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Russische Schattenflotte | Hintergrund aktuell | bpb.de

Russische Schattenflotte

Benjamin Hilgenstock

/ 12 Minuten zu lesen

Seit der Schaffung des Ölpreisdeckels gegen Ende des Jahres 2022 haben mit Russland verbundene Akteure den konzertierten Versuch unternommen, diese Beschränkungen zu umgehen – durch den Aufbau der „Schattenflotte“. Mehrere hundert, vielfach alte und unzureichend gewartete bzw. versicherte Schiffe unterlaufen die Sanktionen und ermöglichen Russland Milliarden an zusätzlichen Einnahmen, die den Angriffskrieg des Putin-Regimes in der Ukraine finanzieren. Gleichzeitig stellen die Schiffe eine erhebliche Gefahr für die Umwelt dar, auch und gerade in Europa. Sanktionen auf einzelne Schiffe der Schattenflotte haben sich als ausgesprochen effektiv herausgestellt, aber ihre Durchsetzung ist anspruchsvoll. Das hat auch mit dem wahrscheinlichen Rückzug der Vereinigten Staaten aus der Sanktionskoalition zu tun.

12. Januar 2025: Der manövrierunfähige Tanker "Eventin" liegt bei Sonnenaufgang zwischen Binz und Sassnitz auf der Reede Sassnitz. Das unter der Flagge Panamas fahrende Schiff wird zur russischen Schattenflotte gezählt. (© picture-alliance/dpa)

Was ist die russische Schattenflotte?

Um das Phänomen der Schattenflotte zu begreifen, ist es notwendig, sich mit den Energiesanktionen im Hinblick auf Russland zu beschäftigen. In der zweiten Jahreshälfte 2022 beschlossen die Staaten der G7 sowie einige weitere Partner die Einführung des sogenannten „Ölpreisdeckels“ (englisch „Oil Price Cap“, kurz OPC). Dieses neuartige Instrument sollte Russlands Einnahmen aus dem Verkauf seines Öls deutlich reduzieren. Zugleich sollte der „Preisdeckel“ das russische Öl im Markt halten und damit die Preise stabilisieren. Alle Exporte russischen Öls per Schiff, an denen die OPC-Länder beteiligt sind, sollten nun zu einem bestimmten Preis oder darunter verkauft werden müssen. Dieser Preisdeckel wurde für Rohöl auf 60 Dollar pro Fass, für Premium-Ölprodukte wie Diesel und Benzin auf 100 Dollar pro Fass und für andere Ölprodukte auf 45 Dollar pro Fass festgelegt. Im Hinblick auf Rohöl trat dieser Mechanismus am 5. Dezember 2022 in Kraft und im Hinblick auf Ölprodukte am 5. Februar 2023. In den ersten Monaten fielen Russlands Einnahmen dramatisch, da russisches Öl im Vergleich zu Weltmarktpreisen deutlich billiger gehandelt wurde. Dieses hatte mit dem Preisdeckel zu tun, aber auch mit dem gleichzeitig in Kraft getretenen EU-Verbot, russisches Öl einzuführen. Die EU-Regelung zwang Russland dazu, neue Abnehmer zu finden und diesen erhebliche Preisnachlässe zu gewähren.

Russland bzw. Akteure mit Verbindungen nach Russland haben im Gegenzug einen gemeinsam abgestimmten Versuch unternommen, die Beschränkungen des Ölpreisdeckels zu umgehen – indem sie eine Flotte von Schiffen aufgebaut haben, die keine Verbindungen zu OPC-Ländern besitzen und für die dementsprechend der Preisdeckel nicht gilt. Öl, das mit diesen Schiffen transportiert wird, kann Russland zu Marktpreisen verkaufen. Damit hat es seit der zweiten Jahreshälfte 2023 deutliche Zusatzeinnahmen generiert, die wiederum den Angriffskrieg in der Ukraine direkt unterstützen. Diese Flotte wurde in erster Linie dadurch entwickelt, dass ältere Schiffe auf dem Gebrauchtmarkt erworben wurden – auch solche von europäischen Eignern – um dann alle Verbindungen zu OPC-Ländern zu beseitigen. Dies bedeutet, dass der Eigentümer, der Schiffsmanager, der Versicherer, und der Flaggenstaat geändert werden. Solche Schiffe, die dem Ölpreisdeckel nicht unterliegen, werden in der Berichterstattung und öffentlichen Debatte als „Schattentanker“ oder Teil der „Schattenflotte“ bezeichnet, auch wenn der Begriff häufig nicht klar definiert wird. Wichtig ist auch: Obwohl häufig von der russischen Schattenflotte gesprochen wird, haben die Schiffe überwiegend wenig direkte Verbindungen zu Russland. „Russisch“ an der Flotte ist das Öl, das die Schiffe transportieren.

