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Ein Jahr Cannabisgesetz

Redaktion

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Am 1. April 2024 trat das sogenannte Cannabisgesetz in Kraft. Es skizziert Rahmenbedingungen, unter denen der Anbau, Besitz und Konsum von Cannabis legal sind.

Ein Ernteanteil wird in der Ausgabe einer Cannabis-Anbauvereinigung in Berlin ausgegeben. (© picture-alliance/dpa, Sebastian Gollnow)

Das Externer Link: „Gesetz zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften“ (kurz: Cannabisgesetz, abgekürzt: CanG) wurde am 23. Februar 2024 vom Bundestag beschlossen. Nach der Billigung durch den Bundesrat am 22. März trat es am 1. April 2024 in Kraft.

Konsumcannabis

Das Gesetz Externer Link: regelt unter anderem, dass ein Erwachsener maximal drei Cannabispflanzen privat anbauen darf. Im öffentlichen Raum ist es erlaubt, bis zu 25 Gramm getrocknetes Cannabis zu besitzen und mit sich zu führen. Am Wohnsitz darf eine Privatperson bis zu 50 Gramm zum Eigenkonsum besitzen. Beim Konsum muss unter anderem darauf geachtet werden, dass er nicht in Gegenwart von Minderjährigen geschieht und es müssen Abstandsregeln zum Beispiel rund um Spielplätze, Kindergärten, Schulen oder Sportstätten eingehalten werden. Es gibt also Externer Link: Cannabis-Verbotszonen. Im Straßenverkehr gilt ein Grenzwert von 3,5 Nanogramm THC je Milliliter Blut. Der Versand und die Lieferung von „fertigem“ Cannabis bleiben, bis auf wenige Ausnahmen, verboten. Weiterhin verboten ist auch die Abgabe von Cannabis an Minderjährige, sowie die Werbung für Konsumcannabis oder Anbauvereinigungen.

Seit dem 1. Juli 2024 ist der gemeinschaftliche, nicht-gewerbliche Anbau zum Eigenkonsum in Anbauvereinigungen mit maximal 500 Mitgliedern legal. Hierüber können Mitglieder ab 21 Jahren 50 Gramm getrocknetes Cannabis pro Monat für den Eigenkonsum beziehen. Es ist verboten, in mehr als einem Anbauverein Mitglied zu sein.

Anbauvereinigungen benötigen die Erlaubnis der zuständigen Behörde, um anbauen zu dürfen; u.a. muss dafür durch Sicherheitsmaßnahmen gewährleistet sein, dass keine Unbefugten auf das Cannabis zugreifen können, es muss ein (Sucht-)Präventionsbeauftragter benannt werden, die Gebäude dürfen sich nicht in der Nähe von Schulen und Spielplätzen etc. befinden und die Vorstandsmitglieder müssen juristisch als zuverlässig gelten, also z.B. nicht in jüngster Zeit wegen bestimmter Verbrechen verurteilt worden sein.

Neue Cannabispolitik und Zwei-Säulen-Modell

Das Cannabisgesetz fußt auf der Annahme der damaligen Bundesregierung, dass die auf Verboten basierende Cannabispolitik gescheitert sei. Bis dahin waren sowohl der Anbau als auch der Verkauf, Erwerb und Besitz von nicht ärztlich verordnetem Cannabis illegal. Medizinische Cannabisprodukte gibt es bereits seit 2017 unter strengen Regeln auf Rezept.

Darauf aufbauend entwickelte die Bundesregierung ein Zwei-Säulen-Modell, das 2023 veröffentlicht wurde. In einem ersten Schritt sollte demnach der Anbau für den Eigenkonsum legalisiert werden – das ist am 1. April 2024 durch das Cannabisgesetz geschehen. Dieses umfasst, neben diversen Gesetzesänderungen, zum einen das oben beschriebene Externer Link: Konsumcannabisgesetz in Artikel eins, und zum anderen das Externer Link: Medizinal-Cannabisgesetz in Artikel zwei. Medizinisches Cannabis erhielt damit ein eigenes Gesetz. Dieses hält an der Verschreibungs- und der Apothekenpflicht fest und orientiert sich weiterhin an den Grundsätzen des Betäubungsmittelgesetzes.

