Der Pariser Gipfel der europ. Staats- und Regierungschefs beauftragte im Dezember 1974 den damaligen belg. Ministerpräsidenten Leo Tindemans [* 16.4.1922 · † 26.12.2014], Vorschläge für eine Weiterentwicklung der Gemeinschaft zu einer »Europäischen Union« auszuarbeiten. Der Bericht, der wesentlich von Tindemans' Berater Jacques Vandamme geprägt war, formulierte sowohl europapolitische Leitbilder (»Europa der Bürger«) als auch konkrete Handlungsempfehlungen, dazu gehörten die Direktwahl des Europäischen Parlaments, die Europäisierung weiterer Politikbereiche, die Schaffung einer Wirtschafts- und Währungsunion sowie einer gemeinsamen Außenpolitik. Der umfassende Bericht blieb zunächst ohne politische Folgen, jedoch sind zahlreiche Vorschläge später umgesetzt worden, so etwa der Begriff der Europäischen Union und die Idee einer Währungsunion, die in den Vertrag von Maastricht (1993) eingegangen sind.
Literatur
B. Bengel u. a.: Nur verpaßte Chancen? Die Reformberichte der Europäischen Gemeinschaft, Bonn 1983, S. 18-32.
H. Schneider/W. Wessels (Hg.): Auf dem Weg zur Europäischen Union? Diskussionsbeiträge zum Tindemans-Bericht, Bonn 1977 (hier auch Abdruck des Berichts).
J. Vandamme. Die abgestufte Integration im Tindemans-Bericht, in: integration, H. 3/1978, S. 83-89.
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: O. Leiße