»Bail-out« (engl.: »aus der Patsche helfen«) ist eine etablierte Bezeichnung für die Schuldübernahme, die im Recht der EU-Wirtschaftsunion mit Art. 125 AEUV ausdrücklich verboten wird: »no Bail-out«. Weder die EU noch ein Mitgliedstaat soll als Haftungsschuldner einstehen müssen für Verbindlichkeiten eines (anderen) Mitgliedstaats. Das Bail-out-Verbot verpflichtet die Mitglieder der EU auf den Grundsatz der autonomen Staatsfinanzierung. Verantwortungslose »moral hazard«-Politik (engl.: »moralisches Fehlverhalten«) zu Lasten Dritter soll damit ausgeschlossen werden. Die mit dem Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM gewährleistete Staatsfinanzierung im Notstand kann als vertragskonforme Durchbrechung des »no Bail-out« gelten (Art. 136 Abs. 3 AEUV). Noch vor dem Inkrafttreten dieser Norm hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) in der Pringle-Entscheidung betont, dass die Nothilfe nicht den mit Art. 125 AEUV gewährleisteten Anreiz zu einer soliden Haushaltspolitik durchkreuzen darf. Auf dieser Linie verlangt Art. 136 Abs. 3 Satz 2 AEUV, dass die Gewährung aller Finanzhilfen »strengen Auflagen unterliegen« muss.
Im Zuge der globalen Finanzkrise nach 2008 hat sich der Begriff »Bail-out« in einer weiteren Konstellation der Schuldübernahme durchgesetzt – für die Refinanzierung einer insolventen Bank aus Steuermitteln. In einer Notsituation mag es für diesen Bail-out gute Gründe geben. Jedoch ist eine verlässliche, kalkulierbare und kalkulierte Bankenrettung – eine implizite Staatsgarantie für die Bank trotz übermäßiger Risiken – politisch unvertretbar und ökonomisch unerwünschter moral hazard-Anreiz mit preis- und wettbewerbsverzerrender Wirkung. Dem will der »Bail-in« (engl.: Beteiligung der Gläubiger) systematisch entgegentreten durch Beteiligung des Privatsektors an den Kosten einer Restrukturierung oder Abwicklung von Banken (»private sector involvement«, PSI). Mit öffentlich-rechtlichen Bail-in-Instrumenten im Recht der Bankenunion (Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital; Herabschreibung) soll die Verlustzuweisung an Investoren (Anteilseigner und Gläubiger, die Bankenkapital zur Verfügung stellen) gelingen und der steuerfinanzierte Bail-out verhindert werden. Das besondere Insolvenzrecht für Banken soll zugleich die Kontinuität systemrelevanter Funktionen der Bankwirtschaft sicherstellen. Die Handhabung der Bail-in-Instrumente ist eine Aufgabe des Abwicklungsmechanismus SRM (single resolution mechanism).
Literatur
T. H. Tröger: Zu kompliziert, um zu funktionieren – Eine kritische Bewertung das Bail-in-Instruments im europäischen Recht der Bankenabwicklung, in: Zeitschrift für Bankrecht und Bankwirtschaft (ZBB/JBB), H. 1/2018, S. 20–42.
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: U. Hufeld
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