Die A. der EU befasst sich mit dem Zugang von Menschen aus Drittstaaten in die EU und ihrem dortigen Aufenthalt. Hierzu zählen Regelungen zum Asyl- und Einwanderungsrecht, zum Schutz der EU-Außengrenzen, zu Fragen der illegalen Migration sowie zur Integration von Zugewanderten. Die Asylpolitik ist zwar weitgehend vergemeinschaftet, eine umfassende europ. Migrationspolitik hat sich jedoch nicht herausgebildet. Die Entwicklung der A. ist eng verbunden mit dem freien Personenverkehr im europ. Binnenmarkt. Wichtiger Ausgangspunkt der A. ist das Schengener Abkommen (1985) mit dem Ziel, die Personenkontrollen an den Binnengrenzen abzuschaffen. Als Ausgleichsmaßnahmen hierzu vereinbarten die beteiligten Mitgliedstaaten erste Schritte zur Harmonisierung der nationalen Asyl- und Visapolitiken und zur Überwachung der gemeinsamen Außengrenzen. Der Vertrag von Amsterdam (1999) überführte die Schengener Zusammenarbeit in den Rahmen der EU und gab weite Teile der Zuwanderungspolitik in die Verantwortung der Gemeinschaft. Die Teilbereiche der A. haben sich unterschiedlich entwickelt. In der Asylpolitik einigten sich die EU-Mitgliedstaaten auf gemeinsame Mindeststandards sowie auf Kriterien, um die Zuständigkeit für Asylanträge zu bestimmen. Die Visapolitik der Mitgliedstaaten folgt weitgehend EU-Vorgaben. Im Bereich der legalen Zuwanderung gibt es hingegen kaum EU-Regelungen; dieser Bereich unterliegt fast vollständig der nationalen Steuerung. Kernbereich der A. ist die Bekämpfung der illegalen Migration, in die immer stärker auch die Herkunftsländer und EU-Nachbarstaaten einbezogen werden. Auch der Schutz der EU-Außengrenzen wird immer wichtiger, was sich etwa in der Grenzschutzagentur FRONTEX oder in gemeinsamen Operationen im Mittelmeer zeigt. Zentral für die A. ist der große Einfluss nationaler Akteure im Politikprozess, v. a. über den Rat der Justiz- und Innenminister, der ein zentraler Ort der Entscheidungsfindung ist. Kritiker beklagen dabei eine einseitige Ausrichtung auf Sicherheitsaspekte, was eine wachsende Kontrolle und eine Beschränkung der Zuwanderung zur Folge hat. Die EU-Kommission verfolgt zwar ausdrücklich das Ziel einer umfassenden europ. Migrationspolitik, die neben Sicherheitsfragen auch soziale, wirtschaftliche und humanitäre Aspekte stärker berücksichtigt. Doch stößt sie dabei teilweise auf Widerstand in den Mitgliedstaaten. Die EU-Aktivitäten zur A. werden durch Fünfjahresprogramme vorstrukturiert; auf das sog. Programm von Tampere (1999–2004) folgte das Haager (2005–09) und Stockholmer (2010–14) Programm. Durch Ausnahmeregelungen für Großbritannien, Irland und Dänemark sowie Vereinbarungen mit Norwegen, Island und der Schweiz besitzt die A. keinen einheitlichen Geltungsbereich. Im Verein mit der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen sowie der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen bildet die A. eine Rechtsgrundlage für die Schaffung des sog. Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts. Im Mai 2015 legte die EU-Kommission eine »Europäische Migrationsagenda« vor. Die im gleichen Jahr einsetzende sog. Flüchtlingskrise hat die EU und ihre Mitgliedstaaten vor sehr große Herausforderungen gestellt und die Reformbedürftigkeit der bestehenden Regelungen zur Asyl- und Migrationspolitik (Dublin-Regeln, Schengen-Kooperation) deutlich gemacht.
Literatur
P. Bendel: Die EU-Migrationspolitik, in: E. Bos/J. Dieringer (Hg.), Die Genese einer Union der 27, Wiesbaden 2008, S. 227-242.
E. Collett/C. Le Coz: After the Storm: Learning From the EU Response to the Migration Crisis. Studie des Migration Policy Institute Europe, Brüssel 2018 (Download über: www.migrationpolicy.org).
M. Große Hüttmann: Die Migrations- und Asylpolitik der Europäischen Union in: K.-H. Meier-Braun/R. Weber (Hg.), Deutschland Einwanderungsland, 3. Aufl., Stuttgart 2017, S. 255-266.
aus: Große Hüttmann / Wehling, Das Europalexikon (3.Auflage), Bonn 2020, Verlag J. H. W. Dietz Nachf. GmbH. Autor des Artikels: J. Siegl
Siehe auch: