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Gewalt gegen Wahlkämpfer | Hintergrund aktuell | bpb.de

Gewalt gegen Wahlkämpfer

Redaktion

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Die Zahl der Attacken auf Politiker und Wahlkämpfer hat in den vergangenen Jahren zugenommen. Auch im aktuellen Bundestagswahlkampf gab es bereits eine Vielzahl solcher Angriffe.

In der Nacht auf den 11. Januar 2025 haben Unbekannte die Fensterscheiben des Wahlkreisbüros von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) eingeworfen. (© picture-alliance, SULUPRESS.DE | Torsten Sukrow)

Bereits in den vergangenen Wahlkämpfen zur Interner Link: Europawahl und den Landtagswahlen 2024 kam es zunehmend zu Gewalt gegen Wahlkämpferinnen und -kämpfer. Dieser Trend setzt sich im Interner Link: aktuellen Bundestagswahlkampf fort. Seit Beginn des Interner Link: Wahlkampfes wurden innerhalb von zwei Monaten zahlreiche Angriffe verübt.

Bundestagswahl 2025Chronik der Fälle (ein Auszug)

  • 14. Dezember 2024: Mehrere mutmaßliche Neonazis sollen in Berlin Lichterfelde zwei SPD-Mitglieder an einem Infostand angegriffen haben. Die Angreifer schlugen und traten auf die Wahlkämpfer ein und verletzten sie schwer. Den Opfern zu Hilfe eilende Polizisten wurden ebenfalls attackiert. Die mutmaßlichen Täter waren aus Halle zu einem rechtsextremen Aufmarsch in Berlin-Friedrichshain angereist.

  • 4. Januar 2025: Ein Unbekannter pöbelte laut Medienberichten an einem Infostand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Münchner Stadtteil Neuperlach die Wahlkämpferinnen und -kämpfer zunächst an und zerstörte dann den gesamten Infostand. Die Partei geht von einem geplanten Angriff aus.

  • 9. Januar 2025: Eine Lokalpolitikerin der Partei DIE LINKE warf dem FDP-Bundesvorsitzenden Christian Lindner bei einem Wahlkampftermin in Greifswald eine Torte aus Rasierschaum ins Gesicht. Lindner blieb unverletzt.

  • 15. Januar 2025: Ein Fahrradfahrer bewarf den CDU-Bundestagskandidaten Dietmar Link, während er in Leipzig Plakate aufhängte, mit einem festen Gegenstand am Kopf. Link wurde dabei leicht verletzt.

  • 17.-18. Januar 2025: Beim Plakatieren in Dresden wurden zwei Wahlkämpferinnen und -kämpfer von DIE LINKE verbal attackiert. Ein Fahrradfahrer soll ihnen gedroht haben: „Euch Kommunisten hängen wir alle an die Bäume“. Auf ein weiteres Team der Partei soll eine alkoholisierte Person versucht haben, ihren Hund zu hetzen.

  • 19. Januar 2025: Fans des Fußballvereins Dynamo Dresden haben nach einem Heimspiel einen Wahlkampfstand von DIE LINKE angegriffen und die Menschen am Infostand des Jugendverbands der Linksjugend bedroht.

  • 19. Januar 2025: In Görlitz bedrohte eine Gruppe vier Wahlkämpferinnen und -kämpfer von DIE LINKE und randalierte gegen ein Wahlplakat.

  • 19. Januar 2025: Ein Wahlkampfhelfer wurde von einem vermummten Mann in Berlin-Friedrichshain angegriffen, während er an einer roten Ampel stand. Der Angreifer warf einen kleinen Pflasterstein gegen die Beifahrerseite. Laut Angabe des „Tagesspiegel“ soll es sich um einen Wahlkampfhelfer der Alternative für Deutschland (AfD) gehandelt haben.

Die Chronik stellt nur einen Auszug der Fälle dar und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit.

Übergriffe bei Europa- und Landtagswahlen

Der Wahlkampf für die Europawahl im Juni 2024 sowie den Landtagswahlen in Interner Link: Thüringen, Interner Link: Sachsen und Interner Link: Brandenburg im Herbst war teils von brutalen Übergriffen und Anfeindungen gegenüber Funktionären und Mitgliedern unterschiedlicher Parteien überschattet. In einer ganzen Reihe von Städten wie unter anderem Zwickau, Chemnitz, Leipzig oder Hannover wurden politisch Aktive in vergangenen Wahlkämpfen verbal oder tätlich angegriffen – betroffen waren Anhängerinnen und Anhänger verschiedenster Parteien von den Interner Link: GRÜNEN und Interner Link: DIE LINKE bis hin zur Interner Link: AfD.

Große Aufmerksamkeit erhielt der Angriff auf den sächsischen Interner Link: SPD-Spitzenkandidaten für die Europawahl Matthias Ecke aufgrund der besonderen Brutalität. Ecke wurde Anfang Mai 2024 beim Plakatieren in Dresden von vier Jugendlichen verprügelt und schwer verletzt. Ein Tag zuvor waren der GRÜNEN-Bundestagsabgeordnete Kai Gehring und sein Parteikollege Rolf Fliß in Essen nach einer Parteiveranstaltung attackiert worden. Fliß, dem dritten Bürgermeister von Essen, wurde dabei ins Gesicht geschlagen. Nur wenige Tage später wurden zwei AfD-Politiker vor dem Landtag in Stuttgart angegriffen und leicht verletzt.

TextauszugChronik vom MDR über Fälle in Mitteldeutschland (Mai 2023 bis Mai 2024)

Der Externer Link: MDR hat eine Chronik über die Vorfälle in Mitteldeutschland (Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) erstellt, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Hier ein Auszug dieser Vorfälle von Mai 2023 bis Mai 2024:

  • 7. Mai 2024: In Dresden werden die Grünen-Politiker Yvonne Mosler und Cornelius Sternkopf beim Aufhängen von Plakaten bespuckt und beleidigt. Verletzt wird niemand. Polizisten stellen kurz darauf eine 24 Jahre alte Frau und einen 34-Jährigen als Tatverdächtige.

  • 6. Mai 2024: Der Leipziger Bundestagsabgeordnete Sören Pellmann (Linke) wird das zweite Mal innerhalb von vier Tagen bedroht. Am Montagmorgen habe man im Briefkasten seines Wahlkreisbüros Hundekot und einen mit Hakenkreuzen und Drohungen beschmierten Flyer gefunden.

  • 6. Mai 2024: In der Äußeren Neustadt Dresdens wird ein Informationsstand der AfD angegriffen. Aufsteller, Plakate und ein Tisch werden beschädigt, der 54-jährige Betreiber des Standes bleibt unverletzt.

  • 3. Mai 2024: Der sächsische Spitzenkandidat der SPD für die Europawahl, Matthias Ecke, wird beim Aufhängen von Wahlplakaten in Dresden von vier Jugendlichen angegriffen. Zuvor hatten die gleichen Täter bereits einen Wahlkampfhelfer der Grünen angegriffen, der in der gleichen Straße wie Ecke Wahlplakate aufhing. Der 28-Jährige erlitt mehrere Prellungen. Die Angreifer hätten ihm noch in den Bauch getreten, als er bereits am Boden gelegen habe.

  • 26. April 2024: Mehrere Wahlkampfhelfer verschiedener Parteien werden in Sachsen beim Aufhängen von Wahlplakaten angegriffen: Zwei Wahlhelfer der Grünen in Zwickau werden von einem Unbekannten beleidigt, er schlägt einem von ihnen das Handy aus der Hand und ergreift mit vier Plakaten die Flucht.

  • 26. April 2024: In Chemnitz wird einem Wahlhelfer der Grünen seine Leiter entrissen, er wird leicht verletzt. Und ein Wahlhelfer der Partei Volt wird beim Aufhängen von Plakaten in Leipzig von zwei Männern zunächst beleidigt und dann ins Gesicht geschlagen.

  • 17. März 2024: Ein Fenster im Haus von Joachim Stade, Stadtratskandidat für die LINKE in Waltershausen, Thüringen, wird mit einem Stein eingeworfen. Er vermutet ein politisches Motiv: "Den Steinwurf in den Wohnbereich meines Hauses kann ich nur in Zusammenhang mit meinem kürzlich begonnenen Engagement für die Linke Liste des Stadtrates und gegen die Zunahme rechten, menschenverachtenden Gedankengutes sehen."

  • 24. Februar 2024: In Suhl werden die Scheiben mehrerer Parteibüros eingeworfen. Betroffen sind die LINKE, die Grünen und die SPD.

  • 23. Februar 2024: Eine unbekannte, feste Substanz wird an ein AfD-Wahlkreisbüro in Nordhausen verschickt. Ein Mann wurde vorsorglich ins Krankenhaus gebracht.

  • 19. Februar 2024: Ein Brandanschlag wird auf das Wohnhaus von SPD-Politiker Michael Müller in Waltershausen verübt. Die Täter zünden den Eingangsbereich des Hauses und ein davor geparktes Auto mit Hilfe von Brandbeschleuniger an. Müller selbst ist zum Zeitpunkt des Anschlags nicht zu Hause, stattdessen schläft eine Familie mit Baby in dem Haus.

  • 2. Februar 2024: Der 18-jährige Sohn des Dessauer AfD-Stadtrates Lutz Büttner wird angegriffen. Fünf Angreifer schlagen und treten auf ihn ein, er wird schwer an Kopf, Hand und Auge verletzt. Für ein politisches Motiv habe es der Polizei zufolge keine Anhaltspunkte gegeben.

  • 8. Januar 2024: Vor dem Parteibüro des SPD-Bundestagsabgeordneten Holger Mann in Delitzsch werden Kadaverreste und Innereien von Tieren ausgekippt. Die Täter bleiben unerkannt, drei Monate später übernimmt der Staatsschutz die Ermittlungen.

