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31. Januar 2020: Brexit - Großbritannien verlässt die EU | Hintergrund aktuell | bpb.de

31. Januar 2020: Brexit - Großbritannien verlässt die EU

Redaktion

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Am 31. Januar 2020 ist das Vereinigte Königreich nach jahrelangen Verhandlungen aus der EU ausgetreten. Die Folgen des britischen EU-Austritts sind bis heute spürbar – vor allem wirtschaftlich.

Aufgenommen am 31. Januar 2020 auf dem Parliament Square in London. (© picture-alliance)

Am 23. Juni 2016 stimmten die Britinnen und Briten in einem Referendum mehrheitlich für den Austritt aus der Europäischen Union (EU). Bei einer Wahlbeteiligung von 72,2 Prozent votierten knapp 52 Prozent der Wählerinnen und Wähler desExterner Link: Vereinigten Königreichs Großbritannien und Nordirland für den „Interner Link: Brexit“, der nach langwierigen Verhandlungen schließlich Interner Link: am 31. Januar 2020 vollzogen wurde.

Emotional geführte Debatte um den Brexit

EinInterner Link: zentrales Thema der emotional geführten Debatte um den Brexit war die Migration. Die Befürworterinnen und Befürworter des Brexit kritisierten vor allem die Zuwanderung und den Zugang von Migrantinnen und Migranten aus der EU zu britischen Sozialleistungen, die nur durch einen Austritt aus der Union wirksam eingeschränkt werden könnten. Doch auch andere Themen wie etwa die EU-Mitgliedsbeiträge, die Handelsbeziehungen oder der generelle Einfluss Brüssels auf die nationale Gesetzgebung spielten in der Austrittsdebatte eine Rolle.

Die Gegnerinnen und Gegner des EU-Austritts argumentierten unter anderem, dass ein Brexit die Sicherheit des Landes gefährden würde. Außerdem würde London international an Einfluss verlieren und die britische Wirtschaft ohne Zugang zum europäischen Binnenmarkt Schaden nehmen.

Nicht nur in der Politik, sondern auch in den britischen Medien wurde die Debatte um einen Brexit vehement geführt. Weite Teile der Presse vertraten bereits seit vielen Jahren eine ablehnende bis feindliche Haltung gegenüber der EU. Insbesondere die Boulevardzeitungen des rechtsgerichteten US-Medienunternehmers Rupert Murdoch machten systematisch Stimmung gegen die Europäische Union.

So kam es zum Brexit

Treibende Kräfte für den Brexit waren Teile der Interner Link: Konservativen Partei („Tories“) und die teils rechtsextreme Interner Link: United Kingdom Independence Party (UKIP). Bereits Anfang der 2010er Jahre mehrten sich die Stimmen für einen Austritt Großbritanniens aus der Staatengemeinschaft. Die UKIP, die einen schnellstmöglichen Brexit forderte, erhielt bei den Europawahlen 2014 gut 27 Prozent der Stimmen. Bereits 2013 hatte der damalige Premierminister David Cameron versprochen, im Falle eines Wahlsiegs seiner Konservativen Partei bei den Unterhauswahlen 2015 in einem Referendum über den Verbleib seines Landes in der EU abstimmen zu lassen.

Nach dem Wahlsieg 2015 kündigten die Konservativen ein Referendum noch für das darauffolgende Jahr an. Zudem handelte Cameron mit den anderen EU-Staats- und Regierungschefs für den Fall eines Verbleibs eine Sonderstellung für das Vereinigte Königreichaus: So sollten etwa die Sozialleistungen für Geringverdienende aus anderen EU-Staaten gekürzt werden.

Umfragen und Cameron irren sich

Obwohl einige Umfragen eine knappe Mehrheit für den Verbleib in der EU prognostiziert hatten, stimmten die Wählerinnen und Wähler am 23. Juni 2016 mehrheitlich für den Austritt Großbritanniens. Einige Befragte hatten sich in den Umfragen im Vorfeld der Abstimmung offenbar nicht entsprechend ihrer tatsächlichen Abstimmungsabsicht geäußert.

Nach der Brexit-Niederlage erklärte der amtierende Premierminister David Cameron am darauffolgenden Tag seinen Rücktritt. Cameron, der eigentlich für einen Verbleib in der EU war, hatte sich mit seiner Entscheidung für ein Referendum verkalkuliert.

Sozioökonomische Gründe für den Brexit

Das Brexit-Votum zeigte politische Trennlinien innerhalb der britischen Gesellschaft auf: Während sich die Wahlberechtigten in England und Wales mehrheitlich für den Austritt aussprachen, stimmte in Nordirland eine Mehrheit für den Verbleib in der EU. In Schottland votierten sogar 62 Prozent der Wahlberechtigten für „Remain“ (dt. verbleiben). Auch die Hauptstadt London stimmte mehrheitlich gegen den Brexit.

