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Europarechtliche Grundsätze | bpb.de

Europarechtliche Grundsätze

M. Höreth

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mehrere E. entwickelt, um seine Funktion als »Hüter« der Verträge (»Wahrung des Rechts bei der Auslegung und Anwendung dieses Vertrages«, Art. 220 EGV) besser wahrnehmen zu können. Ausgehend von der Erkenntnis, dass den Normen des Gemeinschaftsrechts eine möglichst optimale Wirkungskraft verliehen werden muss (»effet utile«), haben 2 Grundsätze eine besondere Bedeutung erlangt:

1. der Grundsatz der »unmittelbaren Wirkung«.

Hier stellte der EuGH bereits 1962 in seinem Urteil im Fall »Van Gend & Loos« fest, »dass nach dem Geist, der Systematik und dem Wortlaut des Vertrages« europ. Primärrecht unmittelbare Wirkungen erzeugt und individuelle Rechte begründet, welche die staatlichen Gerichte zu beachten haben. Das bedeutet, dass sich jedermann auf die in dem Vertrag enthaltenen Rechte berufen kann und die innerstaatlichen Gerichte deren Schutz – wie bei innerstaatlichem Recht auch – gewährleisten müssen.

Zudem wurde klargestellt, dass es nicht mehr in der vollständigen Souveränität der Mitgliedstaaten liegt, ob und wie sie Entscheidungen der EG umsetzen. Kraft der auf die Gemeinschaften übertragenen Hoheitsrechte können die Gemeinschaftsorgane somit Regelungen erlassen, die unmittelbar Rechte und Pflichten für den Einzelnen begründen. Damit besitzt das Gemeinschaftsrecht eine »Durchgriffswirkung«. In dieser liegt der wesentliche Unterschied zwischen den Regelungsbefugnissen der Gemeinschaften und den Beschlüssen anderer internationaler Organisationen.

2. Der Vorrang des Gemeinschaftsrechts.

Dieses Prinzip war und ist unerlässlich für die schrittweise Herausbildung einer europ. »Verfassung«. Es hätte wenig Sinn, dem europ. Recht die Qualität der »unmittelbaren Wirkung« zuzusprechen, wenn es nicht zugleich Vorrang gegenüber nationalem Recht genießen würde. In seiner berühmten Entscheidung »Costa/ENEL« von 1964 hat der EuGH das Verhältnis zwischen Gemeinschaftsrecht und nationalem Recht der Mitgliedstaaten präzisiert und für ein klassisches, föderales Konstitutionsprinzip entschieden: So wie im Föderalstaat Bundesrecht Landesrecht bricht, geht europ. Recht nationalem Recht vor – egal ob es sich bei diesem um einfache Gesetze oder Verfassungsartikel handelt. Dieser Vorrang des primären und sekundären Gemeinschaftsrechts ist somit ausdrücklich auch gegenüber später ergangenen nationalen Gesetzen garantiert.

Literatur

  • M. Höreth: Die Selbstautorisierung des Agenten. Der Europäische Gerichtshof im Vergleich zum U. S. Supreme Court, Baden-Baden 2008.

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: M. Höreth

Siehe auch:

Fussnoten

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