  • 3. Mai 2023: Ein Brandanschlag wird auf das SPD-Bürgerbüro des Hallenser Bundestagsabgeordneten Karamba Diaby und der Fraktionschefin der Sozialdemokraten im Landtag Katja Pähle verübt. Der Täter wird noch vor Ort gefasst und später in die Psychiatrie eingewiesen.

Autorin: Elisabeth Winkler, MDR AKTUELL. Hier finden Sie den ganzen Externer Link: Artikel.

Die Gewalt gegen Politikerinnen und Politiker sowie Parteimitglieder habe nicht nur in der Fallzahl zugenommen, sondern sei auch brutaler geworden, so der Gewaltforscher Peter Imbusch. Zunehmend trifft diese auch das Spitzenpersonal. Interner Link: Auf kommunaler Ebene werden Anfeindungen und mitunter körperliche Gewalt schon länger problematisiert.

Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger gestiegen

Attacken gegen Politikerinnen und Politiker nehmen seit Jahren zu. Die Zahl der politisch motivierten Straftaten gegen Amts- und/oder Mandatsträgerinnen und -träger stieg laut Bundeskriminalamt (BKA) 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 29 Prozent auf rund 5.400 Fälle. Die Delikte waren vorwiegend Beleidigungen, Nötigungen/Bedrohungen, Propagandadelikten und Volksverhetzungen sowie Sachbeschädigungen. Die Externer Link: meisten Angriffe (1.219 Fälle) richteten sich gegen Parteirepräsentanten und -mitglieder der GRÜNEN. Dieser Trend setzte sich Externer Link: im ersten Halbjahr 2024 fort: Bereits in den ersten sechs Monaten wurden die GRÜNEN 740-mal Opfer von Straftaten.

Gewaltdelikte trafen 2023 besonders die AfD (86 Fälle), gefolgt von den GRÜNEN (62 Fälle). Auch im ersten Halbjahr 2024 wurde die AfD am häufigsten Ziel von Gewaltdelikten (48 Fälle). Einen Großteil dieser Gewaltdelikte machten dabei laut dem Bundesministerium des Innern und für Heimat (BMI) Externer Link: Erpressungsdelikte aus. Um Erpressungen kann es sich beispielsweise handeln, wenn unter der Androhung von Gewalt oder von Rufmord eine Geldzahlung verlangt wird.

Die meisten Straften gegen Amts- bzw. Mandatsträger lassen sich laut BMI weder dem rechts- noch dem linksextremen Spektrum zuordnen (3.991 von 5.388 Fällen). 788 Delikte waren laut den Externer Link: bundesweiten Fallzahlen 2023 zur politisch motivierten Kriminalität (PMK) rechts- und 462 linksextrem motiviert. 14 von 118 Gewalttaten waren der PMK zufolge links-, weitere sechs rechtsextrem motiviert. Auch hier fallen 94 der 118 Gewaltdelikte unter die Zuordnung „sonstige“.

„Vereinbarung zu einem fairen Bundestagswahlkampf“

Expertinnen und Experten warnen schon länger vor einer Verrohung der politischen Kultur. Angesichts des aktuellen Bundestagswahlkampfes wird befürchtet, dass es noch mehr Attacken auf Wahlkämpferinnen und -kämpfer geben könnte. Um sich gegen die Beschädigung der öffentlichen Debatte im Wahlkampf zu stellen, haben sich SPD, Interner Link: CDU/Interner Link: CSU, GRÜNE, Interner Link: FDP und DIE LINKE im Dezember 2024 auf ein sogenanntes Externer Link: Fairness-Abkommen geeinigt. Darin sichern die Parteien unter anderem zu, auf persönliche Herabwürdigungen zu verzichten, keine extremistischen Äußerungen zu tolerieren und gegen Desinformation einzustehen.

Gesetzesänderungen geplant

Schutzmaßnahmen für Wahlkampfveranstaltungen wurden in den vergangenen Jahren verstärkt. Allerdings sind die Kapazitäten der Sicherheitsbehörden begrenzt. Im Vorfeld der Bundestagswahl haben manche Wahlkämpferinnen und -kämpfer zudem Schulungen besucht. Inwieweit Mitglieder der Parteien aus Angst vor Übergriffen dennoch ihr Engagement reduzieren, lässt sich noch nicht abschätzen.

Im Herbst 2024 hat der Bundesrat Externer Link: einen Gesetzesentwurf zur Verbesserung des strafrechtlichen Schutzes von Amts- und Mandatsträgern vorgelegt. Die Zustimmung des Bundestags steht jedoch noch aus. Der Gesetzesentwurf sieht die Schaffung und Erweiterung von Straftatbeständen vor. Auch ein von der Bundesregierung im Sommer Externer Link: auf den Weg gebrachter Entwurf, der eine Regelung zur Sperrung von Melderegisterauskünften über Mandatsträger vorsieht, befindet sich noch im Gesetzgebungsprozess. Angesichts der Neuwahlen Ende Februar 2025 und dann anstehenden Koalitionsverhandlungen ist unklar, ob und wann die Entwürfe tatsächlich beschlossen werden.

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