Neben regionalen spielten auch sozioökonomische Faktoren eine Rolle: Während junge Wählende und Menschen mit hohen Bildungsabschlüssen eher für den Verbleib in der EU stimmten, votierten ältere Britinnen und Briten und Menschen mit geringem Bildungsgrad eher für den Brexit.

Schwierige Brexit-Verhandlungen

Neben den konservativen Tories erkannte auch die seinerzeit oppositionelle Interner Link: Labour-Partei das Abstimmungsergebnis als bindend an. Nachdem das Unterhaus das Brexit-Gesetz verabschiedet hatte, leitete Camerons Nachfolgerin, die damalige Premierministerin Theresa May, im März 2017 offiziell die Austrittsverhandlungen mit Brüssel ein.

Gemäß Externer Link: Artikel 50 des EU-Vertrags war zunächst vorgesehen, die Verhandlungen innerhalb von zwei Jahren abzuschließen – die Frist musste jedoch aufgrund der schleppenden Verhandlungen mehrfach verlängert werden. Im November 2018 gelang es Theresa May, einen vorläufigen Austrittsvertrag auszuhandeln, der von den verbleibenden 27 EU-Staaten gebilligt wurde und einen Austritt bis zum 29. März 2019 vorsah. Das britische Unterhaus lehnte den Vertrag jedoch ab.

Um einen Brexit ohne Vertrag zu verhindern, wurde der Austrittstermin mehrfach verschoben. Nach Mays Rücktritt im Sommer 2019 drohte unter ihrem Nachfolger Boris Johnson zunächst ein „harter Brexit“ ohne Abkommen zum 31. Oktober 2019. Die Beziehungen zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU wären dann mit denen zu einem außereuropäischen Staat wie Kanada vergleichbar gewesen. Bei einem „weichen Brexit“ hätte Großbritannien auch als Nicht-EU-Mitglied weiter vollen Zugang zum europäischen Binnenmarkt gehabt – vergleichbar mit Norwegen. Im Gegenzug hätte es in den EU-Haushalt einzahlen und einen Großteil der EU-Gesetzgebung übernehmen müssen.

Das britische Unterhaus verabschiedete im September 2019 ein Gesetz gegen den ungeregelten Brexit. Nach einer erneuten Fristverlängerung verließ Großbritannien am 31. Januar 2020 die EU. Während der bis Ende 2020 eingeräumten Übergangsphase blieb Großbritannien zunächst Teil des EU-Binnenmarkts und der EU-Zollunion.

Am 24. Dezember 2020 einigten sich beide Seiten nach harten Verhandlungen auf einExterner Link: Handels- und Kooperationsabkommen, welches am 1. Januar 2021 vorläufig und am 1. Mai 2021 dauerhaft in Kraft trat.

Das Abkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich

Das Abkommen beinhaltet eine Freihandelsvereinbarung, nach der auch künftig im beidseitigen Warenverkehr keine Zölle erhoben werden. Eine „harte“ Grenze zwischen der Republik Irland und dem zum Vereinigten Königreich gehörenden Nordirland wurde durch das so genannte Externer Link: Nordirland-Protokoll abgewendet. Dieses verlegt die Zollgrenze de facto in die Irische See. Das Abkommen sieht auch eine weitgehende Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus vor.

Zudem wollen beide Seiten laut Vertrag auch in verschiedenen anderen Bereichen eng kooperieren, insbesondere in der Energiepolitik und beim Klimaschutz. Die Personenfreizügigkeit für EU-Bürgerinnen und -Bürger im Vereinigten Königreich und für britische Bürgerinnen und Bürger in der EU ist seit dem 1. Januar 2021 zeitlich begrenzt. Der Brexit war also im Ergebnis eher hart: Großbritannien verließ den EU-Binnenmarkt und die Zollunion und entfernte sich damit handelspolitisch weiter von der EU als beispielsweise Norwegen oder die Schweiz.

Folgen des Brexits für britische Wirtschaft

Vor allem Interner Link: wirtschaftlich hat der Brexit aus Sicht von Beobachtenden negative Folgen. Fast die Hälfte der britischen Exporte ging vor dem Brexit in die EU. Doch der Handel mit dem Kontinent wurde durch den Brexit erschwert. Deutlich eingeschränkt wurden auch die Möglichkeiten für EU-Europäerinnen und -Europäer, in Großbritannien zu arbeiten. Der britische Think Tank CER schätzte im Sommer 2022, dass die britische Wirtschaft zu diesem Zeitpunkt rund fünf Prozent kleiner war, als sie es ohne Brexit gewesen wäre. Vor allem bei den britischen Exporten in die EU, den Direktinvestitionen und der britischen Produktivität machte sich der Austritt zumindest in der Anfangszeit deutlich bemerkbar.

Einer Externer Link: Analyse der Aston University in Birmingham zufolge hat der britische Außenhandel mit der EU zuletzt immer stärker unter dem Austritt aus der EU gelitten. Sowohl Exporte als auch Importe seien stark eingebrochen, heißt es in der Studie vom September vergangenen Jahres. Zwischen 2021 und 2023 sei die Menge britischer Warenimporte in die EU um 32 Prozent gesunken, die der Exporte um 27 Prozent. Am stärksten betroffen waren demnach die Bekleidungsbranche, die Landwirtschaft sowie die Holz- und Papierherstellung. Allerdings sind die EU-Staaten weiterhin größter Handelspartner Großbritanniens. Ausgeklammert wurde in der Studie der Dienstleistungssektor. Dieser habe sich besser entwickelt als vor dem EU-Austritt erwartet.

Das Bruttoinlandsprodukt Großbritanniens ging nach Angaben des britischen Statistikamtes ONS zu Beginn der Coronavirus-Pandemie im Jahr 2020 um mehr als zehn Prozent zurück. Der Rückgang war damit deutlich größer als in der EU (minus 5,6 Prozent) oder in Deutschland (minus 3,8 Prozent). Im Folgejahr wuchs das BIP Großbritanniens allerdings stärker als das der EU und Deutschlands. Zudem spielten neben dem Brexit auch andere Faktoren wie der Krieg in der Ukraine und die Energiekrise eine Rolle für das unterschiedliche und teils geringere Wachstum.

Hohe Inflation und Versorgungsengpässe

In den Jahren nach dem Brexit ist die Inflation in Großbritannien sehr stark angestiegen – zwar leidet auch die Insel unter den im Zuge des Ukraine-Krieges teils massiv gestiegenen Energie- und Lebensmittelpreisen. Expertinnen und Experten sehen aber auch den Brexit als eine Ursache für die galoppierenden Preise. 2022 lag die Inflation bei neun Prozent, im Jahr darauf bei 7,3 Prozent – zuletzt schwächte sie sich etwas ab. Ende vergangenen Jahres belief sie sich auf unter drei Prozent.

In verschiedenen Sektoren wie dem Gesundheitswesen und Dienstleistungsbereichen wie der Gastronomie und dem Transportwesen hat sich der Personalmangel nach dem Brexit zumindest zeitweise verschärft, obwohl – anders als von den Befürworterinnen und Befürwortern des Brexits erhofft – mehr Menschen in das Vereinigte Königreich eingewandert sind als zuvor. Die Hürden für ausländische Arbeitskräfte sind allerdings durch neue Visa-Regelungen höher geworden.

Im Herbst 2021 gab es an vielen britischen Tankstellen zeitweise kein Benzin mehr. Ursache war, dass nach dem Brexit Lastwagenfahrer fehlten, die den Treibstoff transportieren konnten. Auch im medizinischen Bereich fehlt es an Personal. Der Brexit erschwert nicht-britischen Ärztinnen und Ärzten und Pflegekräften das Arbeiten auf der Insel.

Auch bei manchen Grundnahrungsmitteln kam es zeitweise zu Engpässen. Einige britische Handelsketten hatten etwa im Frühjahr 2023 den Verkauf von Gemüse und Obst eingeschränkt. Fallen Ernten zukünftig weltweit schlechter aus, wird Großbritannien nach Einschätzung von Wirtschaftsexperten stärker betroffen sein. Der Brexit wäre dann ein negativer Verstärker.

Labour-Partei kündigte Annäherung an die EU an

Nach dem Brexit blieben die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien angespannt. Vor allem die Nordirland-Frage sorgte für Streit. Erst 2023 verständigten sich die britische Regierung und die EU-Kommission auf einen Kompromiss. Das sogenannte Windsor-Abkommen sieht unter anderem vor, den Warenverkehr von und nach Nordirland aus Großbritannien zu vereinfachen.

Die im vergangenen Jahr gewählte Labour-Regierung kündigte im Juli 2024 eine Annäherung an die EU an. Anfang Oktober gaben Brüssel und London in einer gemeinsamen Erklärung bekannt, wieder enger zusammenarbeiten zu wollen. Im selben Monat waren bei einerExterner Link: Umfrage des National Center for Social Research (NatCen) knapp 60 Prozent der Befragten der Meinung, der Brexit sei schlecht oder eher schlecht verlaufen. Bereits im Juni 2023 hatten 51 Prozent bei einer Externer Link: Umfrage des NatCen angegeben, dass sie bei einem erneuten Referendum für einen Wiedereintritt der Vereinigten Königreichs in die EU stimmen würden. Eine erneute EU-Mitgliedschaft schließt aber auch Labour aus.

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