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Kommunen und EU | bpb.de

Kommunen und EU

T. Schächtelin

Die K. sind ein wichtiger Baustein des europ. Gebäudes. In den Anfängen der Europäischen Gemeinschaft sind es die Städtepartnerschaften, die den Bürgern die Vision eines friedlichen Europas – ganz im Sinne eines Europas der Bürger – näher bringen. Mit der Einheitlichen Europäischen Akte (EEA) und der Vollendung des Binnenmarktes (1993) sind die K. zunehmend von der EU-Rechtsetzung betroffen und für deren Umsetzung zuständig; heute geht man davon aus, dass zwei Drittel der auf EU-Ebene getroffenen Entscheidungen und Regelungen die K. direkt oder indirekt betreffen, z. B. die Feinstaub- und die Dienstleistungsrichtlinie, der Bereich der Daseinsvorsorge oder das Kommunalwahlrecht. Die zunehmende Europabetroffenheit veranlasst immer mehr Kommunen, Europabeauftragte zu benennen, die die relevanten Informationen sammeln, auswerten und innerhalb der Verwaltung weiterleiten und EU-Förderanträge koordinieren. Einige Großstädte haben hier regelrechte Europabüros mit mehreren Mitarbeitern geschaffen, die auch eine aktive Öffentlichkeitsarbeit gegenüber den Bürgern ausüben und somit den europ. Gedanken z. B. in den jährlichen Europawochen weitertragen. Die K. reagieren aber auch politisch auf die zunehmende Europäisierung und etablieren Einflusskanäle auf die europ. Politikgestaltung. Heute können die K. als vierte Ebene des europ. Mehrebenensystems betrachtet werden.

Im Rahmen des institutionellen Gefüges der EU werden die K. durch den Ausschuss der Regionen (AdR) vertreten, der für die dt. K. wegen des Übergewichts der Länder aber von geringer Bedeutung ist. Daneben sind es v. a. der Kongress der Gemeinden und Regionen des Europarates (KGRE) und der Rat der Gemeinden und Regionen Europas (RGRE), die als etablierte Institutionen den Städten und Gemeinden eine gemeinsame Stimme verleihen und es gerade auch kleineren K. ermöglichen, ihre Interessen auf europ. Ebene vertreten zu sehen. Durch thematisch ausgerichtete europaweite Netzwerke wie »Allianz in den Alpen« oder »Cities for Mobility« können K. ähnlich gelagerte Probleme diskutieren, beste Praktiken austauschen, gemeinsame Projekte durchführen und so aktuellen Herausforderungen begegnen. Die europ. Großstädte haben sich im EUROCITIES-Netzwerk zusammengeschlossen. Großstädte suchen aber auch vermehrt eine individuelle und direkte Vertretung ihrer Interessen in Brüssel, z. B. durch den Aufbau eines eigenen Europabüros vor Ort. Schließlich gibt es mit dem Europabüro des Deutschen Städte- und Gemeindebundes oder dem Europabüro der baden-württembergischen Kommunen auch »Horchposten« der kommunalen Spitzenverbände in Brüssel, um frühzeitig über Entwicklungen europ. Politikgestaltung informiert zu sein und darauf reagieren zu können. Trotz dieser Vielzahl von Maßnahmen, mit denen die K. auf die zunehmende Europäisierung und Europabetroffenheit reagiert haben, und der wichtigen Rolle der K. in der Vermittlung des europ. Gedankens gegenüber den Bürgern, wurde der EU lange eine »Kommunenblindheit« vorgeworfen. Mit dem Vertrag von Lissabon (2009) werden die K. aber erstmals im EU-Primärrecht erwähnt, und im Zuge einer allgemeinen Stärkung des Subsidiaritätsprinzips wird in Art. 4 EUV ihr Recht auf Kommunale Selbstverwaltung verankert.

Literatur

  • U. von Alemann/C. Münch (Hg.): Europafähigkeit der Kommunen. Die lokale Ebene in der Europäischen Union, Wiesbaden 2006.

  • T. Schächtelin: Die baden-württembergischen Kommunen in der Europäischen Union, in: S. Frech u. a. (Hg.): Handbuch Europapolitik, Stuttgart 2009, S. 154-172.

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: T. Schächtelin

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