Art. 23 des Grundgesetzes schreibt die Mitwirkung der Länder in der dt. Europapolitik vor, sofern die Kompetenzen der Länder berührt werden. Konkretisiert ist der »Europartikel« im Gesetz über die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern in Angelegenheiten der Europäischen Union (EUZBLG) und der Bund-Länder-Vereinbarung (BLV). Die Länder wirken in Angelegenheiten der EU durch den Bundesrat mit. Die Bundesregierung ist verpflichtet, den Bundesrat zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu unterrichten, falls bei europapolitischen Vorhaben Länderinteressen betroffen sind. Ihre Stellungnahmen werden grundsätzlich veröffentlicht und bilden damit eine wesentliche Orientierungshilfe. Anschließend kommt bei der L. ein abgestuftes Verfahren zum Tragen. Soweit ausschließliche Gesetzgebungsbefugnisse der Länder durch europ. Rechtsakte betroffen sind, ist die Stellungnahme des Bundesrates für die Bundesregierung maßgeblich. Ländervertreter wirken zudem in allen EU-Gremien mit. Außerdem kann die Verhandlungsführung im Rat der EU auf einen Ländervertreter übertragen werden. Geht es um Kompetenzen, für die die Länder innerstaatlich nicht ausschließlich zuständig wären, sind die Mitwirkungsrechte der Länder schwächer. In der Praxis bestanden immer wieder Konflikte darüber, wie ein bestimmtes Vorhaben der EU schwerpunktmäßig einzuordnen sei, was die starke innerstaatliche Kompetenzvermischung widerspiegelt. Mit der Föderalismusreform (2006) in Deutschland wurde auch Art. 23 GG dahingehend geändert, dass Ländervertreter nur noch dann im Rat der EU die Verhandlung übernehmen, wenn es um die Bereiche schulische Bildung, Kultur und Rundfunk geht. Zur effektiven Wahrnehmung der europapolitischen Mitwirkung des Bundesrates hat jedes Land einen Europabeauftragten und einen Europareferenten pro Fachministerium, welche für die Koordination der Europapolitik der Landesregierung zuständig sind. Wichtigste Koordinierungselemente außerhalb des Bundesrates sind die Europaministerkonferenz der Länder und der Länderbeobachter. Bei der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon konnten sich die Länder mit ihrer Forderung nach einer Ausweitung ihrer Kontrollrechte auf Rechtsetzungsakte der EU durchsetzen. Künftig kann der Bundesrat neben Bundestag und Bundesregierung Subsidiaritätsklagen erheben, sofern die Länder eine Verletzung des Subsidiaritätsprinzips vermuten.
Literatur
M. Chardon: Art. 23 als »institutionalisiertes Misstrauen«: Zur Reform der europapolitischen Beteiligung der Länder in den Beratungen der Bundesstaatskommission, in: Europäisches Zentrum für Föderalismus-Forschung (Hg.), Jahrbuch des Föderalismus 2005, Baden-Baden 2005, S. 135-149.
M. Große Hüttmann: Wie europafähig ist der deutsche Föderalismus?, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), B 13-14/2005, S. 27-32.
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: M. Chardon
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