[* 9.12.1954] luxemb. Ministerpräsident und vom 1.1.2005 bis Januar 2013 ständiger Vorsitzender der Eurogruppe (»Mister Euro«). Jurastudium in Straßburg, 1979 abgeschlossen; 1974 Eintritt in die Christlich Soziale Volkspartei, 1979 Fraktionssekretär der Partei und Vorsitzender des Christlich Sozialen Jugendverbandes; 1980 Zulassung als Anwalt (Beruf nicht ausgeübt); 1982 endgültiger Wechsel in die Politik als Staatssekretär für Arbeit und Soziale Ordnung in der Regierung von Pierre Werner, der mit dem »Werner-Plan« (1970) die Blaupause schrieb für die im Vertrag von Maastricht (1993) vereinbarte Wirtschafts- und Währungsunion der EU. 1984 erstmals Wahl J. in die luxemb. Abgeordnetenkammer, trat als Mitglied der Regierung das Mandat jedoch nicht an; seit 1989 verschiedene Ministerposten (Arbeit, Finanzen), Vertreter Luxemburgs bei der Weltbank; als zuständiger Minister war J. maßgeblich an den Verhandlungen zum Vertrag von Maastricht (1991/92) beteiligt. Am 20.1.1995 tritt er die Nachfolge von Premierminister Jacques Santer an, welcher als EU-Kommissionspräsident nach Brüssel wechselte. Parallel übernimmt J. auch das Amt des Finanzministers und des luxemb. Vertreters beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Am 10.9.2004 wird J. als Vorsitzender der (zunächst informellen) Eurogruppe, also der Finanzminister der Eurostaaten, bestellt (Beginn der ersten Amtsperiode am 1.1.2005); seine Amtszeit als Vorsitzender der Eurogruppe wurde mehrfach verlängert (seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon 2009 ist dieses Gremium formell im EU-Vertrag verankert, Art. 137 AEUV). Im März 2012 erklärte J., dass er den Vorsitz der Eurogruppe im Sommer desselben Jahres aufgeben wolle, im Juli 2012 wurde er jedoch (auch aufgrund der Uneinigkeit der europ. Regierungen über einen Nachfolger) für eine 5. Amtsperiode vorgeschlagen; J. willigte ein, dass er für eine Übergangsperiode bis Anfang 2013 zur Verfügung stehe und dann endgültig dieses Amt abgeben wolle. Im Dezember 2012 wurde bekannt, dass der (erst im Nov. 2012 ins Amt gekommene) niederl. Finanzminister Jeroen Dijsselbloem als Chef der Eurogruppe J. nachfolgen soll. Zwischenzeitlich wurde auch Wolfgang Schäuble, dt. Finanzminister, als möglicher Nachfolger für J. ins Gespräch gebracht; in Frankreich gab es Medienberichten zufolge Widerstand gegen einen dt. Kandidaten. J. gilt aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit und seiner großen politischen Erfahrung als einer der wichtigsten Europapolitiker seit den 1990er-Jahren, zahlreiche Kompromisse, die auf EU-Ebene gefunden wurden, gehen auf seine Vermittlerdienste (auch zwischen Deutschland und Frankreich) zurück. Für sein europapolitisches Engagement wurde J., der in der Bevölkerung von Luxemburg sehr beliebt ist, mit zahlreichen Preisen und Ehrungen (u. a. Internationaler Karlspreis 2006, Ehrendoktor verschiedener Universitäten) gewürdigt.
J. tritt bei den Europawahlen 2014 als Spitzenkandidat der Europäischen Volkspartei (EVP) an und wird vom Europäischen Rat als Präsident der EU-Kommisson ausgewählt und vom Europäischen Parlament gewählt; er tritt am 1.11.2014 sein Amt an und führt eine Kommission, die die EU durch viele Krisen wie Eurokrise, die Flüchtlingskrise und den Brexit (»Poly-Krise« ) steuert.
Literatur
H. Kassim/B. Laffan: The Juncker Presidency: The ›Political Commission‹ in Practice, in: Journal of Common Market Studies (2019), Annual Review, S. 49-61.
Munzinger-Archiv, FAZ, Handelsblatt (versch. Ausgaben).
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: M. Große Hüttmann
Siehe auch: