P. [lat.: populus, dt.: Volk] bezeichnet eine in Europa seit den 1970er-Jahren zunehmend verbreitete Strategie zum politischen Machterwerb bzw. -erhalt durch eine starke Emotionalisierung der Politik. Hierfür wird der Gegensatz zwischen »Oben« und »Unten« oder von »Volk« und »Elite« konstruiert. Populisten erklären sich zu den Anwälten des Volkes und wollen dieses gegen die vermeintliche Bevormundung durch die Herrschenden verteidigen. Dabei reklamieren sie für sich, dass es einen kollektiven Volkswillen gäbe, den sie vertreten würden. Seit Mitte der 1980er-Jahre sind vermehrt Wahlerfolge populistischer Parteien auf nationalstaatlicher und europ. Ebene zu beobachten. Als Beispiele können die Lega per Salvini Premier (Italien, vormals Lega Nord), die Partij voor de Vrijheid (Niederlande), die Rassemblement National (Frankreich, vormals Front National) sowie (zumindest in Teilen) die Alternative für Deutschland genannt werden. Zur Erklärung dieser Erfolge können drei Gründe angeführt werden:
1. in der Bevölkerung aufkommende subjektive Eindrücke der individuellen und kollektiven wirtschaftlichen Existenzbedrohung,
2. die kulturelle und ethnische Heterogenisierung der nationalstaatlichen Gesellschaften durch Migration sowie
3. der Eindruck, dass die nationalen Politiken den Prozessen der Globalisierung machtlos gegenüberstehen.
Dabei wird im P. eine verklärende Sicht auf die Vergangenheit beschworen, in der die Verhältnisse vertrauter bzw. überschaubarer gewesen seien.
Zwar bedienen sich auch Parteien und Personen des demokratischen Spektrums populistischer Thesen, am stärksten treten diese aber in Parteien der extremen Spektren auf. Dabei ist typologisch zwischen Links- und Rechtspopulismus zu unterscheiden. Im linken P. besteht die Forderung nach einer radikalen Inklusion benachteiligter Bevölkerungsteile. Dagegen fordern Rechtspopulisten die Exklusion bestimmter Gruppierungen (Immigranten, Asylbewerber, ethnische Minderheiten), um eine, dem Prinzip des »Ethnopluralismus« folgende ethnisch homogene Gesellschaft zu schaffen. In den letzten Jahren ist zudem eine zunehmende Islamophobie zu beobachten. Häufig dienen der Prozess der europ. Integration und die EU als Institution als Gegenstand der Erregung. Die teils weit verbreiteten euroskeptischen Vorbehalte in der Bevölkerung werden dabei instrumentalisiert.
Literatur
F. Decker: Wenn die Populisten kommen. Beiträge zum Zustand der Demokratie und des Parteiensystems, Wiesbaden 2013.
F. Hartleb: Rechter Populismus in der EU: keine einheitliche Bewegung trotz wachsender Euroskepsis, in: integration, H. 4/2011, S. 337-348.
D. Jörke/V. Selk: Theorien des Populismus zur Einführung, Hamburg 2017.
K. Priester: Wesensmerkmale des Populismus, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), H. 5-6/2012, S. 3-8.
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: L. Legath
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