Vorgeschichte und Gründung (1945–1949)
Am 07.10.1949 konstituierte sich nach der BRD der zweite deutsche Staat durch die Inkraftsetzung der „Verfassung der Deutschen Demokratischen Republik“. Name sowie erste Verfassung der DDR gingen auf einen Verfassungsentwurf der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED → Die Linke) vom 14.11.1946 zurück, der 1948/1949 den Verfassungsberatungen im Rahmen der Volkskongressbewegung zugrunde lag.
In staatsorganisatorischer Hinsicht wurden die ostdeutschen Verfassungsdiskussionen bei Ablehnung aller Konzeptionen von horizontaler und vertikaler Gewaltenteilung von einer radikalen einheitsstaatlichen Interpretation der Maxime der Demokratie geprägt. Die Verwirklichung der Demokratie setzte außerdem nach Ansicht der sowjetischen Besatzungsmacht und der deutschen Kommunisten die Beseitigung der sozialen und wirtschaftlichen Grundlagen des Faschismus voraus. Entsprechend wurde 1945/1946 auf dem Gebiet der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands (SBZ) eine rigorose Entnazifizierung in Justiz, Verwaltung und Erziehungswesen durchgeführt, durch die Bodenreform der agrarische Großgrundbesitz von „Junkern, Kriegsverbrechern und aktiven Nazis“ an Neubauern verteilt und das Industrievermögen von „Militaristen und Imperialisten“ enteignet. Diese von der Sowjetische Militäradministration (SMAD) und der SED proklamierte Politik richtete sich zunächst auf Gesamtdeutschland. Die Sowjetunion erhoffte sich davon größere Zugriffsmöglichkeiten auf das deutsche Wirtschaftspotenzial (Reparationsfrage). Die SED strebte als sozialistische Massenpartei aus Kommunisten und ostdeutschen Sozialdemokraten (Vereinigungsparteitag am 21./22.04.1946 in Berlin) die politische Führungsstellung in D an und formulierte zu diesem Zweck ihr Gründungsprogramm eines demokratischen und nichtrevolutionären „besonderen deutschen Weges zum Sozialismus“ (A. Ackermann).
Diesen gesamtdeutschen Erwartungen entzog die weltpolitische Entwicklung die Basis. Die Interessengegensätze der Siegermächte des Zweiten Weltkriegs verschärften sich ab 1947 zum „Kalten Krieg“. An die Stelle vager gesamtdeutscher Perspektiven trat in Ost- wie in Westdeutschland die Sicherung des eigenen Herrschaftsgebietes. In der SBZ wurde im Juni 1947 mit der Deutschen Wirtschaftskommission (DWK) ein zentraler Verwaltungsapparat geschaffen, im Juni 1948 nach dem Vorangehen der Westzonen eine separate Wirtschaftsreform durchgeführt, im Monat darauf der erste Zweijahresplan verkündet und in der zweiten Hälfte des Jahres 1948 die SED zu einer marxistisch-leninistischen Kaderpartei „neuen Typus“ transformiert.
Aufbau des Sozialismus (1950–1961)
In der neu gegründeten DDR übernahm Wilhelm Pieck (SED, früher KPD) das Amt des Präsidenten, Otto Grotewohl (SED, früher SPD) die Funktion eines Ministerpräsidenten. Der führende Politiker in der SBZ bzw. der DDR war aber seit dem Kurswechsel 1947/1948 der Altkommunist Walter Ulbricht. Nach dem III. Parteitag der SED im Juli 1950 wurde er zum Generalsekretär der Einheitspartei gewählt und hatte dieses wichtigste Amt im politischen System der DDR – nach dem 17.06.1953 als „Erster Sekretär des ZK der SED“ – bis 1971 inne. Unter Ulbrichts Führung wurde die Umgestaltung der politischen und wirtschaftlichen Ordnung der DDR nach dem Vorbild der Sowjetunion zum Programm. Schon im Februar 1950 wurde ein → Ministerium für Staatssicherheit etabliert, das sich seitdem als „Schwert und Schild der Partei“ im Dienste der Überwachung aller DDR-Bürger und insbesondere der Unterdrückung jeglicher oppositioneller Regungen immer mehr ausdehnte.