Wie groß ist die russische Schattenflotte?

Die Größe der „russischen“ Schattenflotte ist nicht ganz einfach zu bestimmen. Während recht klar definiert werden kann, was einen Schattentanker ausmacht – die Abwesenheit von Verbindungen zu Akteuren in OPC-Ländern – , trifft dies nicht unbedingt auf die Aktivitäten der Schiffe zu. Zum Beispiel: Wird ein Schiff nur dann zur russischen Schattenflotte gezählt, wenn es ausschließlich russisches Öl transportiert? Muss es dies regelmäßig tun oder reichen vereinzelte Fahrten aus? Man kann sich der Frage aber auf verschiedene Weise nähern. Seit der Einführung des Ölpreisdeckels im Dezember 2022 (bzw. Februar 2023) haben 620 individuelle Schattentanker russisches Öl transportiert. Und jeden Monat verlassen im Durchschnitt etwa 200 beladene Schattentanker russische Häfen. Dabei transportieren die Schiffe etwa 110-120 Millionen Fass pro Monat, auf die der Ölpreisdeckel keine Anwendung findet. Der Flotte werden regelmäßig Schiffe hinzugefügt, während Sanktionen und der hohe Altersschnitt zu Abgängen führen. Insgesamt kann von etwa 500 Schiffen ausgegangen werden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zur russisches Öl transportierenden Schattenflotte gehören.

Was ist der Effekt der Schattenflotte?

Wie zuvor angedeutet, ist der Zweck der Schattenflotte die Umgehung des Ölpreisdeckels und das Generieren zusätzlicher Einnahmen für russische Ölfirmen und den russischen Staat. Und dies gelingt in einem großen Ausmaß. Während im Frühjahr 2022 – also kurz nach dem Beginn des russischen Großangriffs auf die Ukraine – etwa 20% der russischen Ölexporte per Schiff mit Tankern ohne Verbindungen zu OPC-Ländern durchgeführt wurden (gleichermaßen für Rohöl und Ölprodukte), liegt der Anteil der Schattenflotte nun bei 85-90% für Rohöl und 35-45% für Ölprodukte, je nach Monat. Der Unterschied zwischen den zwei Werten liegt darin begründet, dass, erstens, Rohöl eine größere Rolle für Russlands Exporterlöse spielt und, zweitens, dass der Preisdeckel für einen großen Teil der Ölprodukte so hoch angesetzt wurde, dass er quasi nie eine Rolle spielt. Entsprechend ist die Anreizstruktur grundlegend verschieden. Insgesamt hat die Schattenflotte die mögliche Wirkung des Ölpreisdeckels drastisch reduziert bzw. für Rohöl fast komplett zunichte gemacht. Damit ist das Kernelement der Ölsanktionen nahezu wirkungslos geworden. Seit der Einführung des Preisdeckels hat Russland fast 15 Milliarden Euro zusätzlich durch den Export von Rohöl mit Tankern der Schattenflotte eingenommen, fast zwei Drittel davon seit Anfang 2024. Eine ähnliche Berechnung für Ölprodukte ist aufgrund des weiten Spektrums der Güter bzw. Preise schwierig. Der Effekt ist hier wahrscheinlich bedeutend geringer, weil der Anteil der Schattenflotte an Exporten von Ölprodukten kleiner ist und die angesetzten Preisdeckel höher sind.

Welche Risiken existieren durch die Schattenflotte?

Die Schattenflotte untergräbt in grundlegender Weise die Effektivität des wichtigsten Instruments der Ölsanktionen: den Preisdeckel. Aber darüber hinaus stellt sie auch eine massive Bedrohung der Umwelt dar. Schattentanker, die russisches Öl transportieren, sind im Durchschnitt deutlich älter als der Rest der globalen Tankerflotte: 18,1 Jahre vs. 14,2 Jahre. Das ist aber nicht das einzige Problem: Schiffe der Schattenflotte sind überwiegend in Ländern registriert, deren Bilanz im Hinblick auf die Durchsetzung von Regularien und Standards zweifelhaft ist. Im Laufe der vergangene Jahre haben Flaggenstaaten wie die Cook Inseln, Gabun, Honduras, Sierra Leone und Vietnam eine wichtige Rolle für den Betrieb der Schattenflotte übernommen. Diese Länder waren zuvor in der globalen Schifffahrt eher unbedeutend oder wurden von Organisationen wie der Paris MoU aufgrund ihrer Verfehlungen auf graue und schwarze Listen gesetzt. Es obliegt den Flaggenstaaten, festzustellen, ob Tanker eine ausreichende Versicherung gegen Ölkatastrophen („Protection and Indemnity“ (P&I) Versicherung) besitzen. Dies sehen die Regularien der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation (International Maritime Organization, oder IMO) so vor. Diese Regularien enthalten auch konkrete Anforderungen und erläutern, auf der Basis welcher Informationen eine Überprüfung durchgeführt werden sollte. Bei den Schiffen der Schattenflotte ist zu bezweifeln, dass eine ausreichende Versicherung existiert bzw. dass dies von den Flaggenstaaten kontrolliert wird. Das Problem ist dabei vielschichtig. Mit der Umwandlung von Schiffen in „Schattentanker“ wurden Versicherungen gekündigt, die den internationalen Standards der International Group of P&I Clubs entsprachen, und durch neue Versicherungen ersetzt. Erstens ist zu befürchten, dass diese neuen Versicherungen finanziell nicht in der Lage wären, für einen in die Milliarden gehenden Schaden durch eine Ölkatastrophe aufzukommen. Zweitens gibt es erhebliche Zweifel, ob diese – vielfach russischen – Versicherungen gewillt wären, eine Zahlung an ein Land oder in einem Land zu leisten, dass von der russischen Regierung als „unfreundlich“ eingeschätzt wird. Drittens sind wichtige russische Versicherungen bzw. der zentrale Rückversicherer Russian National Reinsurance Company (RNRC) in der EU und anderen Rechtsräumen sanktioniert und es ist unwahrscheinlich, dass eine Zahlung von einem solchen Unternehmen überhaupt akzeptiert werden könnte.

Was die von der Schattenflotte ausgehenden Umweltrisiken betrifft, ist auch folgendes wichtig: Ein großer Anteil der russischen Exporte verläuft durch die Ostsee, das Schwarze Meer und das Mittelmeer und somit in direkter Nachbarschaft europäischer Küsten. Das liegt an Russlands westlich orientierter Exportinfrastruktur. Etwa 75% aller russischen Ölexporte per Schiff erfolgen von Terminals in der Region St. Petersburg bzw. von Schwarzmeerhäfen. Im Ergebnis durchfahren zum Beispiel im Durchschnitt fast drei beladene Schattentanker pro Tag die Ostsee. In den vergangenen Jahren ist es dabei schon zu einer erheblichen Zahl an Zwischenfällen gekommen, wobei eine größere Ölkatastrophe bislang verhindert wurde. Im März 2024 kollidierte der 15 Jahre alte Schattentanker Andromeda Star vor der Küste Jütlands mit einem anderen Schiff. Er war zum Zeitpunkt des Unfalls aber auf dem Rückweg nach Russland und deshalb nicht beladen. Medien berichteten, dass das Schiff zu diesem Zeitpunkt keine gültige Versicherungspolice besaß. Im Mai 2023 verlor die Mannschaft der 18 Jahre alten und mit 340.000 Fässern russischer Ölprodukte beladenen Canis Power die Kontrolle über den Schattentanker und konnte eine Kollision vor Langeland nur im letzten Moment verhindern. Ein ähnlicher Zwischenfall ereignete sich im Januar 2025, als die Eventin mit 100.000 Tonnen russischem Öl an Bord navigationsunfähig vor der deutschen Küste trieb. Unfälle haben sich nicht nur in europäischen Gewässern ereignet, sondern überall dort, wo die Schattenflotte unterwegs ist.

