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Finanzminister, europäischer | bpb.de

Finanzminister, europäischer

L. Fischer

Wird der Begriff Finanzminister im Plural verwendet, werden hierunter umgangssprachlich bzw. im journalistischen Kontext die einzelnen Finanzminister der Eurostaaten in ihrer Gesamtheit verstanden. Diese treffen sich regelmäßig in informellen Sitzungen der sog. Eurogruppe. Diese Gruppierung dient dazu, die Koordination der Finanz-, Währungs- und Wirtschaftspolitik in der Eurozone zu erleichtern und sicherzustellen. Im Rahmen der Finanzkrise hat die Eurogruppe im Zusammenhang mit den Entscheidungen über milliardenschwere Kreditprogramme erheblich an Gewicht gewonnen. Daneben bilden die Eurofinanzminister den Gouverneursrat des Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM).

Außerdem wird unter dem Begriff des Eurofinanzministers – im Singular verwendet – ein neues Europäisches Ministeramt verstanden, dessen Einführung aktuell auf europ. Ebene diskutiert wird. Die Kommission hat hierzu in einer Mitteilung im Jahre 2017 einen ersten Entwurf zur Etablierung eines »Europäischen Ministers für Wirtschaft und Finanzen« erstellt. Aber auch das Europäische Parlament hat sich in seiner Entschließung vom 16.2.2017 »zur Verbesserung der Funktionsweise der Europäischen Union durch Ausschöpfung des Potenzials des Vertrags von Lissabon« für eine entsprechende Möglichkeit offen gezeigt. Der Kommissionsvorschlag beruht auf Bestrebungen zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion. Der Minister soll die allgemeinen wirtschaftlichen Interessen der EU und der Eurozone verfolgen und diese auf internationaler Ebene vertreten. Die Einrichtung eines gesonderten Amtes soll dazu beitragen, dass nicht mehr die Interessen nationalstaatlicher Minister im Vordergrund stehen, sondern die Interessen der EU bzw. der Eurozone. Dies unterscheidet das Ministeramt beispielsweise von der Kommission, die sich aus Kommissaren der 28 EU-Mitgliedstaaten zusammensetzt oder der Eurogruppe, welche sich aus Mitgliedern der einzelnen Eurostaaten zusammensetzt. Insoweit wird eine Prägung durch rein einzelstaatliche Interessen vermieden. Auch soll durch die Zentrierung des Amtes auf eine Person die Koordinierung der Wirtschaftspolitik innerhalb der EU gestärkt werden. Langwierige Prozesse der Aushandlung und Abstimmung auf europ. Ebene könnten somit in bestimmten Bereichen entfallen. Der Minister soll zugleich Vizepräsident der Kommission werden und innerhalb dieser den für Wirtschaft und Finanzen zuständigen Kommissar stellen. Darüber hinaus soll er das Amt des Vorsitzenden der Euro-Gruppe einnehmen. Hierdurch wird er jedoch zum Minister mit »Doppelhut« und gerät in einen Zwiespalt, in dem er in einer Person die Interessen der Eurozone und der gesamten EU vereinen muss. Auf der anderen Seite ist er dadurch Bindeglied zwischen Kommission und Eurogruppe.

Von der Kommission wurde die Idee eingebracht, dass der Minister auch die Aufgabe haben könnte, einen zentralen Haushalt für die Eurozone zu verwalten (Eurozonenbudget).

Ein weiterer Grund zur Einführung des Ministeramtes ist die Stärkung von Transparenz auf Ebene der EU-Politik und die Erfüllung demokratischer Rechenschaftspflichten gegenüber dem Europäischen Parlament und den Nationalstaaten. Gerade fehlende Transparenz und demokratische Legitimation wurden bei der informell und nicht öffentlich tagenden Eurogruppe in Anbetracht ihres wachsenden Einflusses in der Vergangenheit bemängelt.

Literatur

  • S. Pilz: Ein Schatzamt für die Eurozone?, in: Europäische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht (EuZW) 2017, S. 637ff.

  • U. Hufeld, Das Recht der Europäischen Wirtschaftsunion in: P.-C. Müller-Graff (Hrsg.), Band 4 der Enzyklopädie Europarecht, § 24.

  • Mitteilung der Kommission: Ein Europäischer Minister für Wirtschaft und Finanzen, COM(2017) 823 final, Brüssel.

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: L. Fischer

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