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Bundesrechnungshof | bpb.de

Bundesrechnungshof

Markus Seyfried

Der Bundesrechnungshof schaut mittlerweile auf eine über 300 jährige Geschichte der Finanzkontrolle zurück (vgl. Engels 2014). Auch wenn Aufgaben und Organisation damaliger Rechenkammern bestenfalls rudimentär mit den Einrichtungen moderner Finanzkontrolle vergleichbar sind, so legten sie doch einst deren Grundstein. Heute ist der Bundesrechnungshof eine oberste Bundesbehörde und prüft laut Artikel 114 Abs. 2 GG die „Rechnung sowie die Wirtschaftlichkeit und Ordnungsmäßigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes.“ Weitere Regelungen für den Bundesrechnungshof finden sich in der Bundeshaushaltsordnung (BHO, hier Teil V Rechnungsprüfung bis Teil VIII Entlastung, §§ 88 bis 114) im Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG, §§ 53 bis 56) und im Bundesrechnungshofgesetz (BRHG vom 11.07.1985, mit letzter Änderung vom 05.02.2009).

Aus diesen Regelungen geht unter anderem hervor, dass der Bundesrechnungshof mit den → Bundesministerien, dem → Bundespräsidialamt sowie dem → Bundeskanzleramt statusgleich ist. Im Vergleich zu den historischen Vorgängerinstitutionen ist der Bundesrechnungshof ein unabhängiges Organ, das nur dem Gesetz unterworfen ist. Seine Mitglieder genießen richterliche Unabhängigkeit. Sowohl die Exekutive als auch die Legislative sind Gegenstand aber auch Adressat seiner Prüfungen. Der Bundesrechnungshof kann nicht durch andere Staatsorgane beauftragt werden und er nimmt nach eigenem Bekunden auch keine politischen Entscheidungen vor. Gerade letzteres hat aber in der wissenschaftlichen Literatur zu Debatten über die Rolle des Rechnungshofs geführt (stellvertretend für viele: Bartel 1993).

Die Aufbauorganisation des Bundesrechnungshofs orientiert sich an den Prüfungsgebieten, von denen es derzeit insgesamt 51 gibt, die wiederum in neun Prüfungsabteilungen zusammengefasst sind und von Abteilungsleiterinnen und -leitern geführt werden (Stand Ende 2018). Den in den Abteilungen organisierten Prüfungsgebieten sind jeweils Prüfungsgebietsleiterinnen und -leiter zugeordnet, die gemeinsam mit Prüfungsbeamtinnen und -beamten sowie weiteren Bediensteten des Bundesrechnungshofs die Prüfungen durchführen. Auch die Organisation kleinerer Gruppen sowie von Kooperationen zwischen Prüfungsgebieten sind möglich, wenn beispielsweise Aufgabenbereiche anderer Prüfungsgebiete berührt sind. Damit versucht der Bundesrechnungshof der zunehmenden Komplexität von Politikinhalten Rechnung zu tragen.

Wichtigstes Entscheidungsorgan des Bundesrechnungshofs ist der Große Senat. Dazu gehören der Präsident, der Vizepräsident, die Leiter der Prüfungsabteilungen sowie mehrere Prüfungsgebietsleiter. Entschieden wird mit Stimmenmehrheit, wobei der Entscheidungsstil als kollegial bezeichnet wird. Entscheidungen, die nicht von grundsätzlicher Bedeutung sind, werden dagegen in den sogenannten Senaten oder Zweier- bzw. Dreierkollegien getroffen. In den Senaten wird jeweils nach Mehrheitsprinzip entschieden (§ 15 Abs. 2). In den Kollegien werden dagegen die Entscheidungen einstimmig gefällt (§ 15 Abs. 1).

Hervorzuheben ist die Rolle des Rechnungshofpräsidenten. Er wird von Bundestag und Bundesrat auf Vorschlag der Bundesregierung gewählt und vom Bundespräsidenten ernannt. Eine Wiederwahl ist nicht möglich (§ 5 Abs. 1, BRHG). Der Rechnungshofpräsident wird u.a. als „Primus inter Pares“, d. h. als „Erster unter Gleichen“, bezeichnet und hat in Entscheidungssituationen mit Stimmengleichheit eine herausgehobene Stellung (§ 15 Abs. 2 BRHG). Hinzu kommen weitere wichtige Befugnisse: Der Präsident leitet und verteilt die Geschäfte des Rechnungshofs. Grundlage der Aufgabenverteilung innerhalb des Rechnungshofs ist der jährlich neu zu beschließende Geschäftsverteilungsplan. Der Präsident beaufsichtigt ferner die Prüfungstätigkeit und ist zuständig für die Außenvertretung der Behörde (§ 6 und 7, BRHG). Des Weiteren schlägt er den Vizepräsidenten und die neuen Mitglieder vor, die vom Bundespräsidenten ernannt werden. Das Recht zur Ernennung der übrigen Beamten kann auf den Präsidenten übertragen werden (§ 5 Abs. 2 BRHG). Nimmt der Präsident seine Geschäfte durch Abwesenheit oder Krankheit nicht wahr, wird er vom Vizepräsidenten vertreten.

Der Bundesrechnungshof übernimmt mit Prüfung und Beratung zwei zentrale Aufgabenfelder. Gegenwärtig umfasst die Prüfungstätigkeit der Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes nach Angaben des Bundesrechnungshofs ein Gesamtvolumen von über 600 Milliarden Euro an Einnahmen und Ausgaben. Hinzu kommen Sozialversicherungsträger und Beteiligungen des Bundes. Die Ergebnisse aus der Prüfungstätigkeit gehen in die sogenannten Prüfungsmitteilungen ein. Herausragende oder besondere Befunde gehen in den Jahresbericht (sogenannte „Bemerkungen“) des Bundesrechnungshofs ein und werden auf diesem Wege an → Bundesrat, → Bundestag und → Bundesregierung weitergeleitet und auch einer interessierten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Aus den Prüfungserfahrungen des Bundesrechnungshofes ergibt sich die Beratungstätigkeit des Bundesrechnungshofes, die durchaus im Zielkonflikt mit der Prüfungstätigkeit stehen kann (Niekamp 2004). Beraten werden nicht nur die geprüften Stellen, sondern auch der → Bundestag, der → Bundesrat oder die → Bundesregierung.

Der Bundesrechnungshof ist bei der Wahl der Prüfungsmethoden, der Prüfungstiefe sowie bei der inhaltlichen Ausrichtung selbstständig und unabhängig. Er entscheidet über die Prüfungsmaterie und kann die zur Durchführung der Prüfung erforderlichen Auskünfte und Informationen einholen. Allerdings können die geprüften Organisationen auch Vermeidungsstrategien entwickeln. Zentrale Prüfungsmaßstäbe des Rechnungshofes sind Ordnungsmäßigkeit, Rechtmäßigkeit sowie Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit. Beispielsweise beinhaltet die Ordnungsmäßigkeitsprüfung die Richtigkeit und Verlässlichkeit der Rechnung, die Beachtung des Haushaltsplans und der Rechts- und Verwaltungsvorschriften einschließlich der einheitlichen Anwendung der Steuer- und Geldleistungsgesetze (Zavelberg 1995, S. 521; Freytag 2005, S. 44). Wirtschaftlichkeit stellt dagegen auf die günstigste Relation zwischen Zweck und verfügbaren Mitteln ab. Sie umfasst das Sparsamkeitsprinzip (Minimalprinzip) und das Ergiebigkeitsprinzip (Maximalprinzip) und legt diese jeweils als Prüfungsmaßstäbe an (Zavelberg 1995, S. 522). Deutlich detailliertere Angaben und Vorschriften hinsichtlich der Organisation und Aufgabenerfüllung durch den Bundesrechnungshof lassen sich der Geschäftsordnung sowie der Prüfungsordnung entnehmen (vgl. etwa GO-BRH sowie PO-BRH).

Die Prüfungstätigkeit des Bundesrechnungshofs schließt zudem Kooperationen mit Landesrechnungshöfen oder dem Europäischen Rechnungshof nicht aus. Auch hier gilt, dass die Rechnungshöfe jeweils unabhängig agieren und keine Weisungsbefugnisse untereinander haben. Zu den möglichen Kooperationsformen gehören beispielsweise gemeinsame Prüfungen oder Vereinbarungen, die eine Übertragung des Prüfungsrechts erlauben. Aufgrund der Verflechtung der Finanzsysteme von Bund und Ländern haben der Bundesrechnungshof und die Landesrechnungshöfe außerdem Präsidentenkonferenzen eingerichtet und spezialisierte Arbeitskreise institutionalisiert. Die Kooperation mit dem Europäischen Rechnungshof (EuRH) ist darüber hinaus in EU-Vertragen (Art. 287 AEUV) kodifiziert. Demnach kann der Bundesrechnungshof selbst entscheiden, wie und in welcher Form er sich an den Prüfungen des EuRH beteiligen möchte.

Quelle: Andersen, Uwe/Wichard Woyke (Hg.): Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. 8., aktual. Aufl. Heidelberg: Springer VS 2021. Autor des Artikels: Markus Seyfried

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