Die E. [Europäische Atomgemeinschaft; auch: EAG] wurde am 25.3.1957 von Frankreich, Deutschland, Italien und den Beneluxstaaten gegründet. Neben der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl und der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft ist E. einer der 3 Gründungsverträge der europ. Gemeinschaften (Römische Verträge). Ziele von E. sind die Förderung der Kernenergie und die Aufteilung der enormen Investitionskosten, um die Energieversorgung zu gewährleisten. Im Vertrag geregelt wird der Zugang zu Technologien und Brennstoffen, die technische Sicherheit, die Verhinderung von militärischer Nutzung der Brennstoffe und die Zusammenarbeit mit Drittstaaten. Die Verteilung von Brennstoffen wird über die Euratom-Versorgungsagentur abgewickelt, um einen gleichen Zugang der Mitgliedstaaten sicherzustellen. Der E.-Vertrag wurde im Gegensatz zu den anderen europ. Verträgen seit seiner Unterzeichnung nicht wesentlich verändert und von allen später beigetretenen Mitgliedstaaten übernommen. Für die gemeinsame Forschung stellte die EU im Zeitraum 2019–20 einen Betrag in Höhe von 770,2 Mio. € zur Verfügung. Schwerpunkte sind: Fusionsforschung, Kernspaltung und Strahlenschutz. Ein Beispiel gemeinsamer Kernenergieforschung ist das internationale, u. a. auch von den USA, Japan und mehreren Schwellenländern mitgetragene Fusionsforschungsprojekt ITER. Als E. entstand, galt Kernenergie als Zukunftstechnologie. Heute ist die E. umstritten, was u. a. der Ausstieg aus der Kernenergie z. B. Deutschlands oder Österreichs verdeutlicht. Kritiker halten den Vertrag für überholt, verweisen auf neue Rahmenbedingungen oder die Benachteiligung anderer Arten der Energiegewinnung. Auch beklagen sie ein Demokratiedefizit, denn durch die rechtliche Trennung vom EG-Vertrag blieb E. von Veränderungen unberührt, die in anderen Politikbereichen zu einer stärkeren Mitsprache des Europäischen Parlamentes führten. Befürworter unterstreichen hingegen die Bedeutung der CO2-armen Atomkraft und ihre vergleichsweise geringe Abhängigkeit von Rohstoffen aus Drittstaaten.
Literatur
K. Papenkort: Der Euratom-Vertrag im Lichte des Vertrags über eine Verfassung für Europa, Baden-Baden 2008.
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: M. Backhaus
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