Auf der 2. Parteikonferenz der SED im Juli 1952 wurde der „Aufbau des Sozialismus“ auch offiziell verkündet. Der Anteil des „volkseigenen“ Sektors an Produktion und Handel wuchs, die Schwerindustrie wurde bevorzugt gefördert und die Kollektivierung der Landwirtschaft eingeleitet. Die Staatsorganisation wurde nach den Maximen der Volksdemokratie und des demokratischen Zentralismus zu einem gefügigen Instrument der politischen Herrschaft und planwirtschaftlichen Lenkung der Einheitspartei umgeformt. Dazu gehörten Einheitslisten zu den ersten Volkskammerwahlen (15.10.1950), Säuberungen und Gleichschaltungen in den bürgerlichen Parteien, der Einsatz der Strafjustiz als Mittel politischer Abschreckung, die Ausschaltung und Beseitigung der Selbstverwaltung durch Auflösung der fünf Länder und Neugliederung in 14 Bezirke (25.07.1952), zu denen (Ost-) Berlin als „Hauptstadt der DDR“ hinzukam.
Diese rigorose Transformationspolitik geriet mit Stalins Tod (05.03.1953) in eine Krise. Die neue sowjetische Führung befahl der SED einen „Neuen Kurs“ größerer politischer und wirtschaftlicher Rücksichtnahme auf die Bevölkerung. Da aber die kurz zuvor erhöhten Arbeitsnormen nicht zurückgenommen wurden, kam es am 16.06.1953 zum Streik von Ostberliner Bauarbeitern, der sich am folgenden Tag zu einer Protestbewegung für verbesserte Arbeitsbedingungen, freie Wahlen und die Ablösung der Regierung in der DDR ausweitete. Angesichts der Ohnmacht von ostdeutscher Partei- und Staatsführung konnte der Aufstand nur durch sowjetische Besatzungstruppen niedergeschlagen werden.
1955 erklärte die Sowjetunion, nach dem endgültigen Scheitern ihrer Bemühungen, auf diplomatischem Wege die politische und militärische Westintegration der BRD (→ Außenpolitik) zu verhindern (Stalin-Note vom 10.03.1952), die „volle Souveränität“ der DDR. Die „Nationale Volksarmee“ wurde aufgebaut und die DDR in das Militärbündnis des Warschauer Paktes aufgenommen. Nach dem Tode Piecks trat 1960 an die Stelle des Staatspräsidenten als kollektives Staatsoberhaupt der Staatsrat. Mit der Übernahme des Staatsratsvorsitzes erhob sich Ulbricht selbst zur Symbolfigur der DDR. Doch Ende der 1950er-Jahre erhöhten überspannte Wirtschaftspläne, die Forcierung der Kollektivierung der Landwirtschaft und die durch Drohungen N. S. Chruschtschows verschärfte Berlin-Krise die Labilität der DDR wieder dramatisch. Die Flüchtlingswelle von Ost- nach Westdeutschland (1949–1961: 2,7 Mio.) schwoll erneut dramatisch an und das SED-Regime meinte der damit verbundenen personellen und wirtschaftlichen Ausblutung ihres Staates nur durch die Schließung der innerdeutschen Grenzen am 13.08.1961 Einhalt bieten zu können.
Das System Ulbricht (1962–1970)
Der Bau der Berliner Mauer, im Westen als Eingeständnis der totalen Schwäche und Unmenschlichkeit des DDR-Regimes angeprangert, wurde zum Ausgangspunkt seiner zeitweisen Konsolidierung. Auf ihrem VI. Parteitag im Jan. 1963 beschloss die SED nicht nur ihr (erstes) Parteiprogramm, sondern verkündete mit dem „Neuen Ökonomischen System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft (NÖSPL)“ auch eine flexiblere Wirtschaftsordnung. Die DDR nahm Züge einer „sozialistischen Leistungsgesellschaft“ an, in der nicht mehr nur politische Rechtgläubigkeit, sondern auch fachliche Qualifikation über berufliche und damit gesellschaftliche Stellung entschied. Fachleute, wie Ökonomen und Techniker, rückten in politische Führungsstellungen auf. Verfassungsrechtlich festgeschrieben wurden die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Veränderungen 1968 in einer neuen, der zweiten Verfassung der DDR. Mit Hinweis auf die unbestreitbaren wirtschaftlichen Erfolge propagierte Ulbricht Ende der 1960er-Jahre das „Modell DDR“ als Vorbild aller entwickelten realsozialistischen Industriegesellschaften und geriet darüber in ideologische Konflikte mit der KPdSU. Als er sich dann auch noch den deutschlandpolitischen Entspannungsbemühungen zwischen der neuen sozialliberalen Bundesregierung und der Sowjetunion widersetzte, war der Zeitpunkt seiner Ablösung gekommen. Am 03.05.1971 wurde Ulbricht zum Rücktritt von seinem Amt als Erster Sekretär des ZK der SED gedrängt.
Honeckers Kurskorrekturen (1971–1980)
Die mit dem Abtritt Ulbrichts verbundenen einschneidenden Veränderungen auf ideologischem und politischem Gebiet traten im Gefolge des VIII. Parteitages der SED (Juni 1971) offen zutage. In personalpolitischer Hinsicht allerdings herrschte das Prinzip der Kontinuität. Erich Honecker, der das Amt des Ersten Sekretärs von Ulbricht übernahm, war schon in dem vorangegangenen Jahrzehnt dessen „Kronprinz“ gewesen. Es kam zu keinen dramatischen Umbesetzungen in den Führungsgremien, der Einfluss der Technokraten wurde jedoch zurückgedrängt. Der Primat der Politik gegenüber der Technik sowie der Ideologie gegenüber der Wissenschaft wurde eindeutig wiederhergestellt. Die Partei- und Staatsführung beschwor die „ewige Freundschaft“ mit der KPdSU und der UdSSR. Diese Kurskorrekturen gegenüber der Spätphase Ulbrichts, zu denen auch die Aufgabe jeden Bezugs auf eine gesamt-„deutsche Nation“ gehörte, wurden im Oktober 1974 in einer Änderung der Verfassung und im Mai 1976 in einem neuen Parteiprogramm festgeschrieben.
In der Zwischenzeit hatte der zweite deutsche Staat unter Führung Honeckers jenes existenzielle Ziel erreicht, um das er unter Ulbricht über Jahrzehnte fast ohne Erfolg kämpfte: die weltweite völkerrechtliche Anerkennung der DDR. Nachdem die beiden deutschen Staaten im Dez. 1972 durch den Grundlagenvertrag zu einem ersten, wenn auch fragilen „modus vivendi“ gefunden hatten, wurden sie beide im September 1973 in die Vereinten Nationen aufgenommen. Bis Ende 1974 nahmen fast alle Staaten der Welt diplomatische Beziehungen zur DDR auf. Der zwischendeutsche Ausgleich und die internationale Anerkennung werteten die DDR auf, brachten aber auch Pflichten und Probleme mit sich. Auf internationalem Gebiet begab sich die DDR in das komplizierte Konkurrenz- und Konfliktverhältnis aller Staaten und musste internationalen Abmachungen, wie denen der Konferenz von Helsinki über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (August 1975), zu genügen suchen. In zwischendeutscher Hinsicht war das ostdeutsche Regime mit den Begleiterscheinungen der wachsenden Zahl von westdeutschen Besuchern und dem Anspruch ihrer Bevölkerung, aus der staatlichen Anerkennung individuellen Nutzen zu erhalten, konfrontiert.
Die Folgen der internationalen Energie- und Rohstoffkrise waren in der DDR aufgrund ihrer unterdurchschnittlichen Ressourcenausstattung besonders spürbar. Diesen verschlechterten Rahmenbedingungen zum Trotz musste die DDR in den 1970er-Jahren versuchen, genügend Produktivität sowohl für die technische Innovation als auch für die Befriedigung der materiellen Bedürfnisse ihrer Bürger bereitzustellen. In der Konsum- und Sozialpolitik hatte die SED seit dem Bau der Mauer (1961) und verstärkt seit Beginn der „Ära Honecker“ das zentrale Instrument zur Stabilisierung und Legitimierung ihrer Herrschaft erkannt. Doch die – auch durch den innerdeutschen Vergleich – wachsenden Ansprüche der DDR-Bürger liefen den Möglichkeiten ihrer Befriedigung davon.
Krisen und Untergang der SED-Herrschaft (1981–1989)
Seit Beginn der 1980er-Jahre setzte die politische und wirtschaftliche Führung der DDR alles daran, nicht nur an der Spitze des technischen Fortschritts im Ostblock zu bleiben, sondern auch auf dem Weltmarkt jene Devisen zu verdienen, die für den Import sowohl von modernen Investitionsgütern für die Industrie als auch von Konsumwaren für die eigene Bevölkerung notwendig waren. Diese Ambitionen überforderten unter der Bedingung einer weltweiten Wirtschaftsrezession und angesichts der beschränkten Ressourcen das starre ökonomische Planungssystem der DDR. Die Löcher mussten durch westdeutsche Milliardenkredite gestopft werden.