Die Schattenflotte könnte auch als Instrument der hybriden Kriegsführung genutzt werden. So berichteten verschiedene Medien über Spionagetechnologie an Bord der Eagle S, die im Dezember 2024 aufgrund der Beschädigung des Estlink 2 Unterseekabels in der Ostsee von finnischen Behörden festgehalten und inspiziert wurde. Ob es sich dabei um ein systematisches Vorgehen Russlands handelt, ist allerdings weiter unklar.

Wie kann gegen die Schattenflotte vorgegangen werden?

Für längere Zeit konzentrierten sich Versuche, gegen die Schattenflotte vorzugehen, auf die Betreiber der Schiffe, die in verschiedenen Ländern sanktioniert wurden. Dies stellte sich allerdings schnell als ineffektiv heraus, da die betroffenen Schiffe gewissermaßen über Nacht an neue Firmen übertragen wurden und ihre Aktivitäten ohne wesentliche Einschränkungen forstsetzen konnten.

Seit Herbst 2023 ist die Herangehensweise nun eine andere: Sanktioniert werden jetzt die Schiffe direkt. Das bedeutet, dass auch eine Umbenennung, ein Verkauf oder eine anderweitige Umorganisation keinen Ausweg mehr darstellen. Diese Maßnahmen haben sich als außerordentlich effektiv erwiesen, vor allem in Fällen, in denen die Sanktionen vom US-Finanzministerium (bzw. dem Office of Foreign Assets Control, oder OFAC) vorgenommen werden. Die meisten der betroffenen Schiffe konnten keine weiteren Fahrten unternehmen. Dies liegt daran, dass jede Person oder jede Firma, die mit den Schiffen in Berührung kommt – z.B. die Käufer des Öls, involvierte Banken oder Hafenbehörden – , ihrerseits mit einer Bestrafung durch die USA rechnen müssen, konkret damit, vom US-Finanzsystem und dem Dollar abgeschnitten zu werden (so genannte „Sekundärsanktionen“). In der EU und dem Vereinigen Königreich, zwei der anderen Rechtsräume, in denen in größerem Umfang Schattentanker sanktioniert werden, existieren keine Maßnahmen, die auf Gebiete außerhalb des eigenen Rechtsraums zielen („exterritoriale Sanktionen“). Entsprechend ist es nicht überraschend, dass von der EU oder Großbritannien sanktionierte Schiffe teilweise weiter aktiv sind.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt (März 2025) sind 213 Tanker von den USA sanktioniert, 131 von der EU und 133 von Großbritannien. In den letzteren beiden Fällen mussten zunächst die rechtlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, was die EU mit dem 14. Sanktionspaket im Juni 2024 tat. Die Überschneidungen der Schiffssanktionen sind dabei relativ gering: nur 35 Schiffe sind von US-, EU- und britischen Sanktionen betroffen. Damit liegt die Zahl der Schiffe, die in mindestens einer der Jurisdiktionen sanktioniert sind, bei 311. In der jüngeren Vergangenheit hat auch Kanada solche Maßnahmen getroffen, die weitestgehend mit denen Großbritanniens übereinstimmen. Erhöhter Druck auf die Schattenflotte hat dazu geführt, dass Russland weitere Preisabschläge auf seine Ölexporte hinnehmen musste, da es teurer wird, Transportkapazitäten zu organisieren bzw. mit der Schattenflotte verbundene Akteure Riskikoaufschläge verlangen. Während die weitere Vorgehensweise der US-Regierung schwer abzusehen ist, kann davon ausgegangen werden, dass die EU, Großbritannien und Kanada in den kommenden Monaten weitere Schiffe sanktionieren werden.

