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Desinformation und Wahlen

Karolin Schwarz

/ 5 Minuten zu lesen

Am 23. Februar 2025 wählt Deutschland einen neuen Bundestag. Wie schon in den Jahren zuvor verbreiten in- und ausländische Akteure Desinformation.

Desinformation, Fehlinformationen und Einmischungsversuche ausländischer Akteure sind nicht nur im Wahlkampf relevant, sondern spielen auch als langfristige Beeinflussungsversuche eine Rolle. (© picture-alliance, Zoonar | Chalirmpoj Pimpisarn)

Was bedeuten Desinformation, Fehlinformation und FIMI?

Ob Fake News, Desinformation, Fehlinformation, Hybride Kriegsführung oder FIMI: es kursieren eine Reihe unterschiedlicher Begriffe, die ihrerseits teilweise unterschiedlich definiert werden. Dennoch lassen sich die Begriffe und ihre Bedeutung voneinander abgrenzen.

Desinformation beschreibt absichtlich gestreute Falschinformationen, die gezielt genutzt werden, um Menschen in die Irre zu führen bzw. die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Das Spektrum reicht von frei erfundenen Behauptungen bis zu aus dem Zusammenhang gerissenen, manipulierten oder generierten Bildern und Videos. Hinter einer Fehlinformation steckt hingegen keine Absicht, sondern stehen Inhalte oder Behauptungen, die fälschlicherweise als echt oder wahr eingeschätzt und verbreitet werden.

Im Kontext von – meist koordinierten – Aktivitäten staatlicher und nichtstaatlicher Akteure aus dem Ausland ist häufig von hybriden Bedrohungen oder hybrider Kriegsführung die Rede. Diese Begriffe umfassen Handlungen jenseits des konventionellen militärischen Rahmens und damit nicht nur Desinformation, sondern unter anderem auch Cyberangriffe oder Sabotageaktionen. Dazu gehören auch sogenannte “Hack & Leak”-Operationen, bei denen beispielsweise sensible oder belastende Inhalte und Daten erbeutet und mit Schadensabsicht veröffentlicht und teilweise auch mit gefälschten Dokumenten angereichert werden.

Zusätzlich hat sich der Begriff FIMI, kurz für Foreign Information Manipulation and Interference, etabliert. FIMI beschreibt Manipulationsversuche über klassische sowie digitale Medien, um die öffentlichen Meinung über staatliche Handlungsfähigkeit oder politische Prozesse negativ zu beeinflussen. Neben Desinformation kommen hier zum Beispiel verdeckt platzierte nachrichtenähnliche Inhalte und gefälschte Konten in sozialen Medien zum Einsatz.

Zusätzlich werden die oben beschriebenen Phänomene häufig als “Fake News” beschrieben. Der Begriff ist allerdings in mehrfacher Hinsicht ungeeignet. Die wenigsten Falschbehauptungen und irreführenden Inhalte kommen in Gestalt von Meldungen daher, die wie klassische Nachrichten aussehen. Desinformation und Fehlinformationen werden häufig zum Beispiel in Form von Bildern, Videos, Kettenbriefen oder Memes verbreitet. Externer Link: Untersuchungen zeigen zudem, dass Menschen den Begriff sehr unterschiedlich verstehen und mit “Fake News” sowohl journalistische Fehler, ernst genommene Satire als auch Desinformation verbinden. Und schließlich wurde der Begriff in den vergangenen Jahren immer wieder von Politikern und Regierenden gebraucht, um seriöse Berichterstattung zu attackieren, die gängigen etablierten journalistischen Standards folgt.

Desinformation, Fehlinformationen und Einmischungsversuche ausländischer Akteure sind nicht nur im Wahlkampf relevant, sondern spielen auch abseits von Wahlen als langfristige Beeinflussungsversuche eine Rolle.

Wiederkehrende Falschbehauptungen vor und während der Wahlen

Die sich ständig verändernde Weltlage hat erheblichen Einfluss auf die Themen und Schwerpunkte im Wahlkampf. Das wirkt sich insbesondere auf Falschbehauptungen über Parteien oder Kandidaten und Kandidatinnen aus. Dennoch gibt es eine Reihe von Falschbehauptungen, die seit Jahren immer wieder im Zusammenhang mit Wahlen verbreitet werden und auch im Vorfeld der Bundestagswahl 2025 bereits verbreitet wurden oder ggf. noch verbreitet werden könnten.

Immer wieder beziehen sich Falschmeldungen auf Externer Link: Stimmzettel, die gelocht oder in der oberen rechten Ecke abgeschnitten sind. Fälschlicherweise wird immer wieder behauptet, dass Stimmzettel auf diese Weise markiert werden, um sie später zu manipulieren. Das ist nicht richtig, denn diese Markierungen sind dazu da, dass Menschen mit Sehbehinderungen dort eine Schablone anlegen und auf diese Weise ohne Unterstützung anderer Personen ihre Wahl treffen können.

Verschiedene wiederkehrende Falschbehauptungen zielen auf Wahllokale ab. Etwa, dass man einen eigenen Stift dabeihaben sollte, weil in Wahllokalen nur Bleistifte ausliegen würden, um Stimmzettel bei der Auszählung manipulieren zu können. Richtig ist: Eigene Externer Link: Stifte können mitgebracht werden. Ungeachtet dessen aber ist eine Wahlfälschung nahezu ausgeschlossen, da die Stimmenauszählung öffentlich ist und die jeweiligen Wahlvorstände mit Mitgliedern unterschiedlichster Parteien besetzt sind. Das gilt auch für Falschmeldungen über Wahlurnen, die immer wieder kursieren: Wahlurnen müssen verschließbar sein und werden nach Öffnung des Wahllokals erst zur Auszählung wieder geöffnet. Dennoch werden immer wieder Videos mit Falschmeldungen über Wahlurnen verbreitet, die angeblich zur Manipulation vorgesehen sind.

Auch mit Blick auf Wahlhelfende und die Auszählung kursieren immer wieder ähnliche Falschmeldungen. Zum Beispiel verbreiten seit Jahren Interner Link: Internet-Trolle am Wahltag die Behauptung, sie hätten sich als Wahlhelfer angemeldet, um die Stimmen für bestimmte Parteien ungültig zu machen oder zu ändern. Eine andere Falschmeldung, die sich hartnäckig immer wieder verbreitet, ist eine erfundene Anweisung der Wahlleitungen, Stimmen nur dann zu zählen, wenn das Kreuz akkurat innerhalb des Kreises gesetzt wurde. Auch das ist falsch, denn es zählt, ob der Wille des Wählers zu erkennen ist. Mit Blick auf die Auszählung organisieren Rechtsextreme eigene Programme zur vermeintlichen “Wahlbeobachtung”. Hiermit wird impliziert, dass die "Wahlbeobachtung" dazu diene, eine behauptete geplante Wahlmanipulation zum Nachteil einer einzelnen Partei zu verhindern.

Es ist nicht auszuschließen, dass in diesem Jahr andere, neue Desinformationsnarrative verbreitet werden. Auf der Externer Link: Website der Bundeswahlleiterin werden aktuelle Falschmeldungen rund um die Bundestagswahl gesammelt und entkräftet.

Zuletzt wurden im Wahlkampf in Deutschland vermehrt Inhalte verbreitet, die durch künstliche Intelligenz generiert wurden und Wählende in die Irre führen sollen. Der Anteil dieser Inhalte an der Gesamtheit der Desinformation ist noch immer vergleichsweise gering und sämtliche zuvor genannten Beispiele werden oft vielfach geteilt, ohne dass der Einsatz von KI-Tools vonnöten ist. Dennoch lohnt sich zum Beispiel ein Blick in die Slowakei: Dort wurde bereits im Jahr 2023 im Wahlkampf kurz vor der Parlamentswahl eine künstlich generierte angebliche Tonaufnahme eines Telefongesprächs verbreitet, die eine geplante Wahlmanipulation belegen sollte.

