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27. Januar: Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus

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Seit 1996 ist der 27. Januar in der Bundesrepublik der Tag des Gedenkens an die vielen Millionen Menschen, die während der Zeit des Nationalsozialismus entrechtet, verfolgt und ermordet wurden. Das Datum verweist auf den Tag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz im Jahr 1945.

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Am 27. Januar 1945 befreiten sowjetische Soldaten das Interner Link: Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz. Auf dem Gelände befanden sich zu diesem Zeitpunkt noch etwa 7.000 Menschen. Wie kein anderer Ort symbolisiert Auschwitz die Verbrechen, die Deutschland unter nationalsozialistischer Führung verübte. In Auschwitz wurden zwischen 1940 und 1945 weit über eine Million Menschen ermordet.

Systematische Vernichtung

Nach der Interner Link: Machtübernahme der Nationalsozialisten wurden politische Oppositionelle und Interner Link: rassistisch und sozial Verfolgte auf der Grundlage der „Interner Link: Reichstagsbrandverordnung“ in Konzentrationslagern interniert. Das erste Lager dieser Art entstand im März 1933 in Dachau. Mit den Interner Link: Nürnberger Gesetzen schuf sich die NS-Führung ab 1935 auch eine pseudo-juristische Grundlage für die Verfolgung der jüdischen Bevölkerung sowie von Interner Link: Sinti und Roma. Sie erweiterte bestehende Lager zu Stätten der Zwangsarbeit und beutete die inhaftierten Menschen unter katastrophalen Bedingungen bis zu ihrem Tod aus.

Das Konzentrationslager Auschwitz

Das Konzentrationslager Auschwitz wurde 1940 in der Nähe der Stadt Oświęcim Interner Link: im besetzten Polen errichtet. SS-Reichsführer Heinrich Himmler ordnete 1941 den Ausbau des Lagers an. Daraufhin entstand drei Kilometer entfernt das Arbeits- und Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, in dem zunächst vor allem sowjetische Kriegsgefangene interniert wurden. Die meisten von ihnen starben durch Hunger, Folter und Krankheiten oder wurden auf andere Weise ermordet. Im September 1941 setzte das NS-Regime in Auschwitz erstmals das Giftgas Zyklon B ein und errichtete ab Ende 1941 Vernichtungslager, deren vorrangiges Ziel die systematische Ermordung der jüdischen Bevölkerung Europas war. Parallel begann sie mit der Interner Link: massenhaften Deportation von Jüdinnen und Juden in Ghettos im Osten Europas. Auf der „Interner Link: Wannsee-Konferenz“ koordinierten hochrangige Vertreter des NS-Regimes, wie die bereits vorher beschlossene Ermordung der europäischen Juden auf Behördenebene möglichst effizient umgesetzt werden sollte.

In Auschwitz-Birkenau „selektierte“ die SS an der sogenannten Rampe, wo die Deportationszüge ankamen zwischen „Arbeitsfähigen“ und jenen, die sofort ermordet wurden. Eine Mehrheit der Deportierten, darunter ältere und kranke Menschen, viele Frauen und Kinder, ließ die SS direkt mit Giftgas töten. Ab 1943 betrieb das NS-Regime in Auschwitz-Birkenau vier Gaskammern. Das Personal verbrannte die Körper der Opfer, ihre Wertsachen wurden gesammelt und meist nach Deutschland verbracht.

Schätzungen des Museums Auschwitz zufolge waren unter den mindestens 1,1 Millionen Toten etwa eine Million Jüdinnen und Juden, die meisten von ihnen wurden aus Ungarn und Polen deportiert. Hinzu kamen 70.000 bis 75.000 Polinnen und Polen, 21.000 Interner Link: Sintize und Sinti sowie Romnia und Roma, 14.000 sowjetische Kriegsgefangene sowie 10.000 bis 15.000 weitere Menschen, die aus ideologischen Motiven ermordet wurden.

Als Ende des Jahres 1944 sowjetische Truppen Richtung Westen vorrückten, begannen die Nationalsozialisten, die Spuren des industriellen Völkermords zu beseitigen. Zwischen dem 17. und dem 21. Januar 1945 wurden die letzten verbliebenen Inhaftierten in Auschwitz zu „Todesmärschen“ in Richtung Westen gezwungen. Das Krematorium wurde in der Nacht zum 26. Januar 1945 gesprengt, einen Tag bevor die Rote Armee den Lagerkomplex Auschwitz erreichte und am 27. Januar etwa 7.000 Überlebende befreite, darunter rund 500 Kinder.

Opfer der NS-Herrschaft

Bis zum Kriegsende 1945 wurden insgesamt über sechs Millionen Juden ermordet. Andere Bevölkerungsgruppen wurden ebenfalls Opfer der nationalsozialistischen Ideologie. Sie wurden gezielt entrechtet, verfolgt, enteignet, inhaftiert und getötet, starben an Hunger, Krankheit, Erschöpfung, Misshandlung oder wurden hingerichtet. Betroffen waren u.a. Interner Link: Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen oder psychischen Krankheiten, von den Nationalsozialisten als „Interner Link: Asoziale“, „Interner Link: Gemeinschaftsfremde“ und „Interner Link: Berufsverbrecher“ stigmatisierte Menschen, Interner Link: Homosexuelle, Interner Link: politische Gegnerinnen und Gegner, regimekritische Künstlerinnen und Künstler sowie Intellektuelle, Interner Link: Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, Kirchenmitglieder, Interner Link: unangepasste Jugendliche, Interner Link: Deserteure, Interner Link: Afro-Deutsche und die Interner Link: Zeugen Jehovas. In den besetzten Ländern führten die Nationalsozialisten einen Interner Link: Vernichtungskrieg gegen osteuropäische Soldaten und die Zivilbevölkerung.

