Die R. dienen in einigen EU-Mitgliedstaaten zur Ratifizierung von EU-Vertragsreformen. Lediglich die irische Verfassung schreibt ein R. zwingend vor, während in Dänemark das Volk nur dann abstimmen muss, wenn im Parlament keine Zweidrittelmehrheit erreicht wird. In Ländern wie Frankreich oder Großbritannien kann das Volk fakultativ befragt werden. 1992 kam es zu der »Ratifikationskrise von Maastricht«, nachdem der Vertrag in Dänemark knapp mit 50,7 % abgelehnt worden war und er in Frankreich nur eine hauchdünne Mehrheit erreichte. Erst nach Aushandlung einer Reihe von Sonderregelungen (sog. »Opt-outs«) stimmten die Dänen in einem zweiten R. dem Vertrag zu, sodass er 1993 in Kraft treten konnte. Ähnlich verfahren wurde mit dem Nizza-Vertrag, der 2001 in Irland abgelehnt und 2002 in einem zweiten R. angenommen wurde. Die Ratifikationsschwierigkeiten zeigen eindrucksvoll, dass die Zustimmung der europ. Bevölkerung zum »Elitenprojekt EU« nicht mehr einfach vorausgesetzt werden kann.
Hier rückt die mangelhafte »Europakommunikation« der nationalen Regierungen immer mehr in den Mittelpunkt – ein Thema, das mit den negativen R. zum Verfassungsvertrag in den Niederlanden, Frankreich (2005) und Irland (2008) eine neue Brisanz erfuhr. Oftmals werden die R. zu EU-Verträgen auch generell infrage gestellt, weil sie leicht zu Abstimmungen über akute Stimmungslagen des Volkes geraten. Umgekehrt wird darin oft ein Heilmittel für die aktuelle Vertrauenskrise der EU gesehen.
Literatur
W. Schünemann: In Vielfalt verneint? Referenden in und über Europa von Maastricht bis Brexit, Wiesbaden 2016.
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: J. Õispuu
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