Mit dem voraussichtlichen Rückzug der USA stellt sich allerdings die dringliche Frage nach der Effektivität dieser Maßnahmen. Dabei müssen die USA nicht einmal Sanktionen rückgängig machen; es reicht, wenn die beteiligten Akteure den Eindruck gewinnen, dass Zuwiderhandlungen nicht zu Konsequenzen führen werden. Trotz der grundsätzlichen Ablehnung exterritorialer Sanktionen stehen der EU und dem Vereinigten Königreich Möglichkeiten zur Durchsetzung ihrer Maßnahmen gegen die Schattenflotte zur Verfügung. Allerdings ist das Ganze etwas komplizierter, als es sich für die USA darstellt. Die Effektivität von US-Sekundärsanktionen liegt darin begründet, dass eine massive, aber vage Drohung an Akteure in aller Welt gesendet wird und es diesen überlassen wird, herauszufinden, wo genau die rote Linie verläuft und wie sie die Übertretung dieser vermeiden. Die EU bzw. Großbritannien hingegen müssten direkt gegen Akteure aktiv werden. Rechtlich möglich ist dies. Zum Beispiel könnte die EU einer indischen oder chinesischen Raffinerie, die russisches Öl von EU-sanktionierten Schiffen bezieht, den Zugang zum EU-Markt verbieten. Ähnlich könnte auch mit Banken verfahren werden, die Transaktionen unter Beteiligung von EU-sanktionierten Schiffen vornehmen.

Über diese Sanktionen hinaus wird immer wieder diskutiert, ob es möglich wäre, Schattentanker physisch aufzuhalten. Wie zuvor erwähnt müssen diese auf ihrem Weg zu Russlands wichtigsten Exportmärkten – China und Indien – in vielen Fällen europäische Gewässer durchfahren. Allerdings ist dies aus seerechtlichen Erwägungen kompliziert und unter Umständen sogar unmöglich. Die Durchfahrtsrechte in Meerengen wie der Dänemarkstraße werden vom UN-Seerechtsübereinkommen (United Nations Convention on the Law of the Sea, oder UNCLOS) bzw. weiteren Vertragswerken wie der Copenhagen Convention von 1857 geregelt und sind ausgesprochen umfassend. Konkret: Die Durchfahrt eines Schiffs kann nach gegenwärtiger Auslegung nur in Ausnahmefällen eingeschränkt werden. Eine befürchtete Umweltkatastrophe bzw. ein Verstoß gegen IMO-Richtlinien reichen dafür nicht aus. Die Auslegung internationalen Rechts kann sich aber ändern durch die Schaffung eines Präzedenzfalls. So beschränkte z.B. Spanien die Durchfahrtsrechte für bestimmte Einhüllentanker nach dem Prestige-Desaster im Jahr 2002. Auf den ersten Blick war das ein klarer Verstoß gegen UNCLOS. Dennoch wurden diese Maßnahmen generell akzeptiert und später von der EU übernommen.

Viele europäische Regierungen lassen beim Festhalten von Schattentankern weiterhin extreme Vorsicht walten. Allerdings ist Bewegung in die Frage der Überprüfung des Versicherungsstatus gekommen. Im Dezember 2024 beschloss eine Gruppe von Nord- und Ostsee-Anrainerstaaten, die Nordic-Baltic 8++, solche Überprüfungen regelmäßig durchzuführen und Sanktionen für individuelle Schiffe als Durchsetzungsmechanismus einzusetzen, falls die Auskunft verweigert wird bzw. sich die Versicherung als unzureichend herausstellt. Die praktische Umsetzung dieses Vorschlags wird sich beweisen müssen, aber die notwendigen Instrumente, um gegen die Schattenflotte vorzugehen, sind damit vorhanden. Die Herausforderung ist in jedem Fall groß und es bedarf dringend einer Lösung. Die Umweltrisiken sind schlicht zu gewaltig und darüber hinaus entscheiden Russlands Energieexporte maßgeblich über die Fähigkeit des Landes, seinen illegalen Angriffskrieg gegen die Ukraine fortzusetzen und die Sicherheit und Prosperität Europas zu gefährden.

Weitere Inhalte

Benjamin Hilgenstock ist seit Juli 2023 Associate Fellow im Zentrum für Geopolitik, Geoökonomie und Technologie der DGAP. Er ist gegenwärtig Head of Macroeconomic Research and Strategy am KSE Institute der Kyiv School of Economics und befasst sich schwerpunktmäßig mit dem internationalen Russland-Sanktionsregime, insbesondere in den Bereichen Energie, Finanzen und Exportkontrollen. Er ist zudem Mitglied der International Working Group on Russian Sanctions.