Der europ. B. ist zum Kern des europ. Integrationsprozesses geworden. Die 4 Grundfreiheiten des B. umfassen den freien Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital. Obwohl das Ziel der Schaffung eines gemeinsamen Marktes seit 1957 angestrebt wurde, konnte dieser erst 1993 verwirklicht werden. In ihrem »Weißbuch zur Vollendung des Binnenmarktes« (Juni 1985) legte die Kommission einen detaillierten Gesetzesplan mit 282 Maßnahmen zur Schaffung des B. vor. Eine Expertenkommission unter Leitung des Kommissionsbeamten Paolo Cecchini (»Cecchini-Bericht«) sagte 1988 in einer Prognose ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 4,5 %, die Schaffung von 1,8 Mio. neuen Arbeitsplätzen, die Senkung der Verbraucherpreise um 6,1 % sowie die Verbesserung der außenwirtschaftlichen Position voraus.
Zur Schaffung des B. wurden 2 Instrumente angewandt:
1. Bis Mitte der 1980er-Jahre wurden nationale Vorschriften durch europ. Richtlinien harmonisiert, an die jeder Mitgliedstaat sein nationales Recht anpassen musste.
2. Seit den 1980er-Jahren verständigten sich alle Mitgliedstaaten darauf, dass ein Produkt, das in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt wurde, auch auf dem Markt eines anderen Mitgliedstaates verkauft werden darf, wenn die grundsätzlichen Vorgaben z. B. des Gesundheits- und Verbraucherschutzes eingehalten werden (Prinzip der gegenseitigen Anerkennung). Bis dahin hatten nationale Vorschriften und nicht tarifäre Handelshemmnisse den freien Warenverkehr behindert.
Für die Umsetzung aller erforderlichen Maßnahmenpakete war nicht nur der gemeinsame Wunsch aller Mitgliedstaaten wichtig, einen B. zu schaffen, sondern v. a. die Reform des Gesetzgebungsverfahrens.
Seit der Einheitlichen Europäischen Akte (1988), die das europ. Vertragsrecht reformierte, musste die Mehrzahl der zur Schaffung des B. erforderlichen Gesetze im Rat nur noch mit qualifizierter Mehrheit verabschiedet werden. Allerdings ist der B. bis heute nicht vollendet. Es bestehen auch weiterhin Umsetzungsdefizite und Lücken, wie z. B. in den Bereichen Energie, Finanzdienstleistungen oder dem digitalen Binnenmarkt. Das hat auch damit zu tun, dass die Mitgliedstaaten bestimmte Binnenmarktrichtlinien nicht fristgerecht in innerstaatliches Recht umsetzen. Die EU-Kommission listet diese Fälle alle 6 Monate im sog. Binnenmarktanzeiger auf.
Internet
Literatur
B. Busch/J. Matthes: Der Binnenmarkt - Herzstück der europäischen Integration, in: P. Becker/B. Lippert (Hg.), Handbuch Europäische Union, Wiesbaden 2020.
M. Matthijs u. a.: Ever tighter union? Brexit, Grexit, and frustrated differentiation in the single market and Eurozone, in: Comparative European Politics, H. 2/2019, S. 209-230.
T. Oppermann u. a.: Europarecht, 5. Aufl., München 2011, S. 391-517.
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: P. Becker