Die EU-Mitgliedstaaten werden auch als H. bezeichnet. Dem Begriff liegt die Auffassung zugrunde, dass zentrale Entscheidungen zur Systemgestaltung in der EU in der Tradition völkerrechtlicher Verträge nur durch die Zustimmung aller EU-Mitglieder getroffen werden. So erfolgt die Änderung des EU-Primärrechts (z. B. die Übertragung von neuen Kompetenzen auf die EU) erst nach einem auf einer Regierungskonferenz einstimmig gefassten Beschluss, dem die oft langwierige Ratifizierung des neuen EU-Vertrags in allen Staaten folgt. Die Rolle der H. findet zudem im Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung ihren Ausdruck: Die EU nimmt nur solche Aufgaben wahr, die ihr von den Mitgliedstaaten ausdrücklich übertragen worden sind. Auch die Aufnahme neuer Mitglieder wird einstimmig beschlossen. Gleichzeitig kann ein EU-Mitglied nicht ohne dessen Einwilligung zum Austritt gezwungen werden. In der Vergangenheit waren immer wieder Ängste vor einem »Superstaat Europa« und einer Aushöhlung der nationalen Souveränität artikuliert worden. Doch auch in Zukunft werden die Mitgliedstaaten bei zentralen Fragen der Vertiefung und Erweiterung H. sein, auch wenn sich die Tendenz fortsetzt, dass bei der Formulierung des EU-Sekundärrechts nationale Vetopositionen immer mehr abgebaut werden.
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: S. Seeger