Hinter der Fassade internationaler Anerkennung – mit dem Höhepunkt des Staatsbesuchs Honeckers im Sep. 1987 in der BRD – bröckelte allerdings die innere Stabilität des Regimes. 1985 hatte M. Gorbatschow die sowjetische Führung übernommen und setzte mit der Propagierung seines Reformkurses von Glasnost und Perestroika die kommunistische Führung der DDR immer mehr unter Druck. Die SED behauptete zwar, man brauche im Gegensatz zur Sowjetunion keine politischen und wirtschaftlichen Reformen, weil man diese in der DDR bereits vollzogen habe. Doch die ostdeutsche Bevölkerung empfand ein wachsendes Gefühl der Stagnation in ihrem Lande. Ökonomisch lebte das System immer mehr von der Substanz, sozialpolitisch wurden, zumal im Vergleich mit Westdeutschland, nur die notwendigsten Bedürfnisse erfüllt, auf ökologischer Ebene mehrten sich die Zeichen des industriellen Raubbaus, in der Kulturpolitik herrschten Gängelung und Repression.
Seit 1986 mehrten sich mit dem Aufkommen von Bürgerrechtsbewegungen die Anzeichen für Dissens und Widerstand in der DDR. Endgültig stellten im Jahr 1989 die gesamteuropäischen Veränderungen die Herrschaft der SED und die Existenz ihres Staates in Frage. Mit dem Schwinden und letztlichen Ende des Ost-West-Konfliktes verlor die DDR nicht nur ihre Schutzmacht Sowjetunion, sondern büßte auch die Blocksolidarität der osteuropäischen Staaten ein. Im Sommer 1989 füllten in Budapest, Prag und Warschau ostdeutsche Flüchtlinge zu Tausenden die bundesdeutschen Botschaften und wurden nicht zurückgeschickt. Ungarn öffnete am 11.09.1989 seine Grenzen und erlaubte den ostdeutschen Ausreisewilligen die Weiterfahrt durch Österreich in die BRD.
In dieser Situation allgemeiner Unzufriedenheit und wachsenden Widerstandes beharrte die ostdeutsche Parteiführung bei der Feier des 40. Jahrestages ihres Staates am 07.10.1989 darauf, dass mit ihrem Regime alles in Ordnung sei. Das brachte das Fass zum Überlaufen, nicht nur bei dem sowjetischen Ehrengast Gorbatschow, sondern auch unter den DDR-Bürgern. Der Staatssicherheitsapparat erkannte, dass er die Protestbewegung nur mit dem Risiko eines großen Blutbades hätte niederhalten können. Schon zehn Tage nach dem Jubiläum wurden Erich Honecker als Partei- und Staatschef, Günter Mittag als Wirtschaftschef und Joachim Hermann als Pressechef der SED zum Rücktritt gezwungen. Innerhalb weniger Wochen zerfiel die Parteidiktatur in der DDR, die nicht von außen überwältigt wurde, sondern nach innen implodierte.
Demokratische Wende und staatliches Ende der DDR
(18.10.1989–03.10.1990)
Nach dem Abtritt Honeckers und seiner engsten Gefolgsleute am 18.10.1989 versuchte die SED, durch eine neue Partei- und Staatsführung das die politische Macht zu behalten, scheiterte aber an der Halbherzigkeit ihrer Reformbemühungen. Der neue Generalsekretär der SED und Staatsratsvorsitzende Egon Krenz war schon zuvor der auserwählte Nachfolger Honeckers gewesen. Er konnte sich nur 50 Tage im Amt halten, weil die von ihm proklamierte „Wende“ der DDR-Politik unglaubwürdig blieb. Die überraschende Öffnung der Grenzen der DDR mit dem dramatischen „Fall der Mauer“ in Berlin in der Nacht des 09.11.1989 beschleunigte den endgültigen Zerfall der SED-Herrschaft und das Ende der DDR als deutschem Teilstaat, da nun die Möglichkeit der legalen und ungehinderten Übersiedlung von Ost- nach Westdeutschland, die Hunderttausende wahrnahmen, den politischen Druck auf radikalere Veränderungen verstärkte.
Seit Dez. 1989 mehrten sich in der ostdeutschen Bevölkerung die Stimmen, die nicht mehr, wie die Bürgerrechtsbewegungen sowie die intellektuelle und künstlerische Elite, die demokratische Revolution der DDR, sondern die Vereinigung des zweiten deutschen Staates mit der BRD forderten. Auf den großen Demonstrationen waren nicht mehr „Wir sind das Volk“, sondern „Wir sind ein Volk“ und „Deutschland einig Vaterland“ die Parolen, und die deutschen Nationalfarben Schwarz-Rot-Gold ohne das Emblem der DDR bestimmten das öffentliche Erscheinungsbild (→ Staatssymbole). In der ersten freien Volkskammerwahl am 18.03.1990 errang die „Allianz für Deutschland“, ein kurz zuvor auf energischen Druck von Bundeskanzler H. Kohl gebildetes Wahlbündnis aus → CDU, Demokratischem Aufbruch und Deutscher Sozialer Union, 47 % der Stimmen, während die lange Zeit auch in Meinungsumfragen favorisierte Sozialdemokratische Partei sich mit enttäuschenden 21,9 % begnügen musste. Die SED, die sich inzwischen zur „Partei des Demokratischen Sozialismus“ (PDS) umbenannt hatte, wurde mit 16,4 % noch drittstärkste Partei. Das von den Bürgerrechtsbewegungen als den Trägern der demokratischen Revolution vom Herbst 1989 gebildete → Bündnis 90 war mit 2,9 % der Stimmen weit abgeschlagen. Der Ausgang dieser Wahl war ein nationales Plebiszit der Mehrheit der Ostdeutschen für Bundeskanzler Kohl und die von ihm verkörperte Wiedervereinigungspolitik, von der man sich eine schnelle und umfassende Besserung der Lebensverhältnisse erwartete.
Nach dieser ersten freien Volkskammerwahl in 40 Jahren DDR-Geschichte bildete sich unter Lothar de Maizière (CDU) eine neue DDR-Regierung der großen → Koalition, die aber nur noch das staatliche Ende der DDR „abzuwickeln“ hatte. Sie vereinbarte Ende April mit der → Bundesregierung die Einführung der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion zum 1. Juli 1990 und Ende August den „Vertrag über die Herstellung der Einheit Deutschlands“. Aufgrund dieses Einigungsvertrages traten die fünf Länder der DDR, die zuvor wieder an die Stelle der Bezirke getreten waren, und Ostberlin am 03.10.1990 als dem neuen „Tag der Deutschen Einheit“ der BRD und dem Geltungsbereich des →Grundgesetzes bei.
Damit hörte die DDR nach fast 41 Jahren auf als Staat zu existieren; ihre Geschichte wird jedoch noch lange Zeit in D nachwirken. Nicht nur die verbrecherische Vergangenheit des SED-Regimes sowie die ökonomischen und ökologischen Erblasten seiner Herrschaft werden die Deutschen noch viele Jahre beschäftigen. Auch die Erfahrungen und Prägungen durch mehr als 40 Jahre realsozialistischer Diktatur und, wenn man das Dritte Reich hinzuzählt, mehr als 56 Jahre diktatorischer Systeme werden noch lange Zeit zu Spannungen und Verwerfungen insbesondere in der → politischen Kultur des vereinigten D führen.
Die 40jährige Geschichte der DDR ist seit der Vereinigung nicht nur zum Thema umfangreicher zeitgeschichtswissenschaftlicher Forschungen, sondern auch Gegenstand kontroverser politischer Auseinandersetzungen geworden. So hat der Deutsche →Bundestag vom Frühjahr 1992 bis Sommer 1994 der „Aufarbeitung von Geschichte und Folgen der SED-Diktatur in Deutschland“ eine eigene →Enquete-Kommission gewidmet, die in der darauffolgenden Legislaturperiode ihre Arbeit unter dem Titel „Überwindung der Folgen der SED-Diktatur im Prozess der deutschen Einheit“ fortgesetzt hat. An deren Stelle ist nach der Bundestagswahl vom 27.09.1998 eine „Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur“ getreten, die Opfer des SED-Regimes beraten und Initiativen zur wissenschaftlichen Erforschung der DDR-Geschichte fördern soll. Wer die Gegenwart und die Zukunftsaufgaben des vereinigten D verstehen will, muss auch die Geschichte der DDR einbeziehen.
Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Wilhelm Bleek