In einem weiteren Schritt plante die Ampelkoalition regionale Modellversuche, bei denen bestimmten Unternehmen – unter strengen Auflagen und wissenschaftlicher Begleitung – die kommerzielle Produktion und der Verkauf von Cannabis ermöglicht werden sollte. Allerdings steht das so genannte „Säule-2-Gesetz“ noch aus, mit dem der rechtliche Rahmen für solche Modellversuche geschaffen werden könnte. Ob die nächste Bundesregierung ein solches Gesetz beschließen wird, ist ungewiss.

Kontroverse Debatten um neue Cannabispolitik

Ein Jahr nach dem Inkrafttreten des Cannabisgesetzes gibt es noch keine systematischen deutschlandweiten Bilanzen. Die konkreten Auswirkungen der Teil-Liberalisierung, beispielsweise auf den Schwarzmarkt oder das Konsumverhalten, sind deshalb noch nicht fassbar, eine Bewertung nicht möglich.

Das hängt womöglich auch damit zusammen, dass gemessen an den Anträgen relativ wenige Anbauvereinigungen in Betrieb gehen konnten und die meisten Cannabispflanzen Monate bis zur Erntereife wachsen müssen. Einige Anbauvereinigungen kritisierten den langwierigen Prozess bis zur Erteilung der Anbauerlaubnis. Mitunter dauert es viele Monate, bis Vereine nachweisen können, dass sie die Voraussetzungen erfüllen, diese von den Behörden geprüft werden und sie eine Genehmigung erhalten. Je nach Bundesland werden Zulassungen auch anders gehandhabt. Laut der Bundesarbeitsgemeinschaft Cannabis-Anbauvereinigungen wurden von 593 eingereichten Anträgen bundesweit bis Anfang März 2025 nur 133 bewilligt, darunter 37 in Nordrhein-Westfalen und noch kein einziger in Bayern.

Die bayerische Gewerkschaft der Polizei kritisierte letzten Sommer, dass sich Abstandsregelungen kaum kontrollieren ließen und aufgrund der erschwerten Hausdurchsuchungen auch Großdealer nun seltener entdeckt würden.

Der Umgang mit Verstößen gegen das Cannabisgesetz ist dabei in jedem Bundesland anders geregelt. So berichtete der rbb im Oktober 2024, dass zu dem Zeitpunkt noch nicht in allen Bundesländern die Zuständigkeiten für die Verfolgung von Verstößen gegen das Konsumcannabisgesetz klar waren und es auch nicht überall Bußgeld-Kataloge gab. In Rheinland-Pfalz wurde beispielweise im November 2024 ein Bußgeld-Katalog zur Ahndung von Ordnungswidrigkeiten nach dem Konsumcannabisgesetz veröffentlicht.

Das Cannabisgesetzes wurde auch bereits vor seiner Verabschiedung kontrovers debattiert:

Befürwortende Stimmen des Gesetzes betonten etwa, dass Alkohol, der jedes Jahr viele Tausend Tote fordert, gefährlicher und trotzdem legal sei. Darauf wies z .B. die Bundespsychotherapeutenkammer in einer Externer Link: Pressemitteilung am 9. Juni 2022 hin. Ein weiteres Argument in der Debatte war beispielsweise, dass die Entkriminalisierung die Arbeit für die Justiz verringere und damit auch dem Umstand Rechnung trage, dass das Strafrecht im liberalen Rechtsstaat nur als letztes Mittel anzuwenden ist.

Kritische Stimmen argumentieren unter anderem damit, dass die Suchtgefahr von Cannabis groß sei und es als Einstiegsdroge hin zu noch gefährlicheren Drogen wirke. Auch das Thema Verkehrssicherheit wurde häufig angeführt. Besonders die gesundheitlichen und sozialen Folgen auch des seltenen Konsums für Kinder und Jugendliche bestimmten den Diskurs.

Diese und andere Positionen spiegelten sich auch in den Stellungnahmen wider, die in der Anhörung des Gesundheitsausschusses am 6. November 2023 sowie Externer Link: in schriftlichen Stellungnahmen nach der ersten Lesung des Cannabisgesetzes im Bundestag abgegeben wurden.

So kritisierte die Deutsche Polizeigewerkschaft Berlin (DPolG Berlin) unter anderem, dass die erlaubten Besitzmengen zu hoch angesetzt seien und das davon letztlich die organisierte Kriminalität mit einem großen Netz von Kleindealern profitieren werde. Zudem könnten Anbaumengen und Abgabemodalitäten von Anbauvereinigungen in der Praxis nicht effektiv kontrolliert werden, sodass das eigentliche Ziel, den Schwarzmarkt zu bekämpfen, konterkariert würde.

