Im Europarecht wird zwischen primärem (»ursprünglichen«) und sekundärem (»abgeleitetem«) Recht unterschieden. Diese Unterscheidung ist vergleichbar mit der in der Bundesrepublik Deutschland üblichen Differenzierung zwischen Verfassungsrecht einerseits und einfachem Recht andererseits.
Die europ. Verträge stellen als Primärrecht – auch dank der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) – eine Art europ. Verfassungsrecht dar. Die Gründungsverträge der Europäischen Gemeinschaften wurden inzwischen mehrfach geändert, zuletzt durch den Lissabonner Vertrag (2009), der jedoch noch in allen Mitgliedstaaten ratifiziert werden muss. Durch das primäre Recht wird auch geregelt, welche Organe auf welche Weise an Beschlüssen beteiligt sind. Hiervon unterscheidet sich das Sekundärrecht, das im Rahmen der primärrechtlichen Verträge und gemäß den dort festgelegten Regeln erlassen wird. In Art. 288 AEUV sind folgende Rechtsakte in EU-Zuständigkeit vorgesehen:
1. Verordnungen, die unmittelbar gültig und in allen EU-Mitgliedstaaten rechtlich verbindlich sind, ohne dass es einer Umsetzung in nationales Recht bedarf;
2. Richtlinien, die die Mitgliedstaaten an bestimmte Ziele binden, ihnen aber bei der Umsetzung in nationales Recht die Wahl der Mittel selbst überlassen;
3. Entscheidungen und Beschlüsse, die für die Empfänger rechtlich verbindlich sind und keiner Umsetzung in nationales Recht bedürfen;
4. Empfehlungen und Stellungnahmen, die rechtlich unverbindlichen Charakter haben.
Literatur
M. Herdegen: Europarecht, München 2019.
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: M. Höreth