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Europäisierung | bpb.de

Europäisierung

M. Große Hüttmann

E. bezeichnet in einem engeren Sinne den Prozess der Anpassung von Staaten an die Standards und Werte der EU (z. B. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit) und die damit einhergehenden Veränderungen und Reformen von nationalen Strukturen, Politikfeldern und Verfahren sowie Instrumenten (z. B. Korruptionsbekämpfung). E. steht gleichzeitig für ein Analysekonzept der politikwissenschaftlichen EU-Forschung, das solche Formen der E. und Anpassungsprozesse untersucht und erklärt. Eine allgemeine Definition von E. findet sich bei Claudio Radaelli, einem wichtigen Vertreter der E.-Forschung: E. beschreibt er als einen vielschichtigen »Prozess der (a) Konstruktion, (b) Verbreitung und (c) Institutionalisierung von formellen und informellen Regelungen, Verfahren, Politikvorstellungen, Verhaltensweisen sowie von gemeinsam geteilten Überzeugungen und Normen, die ursprünglich im Rahmen von EU-Entscheidungsprozessen definiert und verankert wurden und dann in die Logik des innenpolitischen Diskurses, der nationalen Identitäten, politischen Strukturen und Politikbereiche aufgenommen worden sind« (Radaelli 2003, S. 30; Übersetzung durch den Autor). Das Ausmaß an E. in einzelnen Bereichen variiert; die E. in den EU-Staaten ist z. B. weit vorangeschritten in der Umwelt- und Verkehrspolitik, denn die nationale Politik ist hier im Wesentlichen durch EU-Richtlinien bestimmt. Auf dem Gebiet der Sozialpolitik dagegen ist eine E. der nationalen Politik erst ansatzweise zu beobachten. Prozesse der E. sind nicht beschränkt auf die Staaten der EU, sondern auch jenseits der Grenzen der EU zu beobachten. Die Staaten, die den Status eines Beitrittskandidaten haben (z. B. Albanien, Nordmazedonien, Türkei), durchlaufen schon vor der Aufnahme von Beitrittsgesprächen und lange vor der angestrebten EU-Mitgliedschaft schon einen Prozess der E. Denn nur wenn die Kandidatenstaaten die Normen und Regelungen der EU (sog. »Acquis communautaire«, EU-Rechtsbestand) annehmen und in nationales Recht umsetzen, können sie mit der Aufnahme in die EU rechnen. Die EU-Kommission überprüft regelmäßig im Rahmen von sog. Fortschrittsberichten den Stand der Reformen und den Grad der E. in diesen Staaten; sie empfiehlt auf der Grundlage solcher Berichte die Aufnahme von Beitrittsgesprächen.

Literatur

  • K. Auel: Europäisierung nationaler Politik, in: H.-J. Bieling/M. Lerch (Hg.), Theorien der europäischen Integration, 3. Aufl., Wiesbaden 2012, S. 247-269.

  • R. Ladrech: Europeanization and National Politics, Houndmills 2010.

  • C. Radaelli: The Europeanization of Public Policy, in: K. Featherstone/C. Radaelli (Hg.), The Politics of Europeanization, Oxford 2003, S. 27-56.

aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: M. Große Hüttmann

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