Was passierte am Wahltag und danach?
Am 24. November 2024 fand der erste Wahlgang zur rumänischen Präsidentschaftswahl statt. Überraschend gewann Călin Georgescu mit
Neben ihm erreichte Elena Lasconi, Chefin der liberalen Partei „Uniunea Salvați România” (USR, deutsch: Union Rettet Rumänien) die Stichwahl. Der zuvor leicht favorisierte Sozialdemokrat Marcel Ciolacu von der „Partidul Social Democrat” (PSD, deutsch: Sozialdemokratische Partei) schied dagegen aus. Die Wahlbeteiligung lag bei 52,5 Prozent.
Doch knapp zwei Wochen später annullierte das rumänische Verfassungsgericht „Curtea Constituțională a României“, Abkürzung: CCR) den ersten Wahlgang und ordnete eine Neuwahl an.
Warum wurde die Wahl annulliert?
In den Umfragen vor der Wahl wie auch in den Nachwahlbefragungen lagen die Stimmanteile von Călin Georgescu deutlich unter seinem späteren Wahlergebnis. An Fernsehdebatten hatte er nicht teilgenommen. In den sozialen Medien war er dagegen sehr aktiv, seine Videos auf TikTok wurden millionenfach aufgerufen. Bereits in den Tagen vor der Wahl gab es Debatten darüber, wer den umfangreichen Social-Media-Wahlkampf Georgescus finanziert hätte. Georgescu selbst gab an, kein Geld dafür ausgegeben zu haben.
Am 26. November 2024 bat die rumänische Telekommunikationsbehörde Ancom bei der EU, einen möglichen Verstoß von Tiktok gegen die europäische Verordnung Externer Link: „Digital Services Act“ zu untersuchen. Demnach müssen Plattformen wie Tiktok analysieren, wie etwa über ihre Plattform Wahlen beeinflusst und wie diese Risiken abgemildert werden können. Die EU-Kommission leitete deswegen am 17. Dezember 2024 ein Ermittlungsverfahren gegen Tiktok ein.
Am 2. Dezember erklärte das rumänische Verfassungsgericht dennoch den ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl jedoch für gültig und rechtens. Kurz darauf wurden jedoch Vorwürfe laut, dass die Wahl digital manipuliert worden sei. Die oberste Staatsanwaltschaft in Rumänien nahm Ermittlungen auf. Drei Tage vor der geplanten Stichwahl, am 6. Dezember, annullierte das Verfassungsgericht schließlich den ersten Wahlgang.
Wie wird die Annullierung begründet?
In ihrer Begründung argumentierten die Richter, dass Georgescu „nicht transparente und wahlrechtswidrige digitale Technologien“ eingesetzt habe. Außerdem sei die Finanzierung des Wahlkampfes intransparent gewesen. Der Kandidat habe von einer Plattform profitiert, deren Algorithmen ihn aggressiv beworben hätten.
Kurz zuvor wurden entsprechend Berichte der Geheimdienste veröffentlicht: Demnach hätten Tausende zuvor inaktive Tiktok-Konten angefangen, Georgescus Inhalte zu verbreiten. Außerdem besteht der Vorwurf, dass die Algorithmen von Tiktok die Inhalte des rechtsradikalen Politikers bevorzugt hätten. Der Auslandsnachrichtendienst (Serviciul de Informații Externe, SIE) geht davon aus, dass Rumänien Ziel eines „aggressiven russischen hybriden Angriffs“ sei, einschließlich Cyberattacken, Hacks, Lecks und Sabotage. Eine russische Beeinflussung der Wahl wird in den Geheimdienstpapieren jedoch nicht belegt.
Rumänische Sicherheitsbehörden gehen außerdem davon aus, dass Georgescu viel Geld für seinen Wahlkampf auf Social-Media-Plattformen ausgegeben hat.
Wer ist Călin Georgescu?
Călin Georgescu ist Agrarwissenschaftler und Tiermediziner. Gearbeitet hat er unter anderem im rumänischen Umwelt- und im Außenministerium sowie als UN-Sonderberichterstatter.
Călin Georgescu am 7. März 2025 in Buckarest. (© picture-alliance/AP, ASSOCIATED PRESS)
Călin Georgescu am 7. März 2025 in Buckarest. (© picture-alliance/AP, ASSOCIATED PRESS)
Politisch wird Georgescu als rechtsextrem und nationalistisch eingeordnet. In seinen Videos kritisierte er die etablierten Politikerinnen und Politiker – teilweise mit falschen Behauptungen. Er kündigte an, Rumänien aus der EU und aus der NATO herauszuführen. Den russischen Angriff auf die Ukraine hat er nicht verurteilt. Stattdessen folgt er russischen Narrativen und bewundert Putin. Die rumänische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn, da er die Kriegsverbrechen der faschistischen Führer Rumäniens im Zweiten Weltkrieg verherrlicht habe.