Die Bundesärztekammer sowie der Verband der Kinder- und Jugendärzte zweifelten an, dass die rechtlichen Vorkehrungen ausreichten, um den Jugendschutz auch in der Praxis wirksam umzusetzen, und befürchtete u.a. einen zu hohen Kontrollaufwand seitens der Behörden. Die Bundesärztekammer wertete die Teillegalisierung als „relevante Gefährdung der psychischen Gesundheit und der Entwicklungschancen der jungen Generation in Deutschland“.

Der Deutsche Richterbund wandte sich gegen die im Gesetzesentwurf formulierte Erwartung, dass eine Teillegalisierung des Cannabiskonsums die Justiz entlasten würde. Vielmehr schaffe das Cannabisgesetz neue Straftatbestände, die mit erheblichen Ermittlungsaufwand verbunden seien.

Die Neue Richtervereinigung dagegen begrüßte das Anliegen des Cannabisgesetzes. Eine Kriminalisierung des Besitzes von Cannabis zum Eigenkonsum sei nicht mehr zu rechtfertigen. Cannabis sei als Droge vergleichbar mit Alkohol und Tabak und berge für Erwachsene ähnliche Risiken wie bereits jetzt legal verfügbare Genussmittel. Allerdings sah er noch Verbesserungsbedarf in den Detailregelungen.

Der Branchenverband der Cannabiswirtschaft merkte an, dass sich der illegale Markt für Cannabisprodukte nur zusammen mit Wirtschaftsunternehmen zurückdrängen lasse. Nur sie könnten ähnlich effizient agieren und damit „wettbewerbsfähig“ werden.

Der Bundesverband für akzeptierende Drogenarbeit und humane Drogenpolitik (akzept) unterstützte die Teillegalisierung des Cannabis, aber forderte neben weiteren Experten, dass für Patienten, denen Medizinalcannabis verschrieben wird, der Erlaubnisvorbehalt der Krankenkassen abgeschafft wird. Dies ist wenige Monate nach Inkrafttreten des Gesetzes auch für einige Arztgruppen geschehen, die dann nicht mehr die Erlaubnis der Krankenkasse einholen mussten, wenn sie Cannabis verschreiben wollten.

Konsumcannabis-Wissenschaftszuständigkeits-Verordnung

Am 17. Dezember 2024 trat derweil die Konsumcannabis-Wissenschaftszuständigkeits-Verordnung in Kraft. In der Verordnung wird die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung als zuständige Behörde benannt, die Forschungsanträge im Zusammenhang mit Konsumcannabis prüfen und überwachsen soll. Damit ist grundsätzlich der Weg für wissenschaftliche Forschung in diesem Bereich frei. Allerdings müssen Forschungsprojekte beantragt und erlaubt werden – und sie unterliegen dabei den Kriterien, die im Cannabisgesetz dargelegt werden. Einige Experten sind der Meinung, dass mit der Verordnung bereits die rechtliche Grundlage für Modellprojekte geschaffen worden sei.

In Frankfurt ist ein entsprechendes Modellprojekt vorbereitet, es soll an vier Verkaufsstellen zu einer wissenschaftlich begleiteten kommerziellen Abgabe von Cannabis kommen. Allerdings steht die Genehmigung von Seiten des Bundes noch aus.

In den Berliner Bezirken Friedrichshain-Kreuzberg und Neukölln soll im Sommer 2025 ein Modellprojekt starten. Einwohner der betreffenden Bezirke können dann – sofern sie sich parallel für eine Studie registrieren lassen – bei mehreren Fachgeschäften Cannabisprodukte kaufen.

Cannabispolitik der künftigen Bundesregierung unklar

Wie es mit dem Cannabisgesetz unter einer neuen Bundesregierung weitergeht, ist unklar. Die CDU hatte im Wahlkampf angekündigt, das Cannabisgesetz wieder abschaffen zu wollen.

In der Bevölkerung scheint es für die Teillegalisierung von Cannabis auch Rückhalt zu geben. Laut einer Forsa-Umfrage, die Mitte Februar im Auftrag der Kaufmännischen Krankenkasse durchgeführt wurde, sprachen sich 55 Prozent der Befragten gegen eine Rücknahme des Cannabisgesetzes aus. 36 Prozent wollten, dass das Gesetz rückabgewickelt wird.

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