Mit der C. wurden Grundrechte erstmals auf EU-Ebene kodifiziert. Die C. ist jedoch nur für die Gemeinschaftsorgane bindend, nicht für die Mitgliedstaaten der EU. Die C., die in einem Konvent unter Vorsitz des ehem. Bundespräsidenten Roman Herzog erarbeitet wurde, orientiert sich stark an der Europäischen Menschenrechtskonvention. Sie wurde auf der Regierungskonferenz von Nizza am 7.12.2000 von den EU-Staats- und Regierungschefs feierlich proklamiert, blieb zunächst jedoch unverbindlich. Als Teil II des am 29.10.2004 unterzeichneten Europäischen Verfassungsvertrages sollte sie Bindungswirkung erhalten, doch wurde der Verfassungsvertrag nie ratifiziert. Im Vertrag von Lissabon (2009) ist die C. nicht mehr enthalten, doch wird dort auf sie verwiesen. Mit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon ist sie für alle EU-Staaten verbindlich geworden, mit Ausnahme von Polen und Großbritannien. Insgesamt enthält die C. 54 Artikel, die europ. Bürgern umfassende Rechte zusichern. Kritisiert wird verschiedentlich, dass manche Grundrechte zu unbestimmt formuliert sind und sich die C. nicht auf die Kodifizierung der klassischen Bürgerrechte beschränkt. Damit geht die C. deutlich über das Grundgesetz hinaus. Neben weitreichenden Rechten von Kindern, Alten und Behinderten enthält die C. kaum einklagbare Rechte wie z. B. das »Recht auf eine gute Verwaltung« oder das Recht auf würdige Arbeitsbedingungen oder eine kostenlose Arbeitsvermittlung. Trotz dieser Probleme ist die C. ein wichtiger Beitrag zur Stärkung der Identität und Legitimität der EU, zumal es dem Europäischen Gerichtshof bereits gelungen ist, einige ihrer wesentlichen Inhalte in seiner Rechtsprechung anzuwenden.
Literatur
J. Meyer/S. Hölscheidt (Hg.): Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 5. Aufl., Baden-Baden 2019.
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: M. Höreth
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