Fälle ausländischer Einflussnahme

KI-generierte Inhalte in Form von Deep Fakes wurden zuletzt auch in Einflussoperationen aus Russland verwendet. Im Rahmen der Operation Externer Link: ”Storm-1516” wurden Deep Fakes von Personen verbreitet, die frei erfundene Missbrauchsvorwürfe gegen den demokratischen US-Vizepräsidentschaftskandidaten und den grünen Kanzlerkandidaten lancierten. „Storm-1516“ umfasst ein Netzwerk von über 100 Websites, die wie Medienseiten aufgebaut sind und Namen wie „Berliner Wochenzeitung“ oder „Unabhängiger Nachrichtendienst“ tragen. Die Websites werden oft zunächst mit seriös wirkenden Nachrichteninhalten gefüllt und dann zur Verbreitung von Desinformation genutzt, die von Influencern verbreitet wird, die den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine unterstützen.

Andere von Russland aus gesteuerte Operationen wie “Doppelgänger” verbreiten Falschbehauptungen und Externer Link: Verschwörungserzählungen über weitere Kandidatinnen und Kandidaten und greifen vor allem Politiker an, die sich seit Beginn der Invasion der Ukraine durch Russland im Februar 2022 als Verbündete der Ukraine zu erkennen gegeben und für Waffenlieferungen ausgesprochen haben. Eine weitere Strategie beinhaltet massenhafte Kontaktversuche gegenüber Medien und Behörden, um sie mit Anfragen zu überlasten. Zum Werkzeugkasten der hybriden Bedrohung gehören auch Cyberangriffe. In den vergangenen Jahren wurden verschiedene Angriffe auf den Bundestag, mehrere deutsche Parteien sowie zivilgesellschaftliche Akteure verzeichnet, die russischen Hackern zugeschrieben wurden. Bislang sind dabei möglicherweise erbeutete Daten nicht öffentlich eingesetzt worden. Insgesamt ist auch weiterhin mit Versuchen der Destabilisierung durch staatliche Akteure zu rechnen.

Russland setzt dabei auch auf die Verstärkung von Desinformation und spaltenden Narrativen, die bereits in Deutschland verbreitet werden. Außerdem finanziert der Kreml verdeckte medienaktivistische Projekte, die als russische Staatsmedien zu betrachten sind, diese Verbindungen allerdings nicht offenlegen. Neben Russland fallen auch Staaten wie China oder der Iran in den letzten Jahren immer wieder durch staatlich orchestrierte Einmischungsversuche auf. Ob diese oder weitere Akteure künftig auch vermehrt in Deutschland aktiv werden, bleibt abzuwarten, ist angesichts der anhaltenden globalen Krisen jedoch nicht unwahrscheinlich.

Beispiel Iran

In den vergangenen Jahren haben iranische Hacker mehrfach in US-Wahlkämpfe eingegriffen, um das Vertrauen in den demokratischen Wahlprozess zu untergraben. Im Jahr 2024 erbeuteten Hacker Daten der Trump-Kampagne und boten diese Bidens Wahlkampfteam an. Während des Wahlkampfes 2020 griffen Hacker Wählerverzeichnisse an. Die erbeuteten Daten wurden dann genutzt, um als Demokraten eingetragene Wähler zu bedrohen: Die Hacker gaben sich als Mitglieder der Proud Boys aus – eine rechtsextreme Miliz, die auch am Interner Link: Sturm auf das Kapitol 2021 beteiligt war – und drohten mit Gewalt, sollten die Adressaten sich nicht für eine Wahl Donald Trumps entscheiden.

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Karolin Schwarz ist Autorin, Trainerin und Beraterin. Sie beschäftigt sich vor allem mit Desinformation, digitalen Ausprägungen des Rechtsextremismus, Rechtsterrorismus und der Schnittstelle zwischen Internet und Gesellschaft. In der Vergangenheit hat sie als Journalistin, Faktencheckerin und als Beraterin für große Social-Media-Plattformen gearbeitet und hat sowohl im Bundestag als auch im Prozess um den rechtsterroristischen Anschlag von Halle als Sachverständige ausgesagt. Im Februar 2020 erschien ihr Buch "Hasskrieger: Der neue globale Rechtsextremismus“ im Verlag Herder.