Vor allem in den letzten drei Wochen vor der Präsidentschaftswahl stieg Georgescus Sichtbarkeit auf Tiktok stark an. Insgesamt wurden seine Videos 120 Millionen Mal angeklickt. Die Zahl seiner Follower wuchs innerhalb von drei Wochen auf knapp 50.000. In Rumänien ist Tiktok äußerst populär. Zirka die Hälfte aller Rumäninnen und Rumänen hat einen Tiktok-Account, vor allem bei jüngeren Wählern hat die Plattform eine große Reichweite.
Laut Schätzungen hat Georgescu vor allem in der rumänischen Auslandscommunity punkten können. Unter den in Deutschland lebenden Rumäninnen und Rumänen soll er 58 Prozent der Stimmen bekommen haben.
Bei der Wiederholung der Wahl am 4. Mai darf Georgescu nicht antreten. Das Zentrale Wahlbüro hat seine Kandidatur nicht zugelassen. Als Grund nannte das Büro unter anderem, dass er die Grundwerte, die das Präsidentenamt erfordere, nicht erfülle. Hierzu gehöre zum Beispiel, die Demokratie zu verteidigen.
Wie wird die Annullierung bewertet?
Die Entscheidung des Verfassungsgerichts hat Rumänien gespalten.
Während sich der einst in den Umfragen führende Sozialdemokrat Ciolacu positiv äußerte, sprach die liberale Politikerin Elena Lasconi von einer „illegalen und unmoralischen Entscheidung“. Ähnlich äußerte sich auch George Simion von der rechtsnationalistischen „Alianța pentru Unirea Românilor“ (AUR, deutsch: Allianz für die Vereinigung der Rumänen). Der damals noch amtierende Staatspräsident Klaus Iohannis mahnte dagegen, dass die Entscheidung zu respektieren sei. Georgescu legte Beschwerde vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ein. Diese wurde jedoch abgewiesen.
Auch international sorgte die Entscheidung des rumänischen Verfassungsgerichts die Wahlen für ungültig zu erklären, für Debatten. So erwähnte US-Vizepräsident JD Vance den Fall in seiner Rede auf der
Die
Viele Externer Link: europäische Medien heben hervor, dass Georgescu eine Gefahr für die Demokratie des Landes hätte werden können. Trotzdem Externer Link: äußern sie Zweifel, ob die Annullierung der Wahl und sein Ausschluss von der Kandidatur die Demokratie stärke.
Das Vertrauen in die demokratischen Institutionen und die politische Klasse ist in Rumänien gering. Eine Befragung der Konrad-Adenauer-Stiftung kommt zu dem Schluss, dass die Annullierung der Wahl nicht zu mehr Legitimität geführt habe. Stattdessen fühlten sich die Befragten nicht repräsentiert oder glauben, dass die Parteien nicht für das Volk, sondern für andere Interessen regieren.
Wer steht zur Wahl am 4. Mai?
Für die Präsidentschaftswahl am 4. Mai haben sich elf Kandidatinnen und Kandidaten beworben. Zu den aussichtsreichsten unter ihnen zählt George Simion von der rechtsnationalen AUR. Die Liberale Elena Lasconi kandidiert ein weiteres Mal, wird aber nicht mehr von ihrer Partei „Uniunea Salvați România“ (USR, deutsch Union Rettet Rumänien) unterstützt. Der ehemalige Senatsvorsitzende Crin Antonescu geht als unabhängiger Kandidat mit Unterstützung der fünf Regierungsparteien (den Sozialdemokraten (PSD), Liberale (PNL), liberal-progressive Reformpartei USR, der Ungarnverband (UDMR) sowie die aus 19 ethnischen Minderheiten bestehende Minderheiten-Fraktion) ins Rennen. Als parteiloser Kandidat hat sich der frühere Ministerpräsident Victor Ponta beworben. Auch der liberale Bürgermeister von Bukarest, Nicușor Dan, hat Chancen auf den Einzug in die Stichwahl.
Wie ist das Wahlverfahren und welche Befugnisse hat der/die Präsident/in in Rumänien?
Das rumänische Staatsoberhaupt wird in universellen, freien, gleichen und geheimen Wahlen direkt vom Volk gewählt. Erhält ein Kandidat oder eine Kandidatin im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit der Stimmen, bedeutet das den direkten Wahlsieg. Ist dies nicht der Fall, ziehen die beiden erstplatzierten Bewerber in eine Stichwahl ein.
Eine Amtszeit dauert fünf Jahre. Kein Amtsinhaber darf mehr als zwei Amtszeiten absolvieren. Deswegen konnte der bis Februar amtierende Staatspräsident Klaus Iohannis nicht noch einmal antreten.
Laut Verfassung hat der rumänische Präsident einerseits repräsentative Funktionen – andererseits fungiert er aber auch als Wächter über die Einhaltung der Verfassung und die Funktionalität der öffentlichen Institutionen. Ihm kommt damit eine stärkere Funktion zu als dem deutschen Bundespräsidenten. Der rumänische Staatspräsident ernennt auch den Ministerpräsidenten – und er ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte.