Schengen ist ein Grenzort in Luxemburg. Hier haben Deutschland, Frankreich und die Beneluxstaaten am 14.6.1985 das Schengener Übereinkommen zum Abbau von Kontrollen an den Binnengrenzen unterzeichnet. Der Name der Stadt steht mittlerweile stellvertretend für dieses Abkommen und die daraus entstandene Zusammenarbeit. Zentrale Rechtsgrundlage für S. ist das sog. Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ, auch Schengen II) vom 19.6.1990, das zudem Ausgleichsmaßnahmen zum Schutz der Grenzen vorsieht. Mit dem Inkrafttreten des SDÜ am 26.3.1995 und dem Wegfall der Personenkontrollen an den Binnengrenzen entstand der sog. Schengen-Raum als Raum des freien Personenverkehrs. Das SDÜ verbindet die Aufhebung von Grenzkontrollen mit einer Vielzahl von Ausgleichsmaßnahmen, um negative Konsequenzen für die innere Sicherheit (z. B. eine Zunahme der organisierten Kriminalität) zu verhindern. Zentrale Maßnahmen dabei sind die Schaffung des Schengener Informationssystems (SIS) als Fahndungsverbund, die Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit von Polizei- und Justizbehörden, die Angleichung der Visa- und Asylpolitik sowie die Überwachung der gemeinsamen Außengrenzen. Seit der Unterzeichnung des SDÜ haben sich immer mehr Staaten der Zusammenarbeit angeschlossen. Zwischen 1990 und 1996 waren dies Italien, Spanien, Portugal, Griechenland, Dänemark, Finnland und Schweden. Die beiden Schengener Übereinkommen sind zwischenstaatliche Verträge. Durch ein Protokoll zum Vertrag von Amsterdam (1999) wurde der sog. »Schengen-Besitzstand«, also alle erforderlichen Maßnahmen und Strukturen der Schengen-Kooperation, in den rechtlichen und institutionellen Rahmen der EU überführt. Irland und Großbritannien haben sich gegen den Abbau von Grenzkontrollen entschieden, aufgrund von Sonderregelungen nehmen sie lediglich an der polizeilichen Zusammenarbeit teil. Alle neuen EU-Mitglieder müssen den Schengen-Besitzstand jedoch übernehmen. Die Personenkontrollen im Schengen-Raum fallen allerdings erst dann tatsächlich weg, wenn auch sichergestellt ist, dass die Ausgleichsmaßnahmen von allen Staaten effektiv angewendet werden. So kamen etwa 2004 im Rahmen der Osterweiterung 10 neue EU-Mitgliedstaaten hinzu, doch sind die Ausgleichsmaßnahmen dort erst im Dezember 2007 vollständig umgesetzt worden. Nur Zypern, die 2007 beigetretenen Staaten Bulgarien und Rumänien bzw. das 2013 beigetretene Kroatien haben bisher noch nicht alle Voraussetzungen für eine Grenzöffnung erfüllt (Stand 2019). Obwohl sie keine EU-Mitglieder sind, haben Island und Norwegen, die mit Schweden, Finnland und Dänemark eine Passunion bilden, auch den Schengen-Besitzstand übernommen. Die Schweiz nahm seit Ende 2008 zunächst durch ein Assoziierungsabkommen an der Schengener Zusammenarbeit teil und ist dem Übereinkommen am 29.3.2009 beigetreten. Im Zuge der sog. Flüchtlingskrise (seit 2015) ist eine Debatte um die Reform des S.-Systems aufgekommen und es wurden entsprechende Pläne vorgelegt. In diesem Zusammenhang kam es auch zur Einführung von (zeitlich begrenzten, aber immer wieder verlängerten) Kontrollen an den Binnengrenzen im Schengenraum (z. B. an der deutsch-österreichischen Grenze).
Literatur
K. Famira: Der freie Personenverkehr in Europa: Schengen nach Amsterdam, Berlin 2004.
K. Nanz: Das Schengener Übereinkommen, in: integration, H. 2/1994, S. 92-108.
R. Ueberecken: Schengen reloaded, Centre for European Reform, Brüssel 2019 (Download: www.cer.eu).
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: J. Siegl
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