Als D. wird die ausschlaggebende Rolle, die Deutschland und Frankreich gemeinsam seit den 1960er-Jahren für den Fortgang der europ. Integration spielen, bezeichnet. Am Anfang einiger weitreichender Integrationsschritte, wie der Europäischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik oder der Wirtschafts- und Währungsunion, standen gemeinsame Initiativen der Nachbarstaaten. Grundlage des D. ist der Dt.-Frz. Vertrag aus dem Jahr 1963 (»Élysée-Vertrag«), der eine intensive politische Zusammenarbeit initiierte, die mittlerweile durch eine Reihe bilateraler Einrichtungen sowie regelmäßige Treffen auf allen Regierungsebenen fest institutionalisiert ist. Der Erfolg der Initiativen des Tandems basiert maßgeblich auf der Fähigkeit der Nachbarstaaten, trotz ihrer oftmals völlig unterschiedlichen Ausgangspositionen in bestimmten Politikbereichen einen solch überzeugenden Kompromiss zu finden, dass er ohne weitere Verhandlungen auch für die anderen EU-Mitgliedstaaten konsensfähig ist. Letztendlich hängt der Einfluss des D. auf den europ. Integrationsprozess jedoch immer vom politischen Gestaltungs- und Kompromisswillen der jeweils amtierenden dt. und frz. Regierung ab. In der Folge der Osterweiterung der EU (2004/07) und im Zuge der europ. Staatsschuldenkrise (seit 2010) kamen Zweifel auf, ob der D. auch weiterhin eine solche zentrale Rolle spielen könne bzw. wolle. Als die deutsche Bundesregierung auf die Reformvorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron (seit 2017) zunächst gar nicht bzw. nur zögerlich reagiert hatte, löste dies bei vielen Beobachtern und Politikern Zweifel an der politischen Zugkraft und Zukunft des D. aus.
Literatur
Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ), H. 1-3/2013 (»Deutschland und Frankreich«).
K. Engberg:The Franco-German dialogue on the future of the EU, Sieps-Studie, Stockholm 2019 (Download: www.sieps.se).
U. Krotz/J. Schild: Shaping Europe, Oxford 2012.
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: A. Jonas