Bezeichnung für eine vom brit. Soziologen Anthony Giddens (* 18.1.1938) in den 1990er-Jahren entwickelte politische Strategie, die sich das Ziel gesetzt hat, die europ. Sozialdemokratie zu modernisieren. Ausgehend von der Prämisse, dass sich die westlichen Industriegesellschaften mit der Globalisierung, der Individualisierung und dem technologischen Fortschritt 3 neuen zentralen Herausforderungen gegenübersehen, entwickelt Giddens seinen Ansatz einer pragmatischen, ideologiefreien Politik, die sich sowohl von der »alten« wohlfahrtsstaatlichen Interventionspolitik der Linken als auch vom Neoliberalismus der dem Markt verpflichteten »neuen Rechten« absetzt. Der »aktivierende Staat« soll, unter Berücksichtigung der gesellschaftlichen Grundwerte Gerechtigkeit und Solidarität und flankiert durch eine starke, aktive Zivilgesellschaft, für faire gesellschaftliche Verhältnisse und Chancengleichheit sorgen, fernab von reiner »Gleichmacherei«. Die Marktwirtschaft wird zwar als effektiv anerkannt, die »Marktgesellschaft« jedoch strikt abgelehnt. Gerade in Großbritannien wurde Giddens’ Konzept von New Labour unter Tony Blair (brit. Premierminister 1997–2007) aufgenommen und erfolgreich in die Wahlkampfstrategie eingebaut. Auch die dt. Sozialdemokratie unter Gerhard Schröder orientierte sich mit dem Begriff der »Neuen Mitte« an Giddens’ Ideen. Jedoch verschwand der Begriff des D. nach den Wahlerfolgen Blairs 1997 und Schröders 1998 wieder aus der politischen Diskussion.
Literatur
A. Giddens: Der dritte Weg. Die Erneuerung der sozialen Demokratie, Frankfurt a. M. 1999.
W. Merkel u. a.: Social Democracy in Power. The Capacity to Reform, London 2008.
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: J. Battke