel 2018, S. 327): Freiheit wird im Zweifelsfall höher bewertet als Gleichheit und Sicherheit, das Individuum hat tendenziell Vorrang vor dem Kollektiv, privatwirtschaftliche Lösungen werden staatlichen vorgezogen. Das liberale Freiheitsverständnis ist mit dem Begriff der Verantwortung verbunden, die sich daraus automatisch für jeden Bürger ergibt. Einen Liberalen zeichnet zudem eine gewisse Grundskepsis gegenüber dem Staat aus, der sich deshalb so wenig wie möglich in die privaten und wirtschaftlichen Belange der Bürger einmischen soll. Außerdem ist die Überzeugung von der Rationalität und Effizienz der Märkte zentral: Um wirtschaftlichen Wohlstand zu erreichen, muss privates Eigentum garantiert und staatliche Eingriffe in den Wettbewerb, beispielsweise durch Subventionen, weitestgehend verhindert werden.
Mitglieder
Die FDP ist im Vergleich zu den mitgliederstärkeren Parteien CDU, →CSU und SPD eine kleine Partei. Ende 2017 wurde ihre Mitgliederzahl mit 63.050 angegeben. Absolut ist die Mitgliederzahl der Freidemokraten wie die der im deutschen Bundestag vertretenen Parteien seit 1990 rückläufig. Nach der Vereinigung mit den ostdeutschen liberalen Blockparteien 1990 zählte die FDP noch 178.625 Mitglieder.
Blickt man auf die regionale Verteilung der FDP-Mitglieder anhand der Mitgliederzahlen der Landesverbände, fällt auf, dass sich die Mitglieder auf die Landesverbände ungleich verteilen: NRW ist der mit Abstand mitgliederstärkste Landesverband. Als zweitgrößter Landesverband folgt →Baden-Württemberg mit weniger als halb so vielen Mitgliedern. Nach der Düsseldorfer Parteimitgliederstudie von 2009 (Klein 2011, S. 45–53) rekrutieren sich die Mitglieder der Freidemokraten verhältnismäßig stark durch Angestellte (28 %), Beamte/öffentlicher Dienst (27 %) und Selbstständige (27 %). Arbeiter (3 %) und Arbeitslose (2 %) sind hingegen unterrepräsentiert, genauso Gewerkschaftsmitglieder (9 %). Auch sind die FDP-Mitglieder überdurchschnittlich gut ausgebildet: 56 Prozent haben einen Hochschulabschluss. Hingegen sind Frauen in der FDP unterrepräsentiert, was man auf das Fehlen eines Frauenquorums bzw. einer Frauen-Quote bei innerparteilichen Personenwahlen zurückführen kann. 2017 betrug der weibliche Anteil an der FDP-Mitgliedschaft nur 21,9 Prozent.
Wählerschaft
Bei einem Blick auf die soziodemografischen Merkmale kann der typische FDP-Wähler der 2000er-Jahre als tendenziell männlich, zwischen 25 und 34 Jahre alt, sehr gut gebildet und berufstätig charakterisiert werden (Treibel 2018, S. 323). Ferner gilt die Erwerbsgruppe der Selbstständigen als die Stammklientel der Liberalen. Ältere Wähler, Frauen, Arbeitslose und Rentner mit einem niedrigeren Bildungsabschluss sind hingegen in der Regel nicht treue FDP-Wähler. Blickt man auf die Faktoren der Wahlentscheidung, wird deutlich, dass die FDP bei den vergangenen Bundestagswahlen weniger wegen langfristiger Parteibindungen und ihres Spitzenkandidaten gewählt wurde, sondern mehrheitlich wegen ihrer positiven Kompetenzzuschreibung in wirtschafts- und steuerpolitischen Fragen (Volkmann 2011). Ferner profitierte die FDP wie kaum eine andere Partei vom Stimmensplitting: Gerade Wähler des sogenannten „bürgerlichen Lagers“ wählten mit ihrer Zweitstimme vermehrt FDP, obwohl sie sich inhaltlich eigentlich der Union näher fühlten. Das Ziel dieses taktischen Wahlverhaltens war das Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde durch die FDP und so die Möglichkeit der Bildung einer „bürgerlichen Koalition“ aus Union und FDP.
Ein soziologischer Blick auf die Wähler der FDP in den 2000er-Jahren offenbart, dass die Liberalen ihre Wähler besonders in den privilegierten, einkommensreichen Gruppen der deutschen Gesellschaft – konkret im Milieu der Leistungsindividualisten und der etablierten Leistungsträger – rekrutieren konnten. Diese sozialen Milieus haben große Gemeinsamkeiten mit dem feuilletonistisch entwickelten Begriff der „Generation Golf“ (Illies 2001). Dieser umfasst die Alterskohorten der zwischen 1965- und 1975-Geborenen, denen in der Auseinandersetzung zur 68er-Generation eine deutliche Abkehr von postmaterialistischen und ökoalternativen hin zu bürgerlich-traditionellen Werten nachgesagt wird. Die vom Autor Florian Illies aufgestellte These konnten soziologische Studien zumindest teilweise verifizieren. So ist eine Abwendung von postmaterialistischen hin zu materialistischen Werten besonders bei den zwischen 1965- und 1975-geborenen Hochgebildeten tatsächlich gegeben, wenngleich der gleiche Befund in noch stärkerem Maße auch auf die nach 1975-Geborenen zutrifft. Sowohl vom Alter, als auch vom Bildungsstand her sind dies genau die Wählergruppen, die die FDP in den 2000er-Jahren – gerade bei der Bundestagswahl 2009 – im besonderen Maße erreichen konnte. Guido Westerwelle personifizierte für viele Beobachter in seinem politischen Wirken dieses Lebensgefühl. Die „Generation Golf“ wird explizit als unideologisch, unpolitisch und ungeduldig beschrieben. So präferierten die Angehörigen dieses Lebensstils die FDP in den 2000er-Jahren eher situativ als bürgerliche Protestpartei, nicht aber als feste politische Heimat, was durch den niedrigen Stammwähleranteil in der FDP-Wählerschaft empirisch bestätigt werden kann. Auch der Wunsch der „Generation Golf“, sich selbst aktiv zivilgesellschaftlich oder politisch z. B. in Parteien zu engagieren, ist nur sehr gering ausgeprägt. So verwundert es kaum, dass sich gerade diese tendenziell ungeduldigen Leistungsindividualisten bei der Bundestagswahl 2013 aus Enttäuschung über die schlechte Regierungsbilanz der FDP so schnell wieder von den Liberalen abgewendet haben.
Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Jan Treibel