Politische Instrumentalisierung im deutsch-deutschen Konflikt

Mit dem Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus tat sich die deutsche Nachkriegsgesellschaft schwer. Politik, Interner Link: Justiz und Gesellschaft waren von einer „Schlussstrich-Mentalität“ geprägt – man wollte das Vergangene hinter sich lassen. Das Leid der ermordeten und verfolgten Bevölkerungsgruppen blendeten die Deutschen bis auf wenige Ausnahmen aus. Oft waren es die Betroffenen selbst, die das Gedenken aufrechterhielten. So initiierten beispielsweise in der frühen Nachkriegszeit ehemalige politische KZ-Inhaftierte jeweils am zweiten Sonntag im September einen Gedenktag für die „Opfer des Faschismus“. Im getrennten Deutschland gedachte man in Westdeutschland allen “Opfern der Unmenschlichkeit” und setzte die DDR damit aus politischem Kalkül heraus mit dem Nazi-Regime gleich. Ab Mitte der 1950er Jahre legte die Bundesrepublik das Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus dann mit dem sogenannten Volkstrauertag zusammen, an dem auch an die deutschen Kriegstoten erinnert wurde. Der 27. Januar wurde in der Bundesrepublik als Jahrestag zwar von Zeit zu Zeit thematisiert, einen eigenen Gedenktag für die NS-Opfer gab es jedoch nicht. Das Gedenken fokussierte sich u.a. auf den Interner Link: 20. Juli, den Tag des Attentats auf Hitler durch die Gruppe rund um General von Stauffenberg.

In der DDR bestimmten die SED und ihre parteitreuen Organisationen wie die Interner Link: „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes“ (VVN) und das „Komitee der Antifaschistischen Widerstandskämpfer“ (KdAW) die offizielle Erinnerungspolitik. Die DDR-Führung nutzte das Gedenken für ihre politischen Ziele. Sie versuchte, die DDR als antifaschistischen Staat zu legitimieren und die Bundesrepublik zu diskreditieren. Interner Link: Das Gedenken bezog zwar alle Opfer des Faschismus ein, besonders geehrt wurden aber vor allem politische Widerständler. Andere Verfolgte des Naziregimes kamen auf den staatlich organisierten Gedenkkundgebungen nicht zu Wort, Interner Link: ihre Verfolgung wurde kaum erwähnt.

Beide deutsche Staaten betrieben ihre Erinnerungspolitik also eher selektiv und vornehmlich mit Blick auf den größtmöglichen Nutzen im deutsch-deutschen Systemkonflikt.

Spätes Gedenken

Im wiedervereinigten Deutschland forcierte vor allem der damalige Vorsitzende des Zentralrates der Juden in Deutschland Ignatz Bubis eine breite Debatte um die Einführung eines nationalen Gedenktags am 27. Januar. Mit dem Jahrestag der Befreiung des Konzentrations- und Vernichtungslagers Auschwitz stand ein Datum zur Diskussion, das nicht nur eine deutsche, sondern auch eine europäische Dimension bot. Kritische Stimmen mahnten, Deutschland versuche mit der Wahl des 27. Januar als nationalen Gedenktag von der eigenen Schuld abzulenken und stelle sich nachträglich an die Seite der Opfer und Befreier. Stattdessen solle ein Tag gewählt werden, der stärker für die deutsche Täterschaft stehe. Unter dem Eindruck geschichtspolitisch bedeutsamer Erinnerungsfeiern der Jahre 1994/95, die teilweise erstmals von verschiedenen Staaten gemeinsam begangen wurden, konnte sich die Idee des 27. Januar als nationaler Gedenktag dennoch durchsetzen - 51 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Internationales Gedenken

Für die sechs Millionen Jüdinnen und Juden, die im Interner Link: Holocaust ermordet wurden, gibt es in Israel bereits seit 1959 einen Gedenktag, den Yom Hashoah, der nach dem hebräischen Kalender jeweils auf den 27. Tag des Monats Nisan fällt. Nach dem gregorianischen Kalender variiert dieser Tag, im Jahr 2025 beginnt er bei Sonnenuntergang des 23. April und endet zum Einbruch der Nacht am 24. April.

Die Generalversammlung der Vereinten Nationen erklärte den 27. Januar im November 2005 zum „Internationalen Tag des Gedenkens an die Opfer des Holocaust“. Er wurde zum ersten Mal im darauffolgenden Jahr begangen.

Gedenken aktuell

Im Oktober 2024 veröffentlichte die Bildungsministerkonferenz eine Externer Link: Erklärung zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz-Birkenau. Darin betonte sie, dass gerade in aktuellen Zeiten, in denen „extremistische Parteien und Strömungen sowie islamistische Gruppierungen Zulauf erfahren, antisemitische Vorfälle und Straftaten zunehmen und das Existenzrecht Israels infrage gestellt wird“, die Erinnerung an die Verbrechen während der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wach gehalten werden müssten.

Im Deutschen Bundestag wird zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz eine Gedenkstunde abgehalten, die am 29. Januar stattfinden wird. Es ist geplant, dass Bundestagspräsidentin Bärbel Bas die Gedenkstunde eröffnet und danach Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und Roman Schwarzman, Holocaust-Überlebender aus Odessa in der Ukraine, sprechen. Schwarzman überlebte im Alter von sieben Jahren das Ghetto Berschad. Unter anderem die Dienstgebäude aller Behörden und Dienststellen des Bundes sollen am 27. Januar Trauerbeflaggung tragen.

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